Die MotoGP erlebte am Sonntag im Katar Grand Prix einen packenden Zweikampf um den Sieg zwischen zwei Ducati-Piloten: Auf der einen Seite Werksfahrer und WM-Leader Francesco Bagnaia, auf der anderen der scheidende Gresini-Pilot Fabio Di Giannantonio. Rundenlang hing Letzterer am Hinterrad von Bagnaia, nur zwei bis drei Zehntel trennte das Duo über weite Strecken. Als das Hauptrennen in die Schlussphase einbog, ploppte dann aber plötzlich eine Meldung auf Di Giannantonios Dashboard auf: 'Mapping 8!'
Sofort wurden die Erinnerungen an Malaysia 2017 wach. Exakt diese Meldung hatte damals nämlich Jorge Lorenzo erhalten, um Ducati-Teamkollege Andrea Dovizioso, der sich noch im WM-Kampf mit Marc Marquez befand, Platz zu machen und die Führung abzugeben. Wollte Ducati also erneut in den Titelkampf der MotoGP eingreifen? Schließlich hätte Bagnaia mit einem Sieg im Katar Grand Prix Big Points erzielen könnten, lag WM-Rivale Jorge Martin mit Reifenproblemen doch nur auf Platz zehn. Hatte man sich entschlossen, Di Giannantonio, der Ducati im kommenden Jahr ohnehin verlassen wird, einzubremsen und ihm eine Attacke zu verbieten?
Die klare Antwort: Nein! Vielmehr war dieses Mal das Gegenteil der Fall. "Sie allein [die Fahrer, Anm.] entscheiden, was in ihren Rennen passiert. Wir haben ihm nur eine Nachricht geschickt, dass noch fünf Runden ausstehen, denn das wollte er wissen. Es war also nichts Besonderes, die Leute haben da wohl etwas falsch verstanden. Er wollte nur wissen, wann noch fünf Runden zu fahren sind. Das ist alles", hatte Crewchief Frankie Carchedi bereits unmittelbar nach Rennende im Interview bei 'MotoGP.com' Entwarnung gegeben.
Anschließend gab Carchedi einen Einblick in die Taktik, die sich das Duo am Samstagabend zu Recht gelegt hatte: "Ich habe ihm gesagt, dass er sich auf Platz drei, vier oder fünf halten und die Temperatur im Vorderreifen kontrollieren soll, weil wir mit dem Hard fahren wollten. Er sollte so viel Gummi wie möglich für die Schlussphase übrighaben." Die 'Mapping 8'-Nachricht war dann nicht weniger als das 'Grüne Licht' für die Schlussattacke.
Di Giannantonio stellt klar: 'Mapping 8' war das 'Go' zur finalen Attacke!
Dies bestätigte Di Giannantonio wenig später selbst: "Ich hatte nicht erwartet, dass ich Pecco vor mir haben würde, weil er gestern zu kämpfen hatte. Ich musste vorsichtig sein und es tut mir leid, dass ich ihm Punkte weggenommen habe, aber wir hatten von Anfang an geplant, den Führenden zu attackieren. Ich konnte mein Pitboard nicht sehen, daher wusste ich nicht, wie viele Runden noch übrig sind. Als ich 'Mapping 8' gesehen habe, wusste ich, dass ich überholen kann, weil nur noch fünf Runden zu absolvieren waren."
Die Befürchtung, Ducati könnte den Gresini-Piloten einbremsen wollen, war also nicht gerechtfertigt. Vielmehr handelte es sich beim 'Mapping 8' einfach nur um eine kuriose Parallelität zu 2017. Denn Di Giannantonio machte nach Erhalt der Mitteilung tatsächlich Ernst und überholte Bagnaia in der viertletzten Runde mit einem ebenso spektakulären wie mutigen Manöver in Kurve elf. Die Führung gab er anschließend nicht mehr ab. Eine finale Konterattacke Bagnaias scheiterte drei Runden vor Schluss in Turn 1, Di Giannantonio fuhr seinen Premierensieg in der MotoGP anschließend souverän nach Hause - oder etwa nicht? "Wenn du dir die Daten ansiehst, war meine letzte Runde totaler Mist. Ich habe in meinem Helm geschrien, geweint und lauter verrückte Dinge gemacht. Ich konnte es nicht glauben", lachte der 25-jährige Römer.
Als die Zieldurchfahrt dann geschafft war, herrschte im Gresini-Lager natürlich Partystimmung. Knapp anderthalb Jahre zuvor hatte die italienische Mannschaft an gleicher Stelle bereits einen anderen emotionalen MotoGP-Sieg mit Enea Bastianini gefeiert. "Das war eine unglaubliche Nacht", jubelte Di Giannantonio. "Wir waren das ganze Wochenende schon schnell. Gestern sagte ich mir, dass ich heute vielleicht eine Chance habe. Meine Crew hat fantastisch gearbeitet, wir hatten eine unglaubliche Energie in der Box. Wir haben jede Runde durchgeplant, alles verlief nach Plan. Als ich Pecco dann den Fehler habe machen sehen, konnte ich das nicht glauben. Du musst einfach nur hart arbeiten und an dich glauben, dann geht alles!"
Nach Debütsieg: Di Giannantonio hofft noch auf MotoGP-Verbleib 2024
Und doch bringt der Debüt-Sieg natürlich auch Schattenseiten mit sich, denn es könnte schon der letzte gewesen sein. Für 2024 steht Di Giannantonio schließlich noch ohne MotoGP-Vertrag da, bei Repsol Honda und VR46 erhalten wohl Luca Marini und Fermin Aldeguer die Zuschläge. "Ich will ehrlich sein, nach Malaysia ist bezüglich meiner Zukunft etwas passiert, das nicht schön war. Ich kam zuhause an und war sehr wütend. Aber ich konnte positive Energie daraus ziehen und habe zu meinen Freunden gesagt, dass ich jetzt gewinnen will. Es war nicht leicht, aber wir haben es geschafft", berichtet der scheidende Gresini-Pilot.
Auch wenn es schlecht aussieht: Noch will Di Giannantonio die Hoffnung, 2024 doch noch Teil der MotoGP-Startaufstellung zu werden, nicht begraben. "Es ist mein Traum, in dieser Weltmeisterschaft zu fahren und von diesem Job zu leben, ich will hier bleiben. In Valencia werde ich nochmal mein Bestes geben. Vielleicht wird es mein letztes MotoGP-Rennen, vielleicht nicht. Wir werden sehen was passiert. Ich hoffe, dass wir die Dinge noch herumbiegen können."
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