Danilo, nach deinem Podium in Mugello hat ein Fan seinen Sohn nach dir benannt. Was ist das für ein Gefühl, durch deine sportlichen Leistungen in so eine Position gekommen zu sein?
Danilo Petrucci: Es ist unglaublich. Mir fällt es nach wie vor schwer, zu beschreiben, wie viel mir das bedeutet. Es macht mich auf jeden Fall unglaublich stolz. Dieser Junge wird sein ganzes Leben lang die Geschichte erzählen, wie er zu seinem Namen gekommen ist - die Geschichte meines Rennens! Als ich ein Kind war, hatte ich einige Schulkollegen, die etwa Diego oder Ayrton hießen, wegen Maradona und Senna. Und jetzt heißt ein Kind Danilo, weil ich ein guter Motorradfahrer geworden bin. Das ist wirklich etwas ganz Besonderes. Wie auch dieser Podestplatz in Mugello generell.

Man konnte dir ansehen, wie viel dir dieser dritte Platz bedeutet hat.
Ja, es ist ganz ähnlich wie die Sache mit dem Jungen, der nach mir benannt wurde. Als Kind habe ich immer davon geträumt, einmal auf diesem Podium zu stehen. Als ich dann dort oben war und auf die Menschenmassen hinuntergeblickt habe, ist das wahr geworden, was ich mir 25 Jahre lang erträumt habe. Ich habe dafür so viel durchgemacht: Enttäuschungen, Schmerzen. Aber all diese negativen Erlebnisse verschwinden in so einem Moment, in dem du dir einen Lebenstraum erfüllt hast, völlig. Du genießt einfach nur das Erreichte.

Du hast erwähnt, dass du auf deinem bisherigen Weg schon viele Rückschläge hinnehmen musstest. Dein Weg in die MotoGP war ein sehr ungewöhnlicher. Du hast im Motocross begonnen und bist dann in diversen Markenpokalen sowie der italienischen und europäischen Superstock-Meisterschaft gefahren. Könntest du in deiner Karriere vielleicht schon weiter sein, wenn du die Möglichkeit gehabt hättest, den üblichen Weg über Moto3 und Moto2 zu gehen?
Es war definitiv nicht einfach, ohne jegliche Erfahrung in der Moto3 oder Moto2 in die MotoGP zu kommen. Fast alle anderen Fahrer gehen diesen Weg und lernen in den kleineren Klassen, wie man ein Grand-Prix-Bike fährt. Das ist doch etwas ganz anderes als eine Rennmaschine, die auf einem Serienmotorrad basiert. Das war sicherlich ein Nachteil für mich.

Gibt es denn auch Vorteile, wenn man deinen Weg geht?
Ich denke schon. Seit ich 13 Jahre alt bin, habe ich Erfahrung auf Motorrädern mit 1000ccm gesammelt. Das hilft mir jetzt, die MotoGP-Maschinen auf eine natürlichere Art zu fahren. Alles in allem ist es aber sicher besser, wenn man als Pilot die kleineren Weltmeisterschaftsklassen durchläuft und die Strecken, die Reifen und auch die anderen Fahrer schon früher kennenlernt.

Danilo Petruccis Weg in die MotoGP war kein gewöhnlicher, Foto: Tobias Linke
Danilo Petruccis Weg in die MotoGP war kein gewöhnlicher, Foto: Tobias Linke

Hast du, als du noch nicht in der Weltmeisterschaft warst oder in der MotoGP schlechtere Motorräder fahren musstest, Fahrer wie Marc Marquez beneidet? Ihm wurde sein Karriereweg ja sehr gut geebnet, er war immer auf den stärksten Motorrädern und in den besten Teams unterwegs.
Nicht wirklich. Ich denke, das ist ganz normal. Marc ist einer der besten Fahrer in der Geschichte der Motorrad-Weltmeisterschaft. Er ist erst 24 Jahre alt und hat schon sechs Titel gewonnen. Natürlich hatte er seit einem sehr jungen Alter immer die besten Motorräder zur Verfügung, aber ich bin der Meinung, dass die stärksten Bikes immer an die stärksten Fahrer gehen. Außerdem bringt es dir auch nichts, wenn du ein gutes Motorrad hast, aber kein guter Fahrer bist. Dann wirst du in der Moto3, der Moto2 und besonders in der MotoGP nie ein Rennen gewinnen und schon gar keine Weltmeisterschaft. Dafür gibt es viel zu viele herausragende Piloten. Um etwas zu erreichen, muss deine Arbeit absolut perfekt sein. Nur mit Glück gewinnst du hier gar nichts.

