Dass Jorge Lorenzo ein schwieriger Charakter ist, dürfte mittlerweile hinlänglich bekannt sein. Der Mallorquiner fühlte sich immer schon wohl in der Rolle des Kriegers, und hielt sich nie mit seiner Meinung zurück. Allerdings gilt er auch als ein Fahrer, der bei schlechter Leistung oder gar Versagen nie die Schuld bei sich selbst sucht und sich damit unter Fans den Ruf einer Heulsuse erarbeitet hat. Durch diese Haltung wurde Lorenzo bei Yamaha mit nicht gerade freundlichen Worten in Richtung Ducati verabschiedet.

"Was den Speed angeht kann Maverick mit großer Wahrscheinlichkeit wie Jorge sein, aber mit einem besseren Charakter", tönte Team-Leiter Massimo Meregalli wenige Tage nach dem MotoGP-Finale 2016 in Valencia. Auch Valentino Rossis Busenfreund Uccio Salucci brachte gegenüber Motorsport-Magazin.com die Lage nach Lorenzos Abgang auf den Punkt: "Die Atmosphäre ist fantastisch, jetzt wo er weg ist!"

Lorenzo soll die Stimmung in der Yamaha-Box ordentlich gedrückt haben, Foto: Milagro
Lorenzo soll die Stimmung in der Yamaha-Box ordentlich gedrückt haben, Foto: Milagro

Lorenzo: Böser Vorwurf an Yamaha-Teamleiter Meregalli

Worte, die bei Lorenzo verständlicherweise auf wenig Akzeptanz stoßen. Im Interview mit der spanischen Marca tritt der dreifache MotoGP-Weltmeister deshalb jetzt nach. Yamahas Team-Leiter Meregalli muss sich dabei von Lorenzo den Vorwurf der Parteilichkeit gefallen lassen: "Ich denke, das war ein ziemlich unglückliches Statement von einer Person, die vielmehr auf Rossis Seite stand", bezieht sich Lorenzo auf Meregallis Worte vom November.

"Aus welchem Grund auch immer, ich habe verstanden dass er auf Rossis Seite stand. Deshalb wollte er nicht zu sehr in unsere Box involviert werden, denn der Teamkollege ist ja der erste Rivale." Der Grund für Lorenzo ist auch schnell ausgemacht: Rossi mit seiner ganzen Strahlkraft, seiner Aura, seinen Erfolgen, seiner Persönlichkeit, ist für Yamaha der wesentlich bessere Verkaufsträger. Daher müsste das Team darauf achten, den besten Werbeträger des Unternehmens nicht zu vergraulen.

"Yamaha hat einen Fahrer, der eine Ikone im Motorradsport ist. Auf den müssen sie aufpassen, denn er ist sehr medial und hilft so beim Verkauf von Motorrädern. Dadurch kam es dazu, dass beide Fahrer um die Meisterschaft kämpften, und diese Situation zu managen ist nicht leicht. Ich verstehe, dass sie auf ihren Diamanten achten müssen, im Sinne von Motorradverkäufen", ätzte Lorenzo mit spürbarem Neid auf seinen ehemaligen Stallrivalen Rossi.

Kurzer Blick zurück auf die Rivalität Rossi-Lorenzo bei Yamaha

Generell waren sich Lorenzo und Rossi in ihren sieben gemeinsamen Jahren bei Yamaha alles andere als grün. Das begann schon mit Lorenzos MotoGP-Aufstieg 2008. Damals wechselte Valentino Rossi Yamaha-intern exklusiv von Michelin- auf Bridgestone-Reifen, behielt zudem all seine Daten für sich und veranlasste zusätzlich die legendäre Trennwand in der Garage. Schon bald folgten von Rossis Seite Psychospielchen neben der Strecke wie etwa PK-Tuscheleien mit Hector Barbera, während sich Lorenzo den Fragen der Reporter stellte.

In der zweiten gemeinsamen Yamaha-Zeit von 2013 bis 2016 hielt der anfängliche Burgfriede auch nicht ewig. Im Titelkampf 2015 eskalierte die Situation wieder und aus Rossi und Lorenzo wurden erneut ziemlich beste Feinde. Wie tief die Gräben zwischen den beiden Superstars wirklich sind, wurde beim Misano-GP 2016 eindrucksvoll veranschaulicht. Eine Reporter-Frage entfachte ein hitziges Wortgefecht zwischen Beiden. Klar, dass ein stolzer Charakter wie Lorenzo irgendwann entnervt von dannen ziehen musste. Entsprechend kaltherzig fällt der Blick zurück aus.