Die Art und Weise, wie sich MotoGP-Fahrer auf ihrem Arbeitsgerät bewegen, hat sich über die Jahrzehnte drastisch verändert. Die Zeiten des Aufrechtsitzens sind längst vorbei, in der modernen Königsklasse regiert der 'Ellbow-down Style', den speziell Marc Marquez einst berühmt machte. Die Fahrer hängen in den Kurven außerhalb des Motorrads und berühren den Asphalt mit Ellbogen und Schulter beinahe. Damit werden Schräglagen von weit über 60 Grad erreicht.

Dass dies unfassbar spektakulär aussieht, zeigte Jorge Martin an diesem Wochenende auf beeindruckende Art und Weise. Schon am Freitag im 1. Freien Training zeigten die TV-Bilder den Pramac-Piloten immer wieder, wie er in Turn 5 des Circuit de Barcelona-Catalunya mit Ellbogen und Schulter die Curbs berührte. Doch ist dieser Fahrstil tatsächlich auch schneller? Ja - zumindest im Regelfall. Denn damit lassen sich die höchsten Kurvengeschwindigkeiten aller Zeiten erzielen. Ausgerechnet die Rennstrecke in Barcelona könnte jedoch eine Ausnahme darstellen.

Jorge Martin in Barcelona
Jorge Martin setzte in Barcelona neue Limits, Foto: LAT Images

Am Samstag wollte nämlich Pol Espargaro nicht nur die Charakteristik der Aprilia RS-GP für die dominante Vorstellung seines Bruders - Aleix gewann den Sprint trotz Wheelie mit 1,989 Sekunden Vorsprung - verantwortlich machen, sondern auch dessen 'Oldschool-Ridingstyle'. Der Aprilia-Pilot gehört nämlich zu den letzten Piloten im Feld, die sich in Kurven kaum vom Bike herab lehnen. "Als ich in die MotoGP gekommen bin, haben alle gesagt, dass ich außerhalb des Bikes fahren soll, damit ich dem Reifen durch die Bewegung meines Körpers nicht zu viel Input gebe", erinnert sich Pol Espargaro. "Ich habe meinen Stil dann angepasst. Meinen Bruder wollten sie auch dazu bekommen."

Vinales lobt Aleix Espargaro: Kann viel lernen und abschauen

Der Mann mit der Startnummer 41 blieb jedoch standhaft und passte sich nicht an. Davon profitiere er nun, glaubt Bruder Pol: "Die Reifen verändern sich ständig. Du musst deine Kraft auf unterschiedliche Art und Weise in sie übertragen. Du kannst jetzt nicht mehr so weit vom Bike entfernt sein, du musst den Hinterreifen belasten. Aleix passt zu diesem Stil."

Aprilia-Teamkollege Maverick Vinales bestätigte diese Vermutung am Samstag in der offiziellen MotoGP-Pressekonferenz: "Mein Fahrstil ist komplett unterschiedlich zu ihm. Aleix bleibt auf dem Bike und lehnt es in die Kurve, ich fahre mehr mit meinem Körper und richte das Bike auf. Das funktioniert gut, wenn es viel Grip gibt. Gibt es keinen Grip, ist es jedoch schwer, Traktion zu erzielen." Die Rennstrecke in Barcelona verfügt bekanntlich über sehr schlechten Grip, weshalb Aleix Espargaro mit seinem Fahrstil also besser beschleunigen und Zeit gutmachen kann. "Er war heute der Schnellste, ich kann da noch viel von ihm lernen und meinen Style anpassen, wenn kein Grip vorhanden ist", weiß Vinales.

Aleix Espargaro bewegt die Aprilia auf die alte Art und Weise, Foto: LAT Images
Aleix Espargaro bewegt die Aprilia auf die alte Art und Weise, Foto: LAT Images

Aleix Espargaro weiß: Aprilia RS-GP muss so gefahren werden

Danach gefragt, ob sein Fahrstil in Barcelona den Unterschied mache, fand Aleix Espargaro am Samstagabend bemerkenswerte Worte: "Ich mag meinen Fahrstil eigentlich nicht. Ich würde mich gerne mehr auf den Asphalt lehnen. In den Tests habe ich es manchmal ausprobiert, aber ich sehe keinen Vorteil darin. Das, was Martin macht, ist wunderschön, aber mir bringt es keinen Vorteil."

Das liege wiederum daran, dass die RS-GP mit einem solchen Fahrstil nicht funktioniert. "Die Aprilia muss sich selbst um die Kurve lenken. Du kannst dabei helfen, darfst sie aber keinesfalls [mit deinem Körper, Anm.] dazu zwingen. Der Grip führt die Aprilia", beschreibt Aleix Espargaro. Das habe der 34-jährige Routinier schon erkannt, als er 2017 zum Hersteller aus Noale kam. Trotzdem will auch der zweifache Grand-Prix-Sieger nicht verneinen, dass ihm sein Oldschool-Fahrstil in Barcelona hilft: "Er ist vielleicht nicht schön, aber er funktioniert mit diesen Reifen und Gripverhältnissen."