Kannst du dich über deinen Erfolg dennoch mehr freuen, weil du ihn dir selbst so hart erarbeiten musstest?
Ja, auf jeden Fall. Vor allem seit der vergangenen Saison habe ich extrem geschuftet, viel mehr als je zuvor. Jedes Jahr gebe ich noch mehr. Ich trainiere körperlich mehr, halte noch strengere Diät, versuche mental noch stärker zu werden. Nur so kann ich an die Spitze kommen, denn da gibt es eine Lücke zwischen mir und anderen Piloten und die will ich schnellstmöglich schließen. Ich bin wie ein Motorradhersteller, der sein Bike jedes Jahr weiterentwickeln muss. So etwas geht nur, wenn man sich ständig steigert.

In dieser Saison musstest du erstmals nicht nur dich selbst weiterentwickeln, sondern auch ein Motorrad. Du fährst nicht - wie in der Vergangenheit - ein Vorjahresmodell, sondern eine GP17 wie Andrea Dovizioso und Jorge Lorenzo im Werksteam. Hast du dich dadurch auch als Fahrer weiterentwickelt?
Mit Sicherheit! In den letzten Jahren konnte ich oft sagen, dass Dovi oder Iannone schneller waren als ich, weil ihr Motorrad besser war. Vielleicht hat das aber manchmal gar nicht gestimmt. 2017 hatte ich fast genau das gleiche Bike wie Dovi und Jorge und kann mir auch ihre Daten ansehen. So kann und muss ich auch zeigen, wie schnell ich bin. Das hilft mir.

Lastet dadurch auch zusätzlicher Druck auf dir?
Ja. Es ist keine leichte Situation. Ganz im Gegenteil, es ist eine sehr große Herausforderung. Ich mag es aber, wenn ich herausgefordert werde.

Danilo Petrucci war als Teamkollege für Aleix Espargaro im Gespräch, Foto: Tobias Linke
Danilo Petrucci war als Teamkollege für Aleix Espargaro im Gespräch, Foto: Tobias Linke

Eine noch größere Herausforderung, weil mit noch mehr Druck verbunden, wäre ein Platz als Werkfahrer in der MotoGP. Du warst bei Aprilia im Gespräch, hast dich aber für einen Verbleib bei Pramac Racing entschieden. Warum?
Ich betrachte dieses Team mittlerweile als mein sportliches Zuhause. Es macht mich stolz, der am längsten dienende Fahrer in einem derart wichtigen Rennstall dieser Weltmeisterschaft zu sein. Außerdem habe ich Teambesitzer Paolo Campinoti und Teamchef Francesco Guidotti viel zu verdanken. Sie haben stets an mich geglaubt.

Aber fühlst du dich aufgrund deiner Erfahrung und deiner zuletzt gezeigten Leistungen nicht schon bereit, den Schritt in ein Werksteam zu machen?
Das hängt von den Umständen ab. Ich bin ja auch im Moment schon so eine Art Werksfahrer. Ich habe ein Factory-Bike, nur nicht das gesamte Werk hinter mir. Das ist für mich eine sehr angenehme Position, weil ich diese Unterstützung genieße, aber gleichzeitig nicht so viel Druck habe. Ich kann schnell sein, aber wenn ich einmal kein gutes Resultat erreiche, ist es auch keine riesige Tragödie. In dieser Position würde ich also gerne noch etwas bleiben.

Wie lange noch?
Ich beginne gerade erst, konstant schnell zu sein. Ich bin noch relativ neu in den Top-Fünf. Daher muss ich an der Spitze der Rennen deutlich mehr Erfahrung sammeln, bevor ich ein Werkspilot werden kann.

Ist es für dich also wichtiger, regelmäßig unter die Top-Fünf zu fahren, als ein Rennen in der MotoGP zu gewinnen? Podiumsplatzierungen hast du nun ja bereits im Regen und auf trockener Strecke gesammelt.
Konstante Resultate unter den ersten Fünf sind mir momentan wichtiger, ja. Ein derart herausragendes Ergebnis wie einen Sieg zu jagen, ist für mich nicht gut. Ich fahre nämlich immer dann starke Rennen, wenn ich mit meiner Position zufrieden bin. In Mugello habe ich mir, als ich auf Rang vier unterwegs war, gedacht: 'Okay, das ist schon richtig gut.' Das hat mir das Gefühl gegeben, dass ich sogar eine Chance habe, das Rennen zu gewinnen. In Barcelona war ich dann auch Vierter, aber die Situation war eine ganz andere. Ich hatte eine viel bessere Startposition, also habe ich mir gesagt: 'Platz vier ist nicht gut genug. Ich will wieder auf das Podium.' Und dann bin ich gestürzt.

Rossi ringt Petrucci im Regen nieder: Die Highlights aus Assen 2017: (04:00 Min.)

Du wolltest also noch zu viel?
Ja. Es ist einfach nicht möglich, ständig auf das Podest zu fahren. Das schaffen auch Marc, Valentino oder Maverick nicht und sie kämpfen um die Weltmeisterschaft.

