Seit der Übernahme des MotoGP-Reifenmonopols zur Saison 2016 gibt Michelin aus Sicherheitsgründen Mindestdrücke für seine Pneus vor. Strafen für eine Missachtung der Untergrenze gab es aber nie, da die Teams Reifendrucksensoren unterschiedlicher Hersteller verwendeten und so keine einheitliche Messung möglich war. Das wurde für 2023 geändert. Das gesamte Feld muss Sensoren des französischen Unternehmens LDL Technology einsetzen.

Mit dieser Vereinheitlichung der Messsysteme glaubten die MotoGP-Verantwortlichen, auch endlich Strafen für eine Unterschreitung der vorgegebenen Reifendrücke aussprechen zu können. Die ersten drei Rennwochenenden 2023 wurden als Übergangsphase festgelegt, ab dem Spanien-Grand-Prix wollte man hart durchgreifen. Doch daraus wurde nichts. Die Bestrafungen sind weiterhin ausgesetzt, frühestens beim Großen Preis von Italien von 9. bis 11. Juni sollen nun Rundenzeiten gestrichen oder Fahrer sogar disqualifiziert werden.

Frühestens in Mugello sollen Reifenstrafen ausgesprochen werden, Foto: LAT Images
Frühestens in Mugello sollen Reifenstrafen ausgesprochen werden, Foto: LAT Images

Das drang im Vorfeld des Rennwochenendes in Jerez nach außen, eine offizielle Bestätigung der MotoGP gab es erst am Donnerstagabend in Form eines kurzen Artikels auf der Website der Serie, nachdem die verschobene Einführung dieser Regelung den gesamten Tag über ein großes Thema war, etwa auch in den Medienrunden der Fahrer. Über die Gründe für die Verschiebung hielt man sich bedeckt. "Die Testphase begann im Winter und wird bis zur endgültigen Umsetzung fortgesetzt", war zu lesen.

Für Außenstehende drängte sich der Eindruck auf, die MotoGP-Regelhüter seien unter dem Druck von Teams, Fahrern und Herstellern eingeknickt. Diese äußerten von Beginn an Kritik an der Regelung. Die temperaturempfindlichen Michelin-Reifen würden eine Einhaltung der Druckvorgaben fast unmöglich machen. Für gute Performance müsste man ihrer Meinung nach eine Missachtung der Untergrenze riskieren. Wähle man den Druck zu hoch, laufe man hingegen Gefahr, das Motorrad praktisch unfahrbar zu machen.

MotoGP droht Strafenflut: Die neuen Reifenregeln 2023 (06:56 Min.)

Wie Motorsport-Magazin.com erfahren hat, sind es aber nicht diese Bedenken, welche die Regelung vorerst zu Fall brachten. Stattdessen machen die verwendeten Einheitssensoren Probleme. "Die Technologie lässt uns im Stich. Wir wünschen uns alle eine perfekte Messmethode, aber die gibt es momentan einfach nicht. Die Sensoren sind nicht genau genug, um für Vergehen Strafen aussprechen zu können", erklärte ein MotoGP-Teammitglied in Jerez im Vieraugengespräch. "Solange wir nicht ordentlich messen können, werden natürlich tendenziell alle leicht unter dem vorgegebenen Druck unterwegs sein. Wir wünschen uns aber schon, dass die Sensoren irgendwann so genau werden, dass es dann auch Strafen für Unterschreitungen gibt. Ich bin mir aber nicht sicher, ab wann wirklich Strafen ausgesprochen werden."

MotoGP: Fällt die Reifendruckregel komplett?

Tatsächlich macht sich im MotoGP-Paddock die Vermutung breit, dass die angepeilte Regelung aufgrund der mangelnden Messgenauigkeit der Sensoren weiter verschoben werden könnte. Für die Königsklasse wäre das eine Blamage, wollte man mit dem Wechsel zu Einheitslieferant LDL Technology doch genau das verhindern. Im Vorjahr wurde dafür eigens ein Auswahlverfahren gestartet, in dem unterschiedliche Firmen ihre Systeme und deren Vorzüge vorstellen konnten. LDL Technology ging als Sieger aus dieser Ausschreibung hervor.