Sieben Jahre vom ersten bis zum zweiten MotoGP-Sieg, sieben Monate vom zweiten zum dritten und nur sieben Tage bis zu Nummer vier. Andrea Doviziosos Karriere in der Königsklasse nimmt in ihrer zehnten Saison plötzlich rasant Fahrt auf. Wie aber ist diese plötzliche Leistungsexplosion des Piloten, der jahrelang im Schatten von Rossi, Marquez, Lorenzo und Co. stand, möglich?

Die Antwort lieferte Dovizioso nach seinem Sieg in Barcelona selbst. "Das ist relativ einfach. Manchmal trifft man Menschen, die einen das Leben aus einem anderen Blickwinkel sehen lassen", erklärte er, ohne genau sagen zu wollen, um wen es sich dabei handelt. Der Dominator der letzten beiden Rennen verriet aber, was die geheimnisvolle Person im Hintergrund für ihn verändert hat: "Kleinigkeiten können oft große Veränderungen nach sich ziehen. Etwa zur Saisonhälfte 2016 habe ich viele Dinge über das Leben verstanden, die mir auch einen neuen Zugang zu meinem Sport eröffnet haben. Von da an sind meine Resultate deutlich besser geworden. Ich fühle mich stärker." Ein nicht nur subjektiver Eindruck des 31-jährigen Italieners: Seit der Sommerpause 2016 haben nur zwei Piloten mehr Punkte geholt als Dovizioso, der in diesen 16 Rennen wie Marc Marquez 216 Zähler einsackte. Valentino Rossi sammelte 221 Punkte, Maverick Vinales 230.

Dovizioso will nicht an WM denken

Doch egal wie stark Dovizioso, der in der Gesamtwertung jetzt nur noch sieben Zähler hinter Leader Maverick Vinales auf Rang zwei liegt, sich fühlt oder tatsächlich ist, an den WM-Titel will er noch nicht denken. "Ich mache mir keine Gedanken über die Weltmeisterschaft. Mein Fokus liegt auf der Weiterentwicklung des Motorrads", stellt er klar. Denn die Ducati sei jetzt nicht besser als vor seinen zwei Siegen. "Wir haben für Mugello und Barcelona nichts am Bike verändert, haben also dieselben Grenzen wie auch schon in Le Mans. Mugello ist eine sehr gute Strecke für uns und hier war ein ganz eigenartiges Wochenende. Diese Ergebnisse spiegeln also das aktuelle Kräfteverhältnis leider nicht wirklich wider. Wir haben immer noch unsere Probleme beim Turning."

Dovizioso denkt immer noch an schwierige Rennen wie in Austin zurück, Foto: LCR
Dovizioso denkt immer noch an schwierige Rennen wie in Austin zurück, Foto: LCR

So viel Understatement hört man von einem Fahrer, der die letzten zwei MotoGP-Rennen gewonnen hat, selten. Doviziosos Erklärungen sind aber durchaus logisch und nachvollziehbar. "Ich will nicht negativ sein. Ich bin nur realistisch, denn ich kenne das Bike seit fünf Jahren", rechtfertigt er sich dennoch. "Ich weiß wie es funktioniert. Wenn wir wirklich um die Weltmeisterschaft kämpfen wollen, müssen wir uns noch steigern. Wir haben großes Potenzial, um den Titel zu kämpfen, aber in diesem Jahr teilweise 25 Sekunden in den Rennen verloren. So kann man keine Titel gewinnen."

Rivalen voll des Lobes für Dovizioso

Die Konkurrenz sieht das aber etwas anders, ist vor 'Desmo Dovi' gewarnt. "Für mich ist Dovi definitiv ein WM-Anwärter", meinte Titelverteidiger Marc Marquez nach dem Rennen von Barcelona. "Wenn er in der Gesamtwertung vor mir liegt, heißt das, dass er irgendetwas besser gemacht hat als ich. Er ist jetzt Zweiter und in Mugello beziehungsweise Barcelona sehr gut gefahren." Zustimmung erhält Marquez von Teamkollege Dani Pedrosa: "Dovi hat sehr viel Erfahrung, kennt sein Motorrad extrem gut und fährt im Moment sehr stark. Konstant ist er ohnehin immer¸ jetzt hat er auch erstmals zwei Rennen in Serie gewonnen. Wir sind also jetzt definitiv mehr Fahrer, die um den Titel kämpfen."

Und auch WM-Leader Maverick Vinales fühlt sich in seiner Vorahnung bestätigt: "Ich sage schon seit langem, dass Ducati sehr viel richtig macht und man sie nicht außer Acht lassen darf. Jetzt haben sie es gezeigt. Dovi hat zwei Rennen gewonnen, liegt nur noch sieben Punkte hinter mir. Er wird jetzt sicherlich zu einem harten Rivalen, denn die Ducati hat einige große Vorteile, etwa den Topspeed. Es wird schwer, Dovi zu schlagen!"