In Assen haben dir nur 63 Tausendstelsekunden auf den Sieg gefehlt. Wann stehst du einmal ganz oben auf dem Podium?
Wenn ich regelmäßig irgendwo im Bereich der Podestplatzierungen unterwegs bin, wird es irgendwann passieren, dass ich ein Rennen gewinnen kann. Vielleicht ist es im nächsten Rennen, vielleicht erst später in der Saison, vielleicht erst nächstes Jahr. Aber es wird passieren!

Die Variante Petrucci

Danilo Petrucci wurde in seiner Karriere nichts geschenkt. Er genoss nie die finanzielle Unterstützung potenter Sponsoren oder wurde von den großen Herstellern der Motorradwelt hofiert. Seiner Begeisterung für den Sport tat das aber keinen Abbruch. 'Petrux' wurde schon früh mit dem Motorradvirus infiziert. Sein Vater arbeitete in Danilos ersten Lebensjahren für Loris Capirossi in der Weltmeisterschaft, in ihre gemeinsame Ära fallen die 125ccm-Weltmeistertitel 1990 und 1991 auf Honda.

Doch trotz seiner Kontakte im MotoGP-Paddock konnte Danilos Vater seinem Sohn den Weg in die Weltmeisterschaft nicht ebnen. Es fehlte Familie Petrucci schlicht und ergreifend an finanziellen Mitteln. So musste sich Danilo zunächst mit dem Trial- und Motocross-Sport zufrieden geben. 2006, im Alter von 16 Jahren, tat sich für Petrucci dann die große Möglichkeit auf. Er hatte die Chance, als Polizeisportler endlich vom Motorradfahren leben zu können. Einen Weg, den vor ihm auch schon sein großes Vorbild Loris Capirossi gegangen war.

Petrucci stieg also in den italienischen Honda CBR600 Cup ein und wurde dort sofort bester Rookie. In der Folgesaison ging es in den Yamaha R6 Cup, in der europäischen Superstock-Meisterschaft zeigte er bei einigen Rennen auch erste Auftritte im internationalen Rennsport. In der Folge wurde Petrucci bei den Superstocks zum Stammgast auf dem obersten Treppchen des Podiums, es dauerte aber vier komplette Saisons, ehe er aus der wenig beachteten Rahmenserie der Superbike-Weltmeisterschaft befördert wurde.

Danilo Petrucci debütierte 2012 in der MotoGP, Foto: Suter Racing
Danilo Petrucci debütierte 2012 in der MotoGP, Foto: Suter Racing

Das IodaRacing-Team um Giampiero Sacchi erkannte das große Talent Petruccis und holte ihn für 2012 direkt in die MotoGP. Im neu geschaffenen Rennstall - der in der ebenfalls erst für diese Saison eingeführten CRT-Klasse gemeldet war - war Petrucci der einzige Pilot. Das Jahr war dementsprechend stark von Experimenten geprägt. Begonnen wurde die Saison auf ART-Maschinen von Aprilia, später wechselte man auf Motoren von BMW und Chassis von Suter, die man in Eigenregie weiterzuentwickeln versuchte. Alles andere als eine leichte Ausgangsposition für einen Neueinsteiger, dennoch sammelte Petrucci beachtliche 27 WM-Punkte.

In den kommenden beiden Saisons blieb Petrucci bei IodaRacing, auf Ioda-Suter und ART ging aber wenig voran. Ein wirklicher Schritt nach vorne gelang 'Petrux' erst 2015, als er den ins Ducati-Werksteam abgewanderten Andrea Iannone bei Pramac Racing beerben konnte. Petrucci bedankte sich mit einer regelrechten Leistungsexplosion und steigerte sich von 17 Zählern und WM-Rang 20 im Jahr 2014 auf 113 Punkte und den zehnten Gesamtplatz in seiner ersten Pramac-Saison. Im Regen von Silverstone gelang ihm mit Platz zwei sein erstes MotoGP-Podium.

Den endgültigen Sprung zum Spitzenpiloten der Königsklasse schafft Petrucci in der laufenden Saison. Regelmäßig misst er sich mit den Werkspiloten von Honda, Yamaha oder Ducati und kann sie auch immer wieder hinter sich lassen. Bei seinem Heim-Grand-Prix in Mugello fährt er als Dritter hinter Andrea Dovizioso und Maverick Vinales erstmals in einem Trockenrennen der MotoGP auf das Podium, bei wechselhaften Verhältnissen in Assen wiederholt er dieses Kunststück und muss sich Valentino Rossi nur ganz knapp geschlagen geben. In den letzten drei Qualifyings vor der Sommerpause in Barcelona, Assen und am Sachsenring stellt er seine Pramac-Ducati jeweils in Startreihe eins.

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