"Wir hatten heute ein gutes Gefühl auf dem Motorrad." Kuriose Sätze wie diese, welche nahelegen, dass der Fahrer die Sitzbank seines MotoGP-Bikes mit dem gesamte Team teilt, sind im PR-Sprech der Königsklasse Standard. Es gilt, den Zusammenhalt innerhalb der Truppe bei jeder Möglichkeit zu betonen, auch wenn die getroffenen Aussagen dabei nicht selten ins Absurde abgleiten.

Dass die MotoGP aber tatsächlich ein Teamsport und kein Einzelsport ist, darf man nie vergessen. Ohne Ingenieure, Mechaniker und Manager kann auch der beste Pilot in dieser Liga nichts ausrichten. Und wenn es hart auf hart kommt, muss er auch auf die Unterstützung seiner Fahrerkollegen bauen können.

Stallorder ist im Motorradsport bei weitem nicht so verbreitet wie etwa in der Formel 1. Zu eng sind zum einen oft die Abstände im Rennen, zu kompliziert zum anderen die Kommunikation. Denn während im Auto vollständige Dialoge über Funk geführt werden können, dürfen MotoGP-Teams ihren Fahrern nur kurze Botschaften auf das Dashboard am Lenker oder über die Boxentafel schicken.

Dennoch sind gewisse Regeln klar: Spätestens wenn ein Fahrer aus dem Titelrennen ist und einer seiner Markenkollegen noch realistische Chancen auf die WM-Krone hat, bekommt dieser im Rennen den Vortritt. Nicht unbedingt schön, aber aus Sicht des Unternehmens absolut verständlich. Dazu musste es in der MotoGP 2021 glücklicherweise noch nicht kommen. Doch am vergangenen Wochenende in Misano gab es einen ersten Vorgeschmack darauf, wie Teamplay in den letzten Saisonrennen und dem Duell zwischen Fabio Quartararo und Francesco Bagnaia funktionieren könnte.

MotoGP - Verwirrung um Bagnaia-Start: Warum keine Strafe?: (11:51 Min.)

Denn in den ersten Runden des Misano-Grand-Prix musste sich Quartararo gegen Bagnaias Ducati-Kollegen Jack Miller und Jorge Martin zur Wehr setzen. Diese kosteten den Franzosen wertvolle Zeit, die am Ende vielleicht sogar über Sieg oder Niederlage entschieden hat. "Ich musste gegen sie kämpfen, als wäre es die letzte Runde gewesen", sagte Quartararo später. "In der Startphase habe ich überall nur Rot gesehen. Es wäre schön, wenn ich von den anderen Yamaha-Fahrern auch so viel Unterstützung hätte."

Dazu wird es in den letzten vier Saisonrennen 2021 aber wohl nicht mehr kommen. Franco Morbidelli kämpft noch mit seinem operierten Knie und der Umstellung auf das aktuelle Motorrad, Andrea Dovizioso sitzt erstmals seit 2012 überhaupt auf einer Yamaha und Valentino Rossi fehlt es einfach am nötigen Speed. Kein Fahrer mit Starts in allen Rennen dieses Jahres hat weniger Punkte gesammelt als er.

Volle Ducati-Unterstützung für Bagnaia

Echten Support gab es bei Yamaha für Quartararo nur durch Maverick Vinales. Er landete in beiden Katar-Rennen sowie in Barcelona und Assen vor Bagnaia und schnappte dem Ducatisto so Punkte weg. Seit dem Eklat von Spielberg fährt Vinales aber nicht mehr für Yamaha. Morbidelli, Rossi, Dovizioso, Cal Crutchlow, Jake Dixon oder Garrett Gerloff kosteten Bagnaia nicht einen einzigen Zähler.

Rossi und Dovizioso fahren hinterher, Foto: LAT Images
Rossi und Dovizioso fahren hinterher, Foto: LAT Images

Ganz anders sieht es im Ducati-Lager aus. Jeder einzelne der sechs Ducati-Stammfahrer landete 2021 bereits in einem Rennen vor Quartararo. Jack Miller und Johann Zarco gelang das je fünf Mal, Jorge Martin in beiden Österreich-Rennen, Luca Marini ebenfalls in Spielberg und Enea Bastianini in Aragon. Mit Ausnahme von Marini sind derartige Resultate allen Ducatisti weiterhin zuzutrauen. So könnten sie das Zünglein an der Waage spielen.

Noch beträgt der Abstand zwischen Bagnaia und Quartararo 48 Punkte. Nicht wenig, bei nur noch vier zu fahrenden Rennen. Doch passieren kann in der MotoGP immer alles. Und oft tut es das. Manchmal wird dabei auch nachgeholfen.