Eine Niederlage im Kampf um den Sieg, inklusive eigenem Fehler, hat sich wohl noch nie so gut angefühlt, wie der zweite Platz von Francesco Bagnaia im Katar GP. Zwar wurde der amtierende Weltmeister in einem hochklassigen Duell von Sensationsmann Fabio Di Giannantonio niedergerungen, doch war sein zweiter Platz in der WM Gold wert. Da Jorge Martin im Grand Prix einen Horrortag erlebte und nur auf Rang 10 ins Ziel kam, reist der Titelverteidiger nun als haushoher Favorit zum Saisonfinale in Valencia in einer Woche.

Bagnaia wusste nichts von Martins Misere

Die Startphase in Katar verlief wie aus dem Bilderbuch für Bagnaia. Während 'Pecco' sofort in Führung preschte, fiel Rivale Jorge Martin mit einem katastrophalen Start bereits deutlich zurück. Bagnaia selbst wusste davon aber gar nichts: "Ich sah nicht, wo Martin lag. Ich dachte er sei Vierter oder sowas in der Art. Ich hatte keine Ahnung, dass er so weit hinten lag." Dass Martin von einem defekten Reifen gehandicapt war, erfuhr der Italiener nicht.

Während Martin sein Gegner in der Meisterschaft ist, war ihm auf der Strecke ein anderer dicht auf den Fersen. Fabio Di Giannantonio fuhr das Rennen seines Lebens und klebte dem Weltmeister im Heck. Als der Gresini-Pilot seinen Angriff startete, wollte Bagnaia beim Anbremsen auf Kurve 1 kontern. Beinahe hätte dabei die WM wieder eine Wendung genommen: "Der Moment in Kurve eins hat mich erschreckt. Einen Moment lang dachte ich, wir würden kollidieren. Die zwei Runden danach war ich noch geschockt und fuhr sehr langsam."

Wie 2021: Bagnaia lernt nicht dazu

Mehr als Rang zwei war nach seinem Ausritt in die Auslaufzone dann nicht mehr möglich. Der zuvor herausgefahrene Vorsprung auf Luca Marini sorgte dafür, dass sein Fehler sich nicht noch deutlicher auswirkte. "Ich habe den Effekt des Windschattens in Kurve 1 unterschätzt", erklärte der Italiener. Besonders ärgerlich war das, weil es sich um ein Deja-Vu handelte: "Ich habe denselben Fehler bereits 2021 gemacht und heute schon wieder!" Damals verschätzte sich der Weltmeister hinter Johann Zarco und warf so einen Podestplatz weg.

Fabio di Giannantonio verfolgte Bagnaia und rang ihn nieder, Foto: LAT Images
Fabio di Giannantonio verfolgte Bagnaia und rang ihn nieder, Foto: LAT Images

Durch den erneuten Fehler ging der Sieg an seinen Landsmann di Giannantonio. "Er war schneller. Ich versuchte mein Bestes. Meine schnellste Runde war vor diesem Fehler, aber er war trotzdem nah dran", gab der WM-Leader offen zu. Es gab keinen Groll, sondern eine faire Gratulation: "Es freut mich für Diggia, er hat es verdient!" Ein bisschen nagte die Niederlage dennoch an ihm: "Natürlich bin ich nicht komplett zufrieden, weil ich um den Sieg fuhr und den Kampf verlor." Aber am Ende galten die Gedanken aber der Weltmeisterschaft: "Mein Ziel war es zu gewinnen, aber heute wäre der Sieg sehr riskant gewesen. Es war zu wichtig, die Punkte mitzunehmen."

Klarer WM-Favorit? Valencia 2022 ist Warnung für Bagnaia

So kann Bagnaia schon nächsten Samstag im Sprint von Valencia seine Titelverteidigung klarmachen. Dazu müsste er vier Punkte auf Martin herausfahren, da dann nurmehr Punkgleichheit möglich wäre. Bei dieser wäre Bagnaia dank der höheren Anzahl Siege (6 zu 4 für den Italiener) vorne. Selbst wenn Martin Sprint und Rennen in seiner Heimat gewinnt, so muss Bagnaia in beiden Rennen 'nur' 16 Punkte erzielen und ist trotzdem erneut Weltmeister.

Dennoch ist der Turiner gewarnt. Ein heikles Finale in Valencia hat er schon mitgemacht: "Es ist eine großartige Ausgangslage in der Meisterschaft, aber ich erinnere mich an mein Gefühl vom letzten Jahr. Wir hatten 23 Punkte Vorsprung und ich kam nicht zurecht. Ich werde pushen und clever agieren müssen." Damals wurde Bagnaia nur Neunter, was 2023 nicht genug wäre, um aus eigener Kraft den Titel zu holen. Außerdem gibt es noch einen weiteren Unsicherheitsfaktor: "Wir wissen nicht wie das Wetter in Valencia im Dezember [das Rennen ist Ende November, Anm. d. Red.] ist." Eine weitere Wende ist in dieser dramatischen MotoGP-WM 2023 also nicht auszuschließen.