Viel Lärm wurde vor dem Saisonstart der MotoGP 2023 gemacht. Es ist der Start in eine neue Ära, in der zu den Hauptrennen am Sonntag samstägliche Sprints hinzukommen. Außerdem will sich die vermeintliche Königsklasse auf zwei Rädern moderner und offener präsentieren. Fahrerparaden, Showruns und Möglichkeiten für die Fans, mit ihren Helden zu interagieren, sollen dafür sorgen.
Als Teil des arbeitenden Volkes in Portimao fühlt man sich aber eher in die Steinzeit zurückversetzt als in einer neuen Ära angekommen. Beispiele gefällig: Das Chaos begann für viele Mitglieder des Paddocks bereits bei der Ankunft an der Strecke. Unzählige der rund 3000 Pässe, die an so einem Rennwochenende ausgegeben wurden, funktionierten nicht. Ihre Besitzer mussten daraufhin zur manuellen Aktivierung in einen aufgestellten Container. Dieser Prozess dauert allerdings eine Weile und so bildeten sich sowohl am Donnerstag als auch am Freitag gewaltige Schlangen.
Mancher Kollege wartete über eine Stunde in der prallen Sonne. Der gewaltige Ansturm hinderte die drei zuständigen Dorna-Mitarbeiter aber freilich nicht daran, ihre vorgesehenen Dienstzeiten minutiös einzuhalten. Um 12 Uhr ziehen sie sich geschlossen zum einstündigen Mittagessen zurück, ehe man sich noch mal für drei Stunden der Arbeit widmet. Wer seinen Pass nach 16 Uhr aktivieren will, hat Pech gehabt und darf am nächsten Tag erneut antreten.
Wer diese Odyssee auf sich nehmen muss, darf sich im Vergleich zu manch anderem aber noch glücklich schätzen. Ein vom offiziellen Zeitnehmer Tissot nach Portimao eingeladener Kollege marschierte am Donnerstag mit schriftlicher Bestätigung der Dorna zum Akkreditierungszentrum - nur um dort festzustellen, dass der vorgesehene Pass nirgends zu finden ist. Das Problem wurde bisher nicht gelöst, der Kollege sitzt im Hotel vor dem Computer und verfolgt das Rennwochenende von da aus. Tissot ist wohlgemerkt einer der fünf größten Partner der MotoGP.
Einen großen Vorteil hat das Schicksal des ausgesperrten Herrn allerdings. Er kann einen funktionierenden Livestream verfolgen. Das ist im Media-Center des erst vor 15 Jahren erbauten Autodromo Internacional do Algarve leider nicht möglich. Das WLAN ist dafür deutlich zu langsam, mit dieser Verbindung ist selbst normales Arbeiten schwierig. Mobiles Internet stellt ebenfalls keine Verbesserung dar. Ein Zugang über Kabel funktioniert im Normalfall am besten. Der funktioniert aber nur in drei der zehn Sitzreihen im Media-Center. Auf meine Nachfrage, ob dieses Problem im Laufe des Rennwochenendes noch behoben wird, entgegnet mir die Verantwortliche äußerst freundlich aber wenig hilfreich, dass man über den Ausfall bereits seit längerer Zeit Bescheid wisse, eine Reparatur aber in absehbarer Zeit nicht geplant sei.
Problematisch, allerdings noch ertragbar, wenn man die Action wenigstens auf den im Media-Center installierten Monitoren verfolgen könnte. Auch das war am Trainingsfreitag aber lange nicht möglich, weil anstatt des offiziellen Livestreams dort portugiesisches Frühstücksfernsehen lief. Nach einer Beschwerde machten sich die Angestellten im Pressezentrum an die Arbeit. Es stellte sich aber heraus, dass der benötigte Sender in den TV-Geräten nicht verfügbar war. Und so musste auf 20 Monitoren gesondert ein Sendersuchlauf gestartet werden, der jeweils mehrere Minuten dauerte. Die ersten rund anderthalb Stunden des Trainingstages konnte die MotoGP-Presse somit nur erahnen.
Das ist also der Stand der MotoGP-Weltmeisterschaft im Jahr 2023. Portimao als Saisonauftakt hätte ein voller Erfolg sein können. Die Achterbahn an der Algarve ist eine großartige Strecke, das Wetter herrlich, die Unterkünfte schön, Essen und Trinken geschmacklich hervorragend und äußert günstig. Mit dieser "Organisation" macht man aber viel zunichte.
Übrigens: Wenige Stunden nach Erscheinen dieses Kommentars musste das 2. Training der MotoGP aufgrund eines Stromausfalls unterbrochen werden...
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