So richtig daran glauben wollte wohl niemand mehr, vor allem, nachdem er seinen Wechsel auf die LCR-Honda ab 2024 ankündigte. Johann Zarco würde wohl immer der ewige Zweite in der MotoGP bleiben. 11-mal stand der Noch-Pramac-Pilot als Zweiter auf dem Podest, aber den Sieg schien ihm das Schicksal nicht zu gönnen. Zumindest bis zum Samstag auf Phillip Island. In einer unglaublichen Schlussphase musste der Franzose bis zur Ziellinie zittern, doch zog er es diesmal tatsächlich durch. Durch das gesamte MotoGP-Paddock ging eine Welle der Erleichterung. Selten gab es einen derart populären Sieger.
"Das sind große Emotionen. Am Anfang war es schwierig das zu begreifen. Es ist wie eine Last, die dir von den Schultern fällt. Wenn du weißt, dass du das beste Bike, aber nicht das beste Gefühl dafür, hast, dann ist es schwierig so eine Möglichkeit zu bekommen", versuchte Zarco seinen großen Tag in Worte zu fassen. 120 Rennen in der Königklasse hatte er dafür gebraucht. Seit dem Moto2-Rennen in Valencia 2016 stand der 33-Jährige nicht mehr auf der mittleren Stufe des Podests. 2533 Tage musste der zweifache Moto2-Weltmeister auf diesen Moment warten.
Da verwunderte es nicht, dass Zarco seinen klassischen Siegesjubel beinahe schon vergessen hatte: "Ich dachte vorher nicht daran, aber auf der Auslaufrunde kam es mir, dass ich das machen muss. Ich fand einen guten Platz dafür. Der Rückwärtssalto ist mir nicht gut gelungen aber nach sieben Jahren ist es normal, dass man das etwas verlernt. Wenigstens bin ich auf den Füßen gelandet. Die Fans waren sehr glücklich, diesen Moment mit mir zu teilen."
Martins Reifenwahl eröffnet Zarco die große Chance
Dabei sah es in einem dramatischen Rennen lange gar nicht danach aus, dass Zarco irgendetwas mit dem Sieg zu tun haben könnte. Teamkollege Jorge Martin fuhr auf und davon und einem sicheren Sieg entgegen: "Ich war von Anfang an schnell, aber ich sparte den Reifen hinter Pecco [Bagnaia] auf. Ich wusste, dass er die Pace für das Podium aufrechterhalten würde. Da habe ich nicht an den Sieg gedacht, aber man weiß ja nie. Jorge war vorne mit dem weichen Hinterreifen und hat es sehr gut kontrolliert."
Doch dem Spanier wurde seine riskante Reifenwahl in den Schlussrunden tatsächlich noch zum Verhängnis. Das war die große Chance für Zarco: "Es war erstaunlich, wie sehr er in den letzten fünf Runden einbrach. Dann begann ich zu verstehen, dass etwas fantastisches für mich möglich ist. Ich bin so glücklich, dass es mir gelungen ist. Phillip Island ist eine spezielle Strecke, die wir alle lieben. Hier ist es ein noch schöneres Gefühl, als erster über die Ziellinie zu fahren."
Keine Teamtaktik: Zarco zittert bis zum Schluss um ersten MotoGP-Sieg
Martin wurde auf der letzten Rille fahrend sogar noch bis auf Rang 5 zurückgereicht. Hätte Zarco seinem Teamkollegen im WM-Kampf nicht helfen können, indem er ihn abschirmt? 2022 hielt er sich beispielsweise in Thailand zurück, um Ducati-Kollege Francesco Bagnaia im Kampf um die Weltmeisterschaft keine Punkte abzunehmen. Diesmal war dem wechselnden Franzosen der Titelkampf aber herzlich egal: "Nein, ich war darauf fokussiert zu überholen und meine Position zu verteidigen." Der erste Sieg war sollte endlich her: "Ich dachte nicht an die Meisterschaft, sondern was ich für mich tun muss."
Auch wenn Zarco keine Rücksicht auf seinen strauchelnden Teamkollegen nahm, so zitterte er bis zum Schluss um den Premierentriumph. Zu oft war ihm der Sieg schon durch die Lappen gegangen. Außerdem wurde er auch nicht von irgendwem verfolgt: Hinter ihm lauerte Weltmeister Francesco Bagnaia höchstpesönlich. Erst die Zielflagge brachte die Erleichterung: "Es ist gelungen! Ich wusste, dass ich eine gute Beschleunigung aus der letzten Kurve hatte, aber es fühlte sich an, als würde nichts vorangehen. Ich hatte Angst auf der Ziellinie überholt zu werden."
Zarco trotz Sieg ehrlich: Hole nicht 100% aus der Ducati
Doch Bagnaia kam nicht mehr vorbei und Zarcos Warten hatte ein Ende. Doch warum musste er so lange warten? Schließlich hatte Zarco in den letzten beiden Jahren mit der Ducati das klar beste Bike zur Verfügung. Er versuchte sich an einer Erklärung: "Das ist schwierig zu sagen. Mein Fahrstil hat manchmal Vorteile und ich hätte das in der Vergangenheit besser ausnutzen können. Jetzt haben sich Reifen und Bikes sehr weiterentwickelt, du musst anders fahren. Es braucht gewaltiges Vertrauen in die Front. Das ist nicht wirklich mein natürlicher Stil. Wenn ich so fahre, dann bin ich einfach nicht entspannt. Ein so langes Rennen wird dann schwierig, ich werde müde und kann nicht mehr kämpfen."
Selbst im Moment seines größten Triumphes gestand sich der Franzose seine Defizite ein: "Ich versuchte, das zu ändern, aber um ein so hohes Level zu erreichen, muss das automatisch von der Hand gehen. Das braucht eine Menge Zeit. Ich bin da immer noch nicht bei 100%, aber hier war meine Arbeit gut genug für den Sieg." Vier Rennen hat er nun noch Zeit, vielleicht noch einen weiteren Sieg folgen zu lassen. Ab 2024 muss er auf der schwächelnden Honda wieder ganz von vorne beginnen.
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