Die Entscheidung der MotoGP, 2023 an jedem Rennwochenende einen Sprint abzuhalten, war ein Paukenschlag in der Geschichte der Motorrad-WM. Nie hatte es eine solch drastische Veränderung des Formates gegeben. Nun haben die Fahrer 19 von 20 Wochenenden dieser neuen Monster-Saison mit 40 Rennen hinter sich. 2024 sollen es dann sogar 22 Rennwochenenden werden. Vor dem Finale in Valencia war Zeit, ein Fazit zu ziehen. Die Belastungen der Sprint-MotoGP sind enorm und die Fahrer fordern Entlastung.
MotoGP-Fahrer durch Sprints körperlich und sportlich am Limit
"Körperlich kommen wir mit so einer Saison ans Limit", meint Gresini-Pilot Alex Marquez. Mit dieser Auffassung ist er nicht allein. "Es war hart. Die Rennwochenenden haben sich definitiv verändert und sind sehr sehr intensiv geworden", meint Franco Morbidelli. Auch die weniger kritischen Stimmen, ließen die Belastung durchblicken. "Es war merkwürdig und wir mussten uns erst daran gewöhnen. Doch jetzt, wo wir das getan haben, fühlt es sich normal an", meinte der WM-Dritte Marco Bezzecchi. Was er danach anfügte, sprach aber auch für sich: "Ehrlicherweise würde ich den alten Zeitplan bevorzugen, aber es macht schon viel Spaß. Es ist aber auch riskanter und körperlich fordernder. Wir müssen deutlich mehr trainieren."
Dabei geht es nicht nur darum, dass es mehr Risiko durch einen Start und ein Rennen mehr gibt. Auch der Rest des Wochenendes hat sich verschärft. Alex Marquez sieht auch darin einen Grund für die gewaltige Anzahl an Verletzungen in der Saison 2023: "Du musst von Freitagmorgen an am Limit sein. Ich denke das hat die Anzahl an Verletzungen und Stürzen etwas erhöht. Davor hattest du mehr Zeit auf der Strecke und konntest mehr darüber nachdenken. Du konntest das Risiko etwas kontrollieren. Das geht jetzt nicht mehr." Auch Jorge Martin führte diesen Aspekt an: "Mit einem Rennen am Samstag muss du von Freitag an pushen, und manchmal bis du da einfach noch nicht bereit. Außerdem bringen mehr Start mehr Risiken mit sich."
Fahrer haben genug: Sprints sollen weniger werden
Angesprochen auf den Fakt, dass es 2023 kein einziges Rennen (Sprint oder Grand Prix) mit allen 22 Stammfahrern am Start gab, fand Fabio Quartararo klare Worte: "Das ist kein Zufall, es ist ein großes Problem. Es ist ohnehin schon ein gefährlicher Sport. Als Fahrer kann ich euch garantieren, dass man manchmal im Sprint müder als im Rennen ist. Unsere Bikes werden auch immer anstrengender. Wir brauchen nicht ein Sprintrennen bei jedem einzelnen Grand Prix." Die Saison stellte einen neuen Rekord an verpassten Rennen aufgrund von Verletzungen auf. Aleix Espargaro drückt sich daher noch klarer als der Weltmeister von 2021 aus: "Das ist kein Zufall. Wenn jemand das behauptet, dann ist er ein Idiot."
Auch wenn niemand eine Abschaffung der Sprints in den Mund nahm, so blieb der Tenor klar. "Wir brauchen eine bessere Balance. Jedes Wochenende ein Sprintrennen ist hart. Das machen sie nicht einmal in der Formel 1. Wir machen es jedes einzelne Wochenende. Das ist anspruchsvoll und gefährlicher. Es setzt uns Fahrer größeren Risiken aus. Wenn es nach mir ginge, müssten die Sprintrennen reduziert werden", brachte es Morbidelli auf den Punkt. Espargaro sah das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht: "Ich mag weder den Zeitplan, noch den Kalender. Wir werden mehr und mehr Probleme sehen."
Was die Fahrer wollen, ist das eine, nur bekommen werden sie eine Reduzierung der Sprints wohl kaum. "Glaubt ihr, dass wir Fahrer in der Sicherheitskomission nicht darauf gedrängt haben, die Sprintrennen zu reduzieren? In jeder einzelnen Sitzung verlangen das alle Fahrer", wütete Espargaro. "Es ist, wie es ist. Es liegt nicht in unserer Macht, das ändern zu können", resignierte hingegen Marquez. Die Dorna mache sowieso, was sie wolle. "Sie könnten 45 Rennen machen, wenn sie wollten", erklärte Espargaro.
Ezpeleta macht klar: Dorna sieht keinen Grund zur Kursänderung
Tatsächlich scheint dies wohl der Sachverhalt zu sein. Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta zog in einem Interview mit der spanischen 'AS' ein gänzlich anderes Saisonfazit. "Wir haben am Samstag ein tolles Rennen, und wenn wir fertig sind, sagen wir: Morgen mehr! Das ist ein unglaubliches Format", lobte er die Arbeit seiner Firma. Die vielen Verletzungen tat er als Momentaufnahme ab: "Das ist normal, denn am Anfang denkt jeder, das ist seine Chance." Der Verletzungsrekord ist allerdings Fakt, doch auch der Spanier hatte solche Fakten im Petto: "Die Zuschauerzahlen auf den Rennstrecken und im Fernsehen sind gestiegen."
Von den Fahrern abgesehen ist eine Saison mit 22 Rennen eine große Belastung für das Paddock. Espargaro mahnte auch dies an: "Ich habe ein schönes Leben. Ich komme am Donnerstag mit einem Privatjet zum Rennen. Meine Mechaniker aber kommen schon am Dienstag und haben dann einen Tag, um wieder abzubauen. Da muss man eine Balance finden." Doch auch bei diesem Thema blockte Ezpeleta ab: "Schauen Sie mich an. Ich bin 77 Jahre alt und ich kann es schaffen, und die anderen auch. Die Leute sind müde, aber sie gewöhnen sich daran, bauen ihre Belegschaft um und überlegen, wie sie die Dinge optimieren können." Ein Einlenken der Dorna in Bezug auf die Belastungen für Fahrer und Teams scheint also in weiter Ferne.
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