Auf Phillip Island fand sich Francesco Bagnaia zum zweiten Mal innerhalb einer Woche in Q1 wieder. Der Weltmeister hatte das Training am Freitagnachmittag nur auf Rang elf beendet und musste somit den schwierigen Gang durch das erste Qualifying-Segment antreten. Diesen meisterte Bagnaia mit Bestzeit aber souverän und holte schließlich den guten dritten Startplatz.

Im aufgrund der schlechten Wetterprognose auf Samstag vorgezogenen Hauptrennen schien Bagnaia dann im Duell mit WM-Rivale Jorge Martin dennoch unter die Räder zu kommen. Drei Runden vor Ende führte Martin den Australien-Grand-Prix an, Bagnaia lag nur auf dem fünften Platz. Der Titelverteidiger hätte somit 14 Punkte auf Martin eingebüßt, wodurch sein Polster in der Gesamtwertung auf drei Zähler geschmolzen wäre.

Doch das MotoGP-Rennen von Phillip Island nahm eine dramatische Wende. Martin, der als einer von nur drei Fahrer neben Marc Marquez und Pol Espargaro auf den weichen Hinterreifen gesetzt hatte, brach in der Schlussphase völlig ein. In der letzten Runde führte er nach Kurve drei noch, im Ziel musste er sich mit Rang fünf begnügen. Bagnaia hingegen spielte den Medium-Pneu ideal aus und wurde Zweiter.

Dass Bagnaia gegen Rennende dermaßen glänzen konnte, war kein Zufall. Denn während seine Rivalen am Freitagnachmittag in der Jagd nach schnellen Rundenzeiten fast ausschließlich den Soft-Hinterreifen verwendeten, spulte Bagnaia ganze 17 Runden auf einem Medium ab. Erfahrung, die er im Rennen ausspielen konnte: "Der Grip der Strecke ist in diesem Jahr schlechter als 2022. Wir haben mehr Wheelspin, gleichzeitig sind die Zeiten aber schneller. Mir war deshalb klar, dass sogar der Medium am Ende massiv abbauen und die einzige richtige Wahl für das Rennen sein würde."

Francesco Bagnaia auf seiner Ducati Desmosedici GP23 beim Australien Grand Prix der MotoGP auf Phillip Island.
Bagnaia investierte viel Zeit in die Rennvorbereitung, Foto: LAT Images

Diese Vermutung bestätigte sich. Als sich Johann Zarco im letzten Umlauf in Turn 4 hart an seinem Teamkollege Martin vorbeidrückte, überholte auch Bagnaia mit einem riskanten Manöver direkt seinen WM-Rivalen. Ihm hätten sich zweifelsohne noch weitere Überholmöglichkeiten gegen den in dieser Phase völlig chancenlosen Martin geboten, doch Bagnaia wollte die Attacke ehestmöglich setzen.

"Ich wollte ihn so früh wie möglich überholen, denn ich wusste, dass hinter mir drei weitere Fahrer sind und ich wollte ihnen die Chance geben, auch an Jorge vorbeizugehen", erklärt Bagnaia. Die Überlegung dahinter ist klar: Mit dieser Strategie wollte der Italiener maximalen Profit aus der verpatzten Reifenwahl seines Widersachers im Titelkampf schlagen. Und tatsächlich sorgte sein riskantes Manöver dafür, dass auch Fabio Di Giannantonio und Brad Binder noch vor Martin ins Ziel kamen. Bagnaia fügte Martin im WM-Fight den größtmöglichen Schaden zu. Eine taktische Meisterleistung des amtierenden Champions.