Im deutschen Motorrad-Nachwuchssport liegt vieles im Argen. Bereits seit Jahren erreichen die Redaktion von Motorsport-Magazin.com Berichte über halbherzige Arbeit von Verbänden, fehlende Unterstützung für Talente und finanzielle Nöte. So auch vor wenigen Wochen, als sich ein verzweifelter Rennfahrer-Vater an uns wandte.

"Die ganze Nachwuchsarbeit liegt in den Händen von Leuten, die das dilettantisch anpacken. Dabei spreche ich nicht von jenen Leuten, die sich an der Strecke um die Jungs kümmern, sondern von den hohen Herren, die sich davor scheuen, mal 5.000 Euro für ein Wochenende in die Hand zu nehmen, damit unsere Jungs richtig trainieren können", so der Rennfahrer-Vater, dessen Name der Redaktion bekannt ist, der aber aus Sorge um mögliche Konsequenzen seiner Aussagen für die weitere Laufbahn seines Sohnes lieber inkognito bleiben möchte.

Nur noch ein Deutscher in der WM

"Jeder will Nachwuchs haben, aber keiner ist bereit, etwas aufzuziehen, ohne dass die Eltern dabei pleite gehen. Es ist einfach kein Geld da, um so einem jungen Kerl das Training zu ermöglichen." Wie eklatant das Nachwuchsproblem im kompletten deutschsprachigen Raum ist, zeigt ein Blick auf die Starterlisten der Motorrad-WM: Marcel Schrötter ist der einzig verbliebene deutsche Fahrer in der Weltmeisterschaft, die Schweiz und Österreich stellen keinen einzigen Piloten. Von den 82 Startern der drei Klassen hat also nur ein einziger sein Handwerk in unseren heimischen Gefilden erlernt.

Schon in jungen Jahren sind die Ausgaben horrend: "Im Pocket Bike kannst du mit 4.000 Euro pro Jahr kalkulieren, im Mini Bike musst du so um die 8.000 Euro für eine Saison aufwenden. Der Northern Talent Cup schlägt mit rund 45.000 Euro zu Buche, wenn du alles von Ausrüstung bis hin zu einzelnen Trainings mit hineinrechnest", so der besorgte Rennfahrer-Vater. "Und dann geht es weiter: 70.000 Euro für den European Talent Cup und 150.000 für die Junioren-Weltmeisterschaft."

Für Normalverdiener sind diese Summen nicht mehr aufzubringen. Die Suche nach Sponsoren gestaltet sich aber schwierig. Das Beispiel Kiefer Racing zeigte zuletzt, dass selbst erfolgreiche Teams in der Weltmeisterschaft (zwei Titel im vergangenen Jahrzehnt) in Deutschland kaum Geldgeber hinter dem Ofen hervorlocken können. Das Traditionsteam musste daher mit Ende 2019 in der WM seine Koffer packen.

Kaum willige Sponsoren

Auch die verbliebenen deutschen Rennställe haben Schwierigkeiten, ausreichende Mittel in der Heimat zu lukrieren: Der langjährige Titelsponsor des schwäbischen Intact-GP-Teams und nach wie vor große Geldgeber ist ein Batteriehersteller aus China, Prüstel GP erhält mittlerweile tatkräftige Hilfe des KTM-Konzerns, der über das Team seine chinesische Tochter CF Moto promotet. Im Nachwuchsbereich scheitern viele bereits am Sponsoring der essenziellen Dinge. "Ich habe einen bekannten Kombihersteller aus Deutschland angeschrieben und nicht mal eine Absage bekommen. Bei einem Helmhersteller genau das gleiche", so unser Informant.

Und was wünscht sich der Rennfahrer-Vater, der aus finanziellen Gründen um die Fortführung der Karriere seines Sohnes bangt? "Ich würde mir wünschen, dass von den Verbänden mehr Geld im Nachwuchsrennsport ausgegeben wird. Die Einrichtung eines Standorts in Spanien wäre ebenfalls gut. Dort hätten unsere Jungs im Winter eine fixe Anlaufstelle und könnten strukturiert trainieren." Denn während Talente aus den Mittelmeerländern das ganze Jahr über quasi vor der eigenen Haustüre trainieren können, müssen Mitteleuropäer dafür Reisen auf sich nehmen. All das will auch noch mit der Schulpflicht unter einen Hut gebracht werden. Kein einfaches Unterfangen, weshalb es jedes Jahr junge Aussteiger aus dem Motorradsport gibt.

Bradl als Lichtblick

Im Vorjahr erkannte Stefan Bradl, selbst großer Kritiker der Nachwuchsarbeit der Verbände, den Ernst der Lage und stampfte gemeinsam mit Adi Stadler und Honda Deutschland sein eigenes Programm für Talente aus dem Boden. Das Projekt kam in der Szene gut an, soll 2022 fortgeführt und eventuell sogar ausgebaut werden. Bis Bradls Bemühungen Früchte tragen, gehen aber wohl noch ein paar Jahre ins Land.

2022 sieht es somit noch düster aus. Im Red Bull Rookies Cup tummeln sich in der neuen Saison ein Deutscher (Freddie Heinrich/17) und ein Österreicher (Jakob Rosenthaler/16). In der Moto3-Junioren-WM stellen Deutschland (Philipp Tonn/16), Österreich (Rosenthaler) und die Schweiz (Noah Dettwiler/17) jeweils einen Fahrer. Im European Talent Cup versuchen in Spanien der Deutsche Jona Eisenkolb (14) und der Österreicher Niklas Kitzbichler (15) ihr Glück. Im Northern Talent Cup sind hingegen fünf Deutsche (Luca Göttlicher, Rocco Sessler, Valentino Herrlich, Julius Coenen und Dustin Schneider), drei Schweizer (Lenoxx und Levin Phommara und Maxime Schmid) sowie ein Österreicher (Kilian Holzer) im Einsatz.