Mit Cal Crutchlow hat die MotoGP-Presse ihren wohl offenherzigstes Stichwortgeber verloren. Der Brite wird künftig nur noch als Yamaha-Testfahrer arbeiten und sagte in Portimao damit dem ganz großen Rampenlicht Adieu.

An sein neues Leben muss sich der 35-jährige Brite nicht lange gewöhnen: "Was ich nicht vermisse, ist das viele Reisen und die politischen Dinge im Rennsport. Ich habe das alles lange Zeit gut hinbekommen, aber man kann einige Dinge nicht beeinflussen, die zwischen den Herstellern abgehen."

In seinen zehn Jahren in der MotoGP war Crutchlow nur eine einzige Saison als Werksfahrer bei einem Factory-Team engagiert: 2014 bei Ducati. Die ursprünglich auf zwei Jahre ausgelegte Zusammenarbeit wurde in beiderseitigem Einverständnis bereits nach einer Saison aufgelöst. Einig darüber war man sich bereits in der Sommerpause.

Auch wenn damals von beiden Seiten vor allem die sportliche Perspektive den Ausschlag gab, so war Crutchlow nie für eine diplomatische Zunge bekannt, die heute Hersteller oft von ihren Fahrern fordern. "Ich bin eben anders als diese Roboter, die alle nur auf das Image des Unternehmens bedacht sind und daher vorgefertigte Antworten geben, welche die Hersteller von ihnen hören wollen", nimmt sich Crutchlow kein Blatt vor den Mund.

Das Herz auf der Zunge

"Ich habe immer alles offen gesagt, was ich dachte. Ich habe nie gelogen und immer die Wahrheit gesagt, oder zumindest das, was ich dafür hielt. Daher hatte ich auch immer ein gutes Verhältnis zu den Medien, auch wenn mir das manchmal einige Scheiße eingebracht hat. Aber am Ende haben sie mich immer respektiert."

Davon kann auch Motorsport-Magazin.com ein Lied singen. Denn einst missachtete Crutchlow trotz eines Hinweises britischer Kollegen die vertragliche Zusage an Michelin, nach den Reifentests im Vorfeld des MotoGP-Einstiegs kein Urteil über die Qualität der Pneus abzugeben. So meinte Crutchlow damals nur: "Ich bin kein Werksfahrer und kann sagen, was ich auch immer will, verdammt."

Als wir - wie auch andere Medien, die damals zugegen waren - Crutchlows nicht gerade positive Aussagen über die Michelin-Reifen in einem Text veröffentlichten, bekamen wir wenige Tage später einen Anruf der LCR-Pressesprechern mit der Bitte, den Text doch wieder offline zu nehmen, weil Crutchlow durch seine Aussagen die Abmachung mit Michelin gebrochen hätte und das dem Team jede Menge Ärger eingebracht hätte.

Künftig sieht Crutchlow einen seiner Freunde im Paddock als geistigen Nachfolger vor: "Ich gebe dieses Zepter an Jack (Miller) weiter." Denn auch der Australier ist bekannt dafür, sich im Regelfall kein Blatt vor den Mund zu nehmen und offenherzig mit Medien zu kommunizieren. Die Latte hat Crutchlow in den vergangenen zehn Jahren allerdings hoch gelegt.