Am kommenden Wochenende ist es soweit. Stefan Bradl fährt zum vorerst letzten Mal in der MotoGP. Vielleicht auch für immer. Auch wenn das sehr schade wäre. Denn eigentlich gehört der Bayer in die Königsklasse. Auch wenn er nur einmal auf dem Podest stand. Und auch wenn ausgerechnet viele deutsche Fans seine Leistungen sehr, sehr kritisch sehen. Leicht hat er es bei den Fans aus seinem Heimatland nie gehabt. Er hat es sich aber auch nie leicht mit eben diesen Fans gemacht. Was in erster Linie auch daran liegt, dass Stefan Bradl eben kein geborener Schauspieler wie zum Beispiel ein Valentino Rossi ist. Das Spiel mit den Massen ist nicht die Lieblingsbeschäftigung des ehemaligen Moto2-Weltmeisters. Aber ihm deshalb seine fahrerische Klasse abzusprechen, ist fragwürdig. Und auch nicht wirklich fair. Denn die echten MotoGP-Insider wissen, dass Stefan Bradl fahrtechnisch richtig gut ist.

Aprilias fragwürdiges 'Nein' zu Bradl

Es ist sicherlich auch seinem Können geschuldet, dass die Aprilia-Crew mit Kopfschütteln die Fahrerpaarung 2017 kommentiert hat. Sein Cheftechniker hat sogar gekündigt und geht lieber zu Marc VDS. Stefan Bradl wechselt mit gerade einmal 26 Jahren in die Liga der älteren Rennfahrer, die Superbike-WM. Hätte er das nicht auch noch mit 29 oder 30 Jahren tun können? Klar, hätte er. Aber er ist erwachsen. Und es ist letztendlich seine Entscheidung. Die es zu respektieren gilt. Auch wenn es schwer fällt. Natürlich hat Stefan Bradl in seiner Karriere nicht alles richtig gemacht. Neulich hat er in einem Interview einmal angemerkt, dass er vielleicht noch mehr hätte tun müssen. Gemeint war trainieren. Was wohl auch richtig ist. Zu lange hat er sich nur auf sein Talent verlassen. Von dem er im Überfluss gesegnet ist. Sein Fahrstil gilt als einer der schönsten überhaupt.

Elbow down? Kann er, der Bradl!, Foto: Aprilia
Elbow down? Kann er, der Bradl!, Foto: Aprilia

Das nutzt aber nichts, wenn es quasi kein Management gibt. Sonst wäre wohl kaum der tragische Wechsel zu Forward Racing passiert. Nur noch mal zur Erinnerung: Stefan Bradl hätte bei LCR Honda bleiben können. Zwar nicht mehr, wie in den drei Jahren zuvor, von Honda bezahlt, aber Lucio Cecchinello hätte die Finanzierung alleine hinbekommen. Und wollte dies auch. Man darf anhand der Resultate von Cal Crutchlow gar nicht darüber nachdenken, was eventuell gegangen wäre, wenn Stefan Bradl beim Verhandeln damals etwas Geduld gehabt hätte. Oder besser beraten gewesen wäre. Auch in diesem Sommer hätte es Chancen zum Verbleib in der Königsklasse gegeben. Aber Avintia Ducati verlängerte entnervt den Vertrag mit Loris Baz, weil es über Wochen nicht gelungen war, ein persönliches Gespräch mit Ihrem deutschen Wunschfahrer zu führen. Es wäre um eine MotoGP-Ducati des Baujahres 2016 gegangen. In einem Team, mit dem Stefan Bradl schon mal spanischer 125ccm-Meister geworden ist. Auch das kann man durchaus als Management-Fehler bezeichnen. Schade, aber nicht mehr zu ändern. Und wie schon erwähnt: Stefan Bradl ist erwachsen. Und seine Entscheidungen zu respektieren.

Bradls harter Weg zurück in die MotoGP

Vielleicht gelingt ihm ja das vermeintlich Unmögliche, nochmal aus der zweiten Liga in die Champions League aufzusteigen. Das Können dazu hat er. Aber es wird auch viel Glück nötig sein, um den Sprung zurück zu schaffen. Deshalb sollten alle Fans ihm in erster Linie die Daumen drücken. Vielleicht gelingt es ja dem Umfeld in der Superbike-WM, seine manchmal pampige Art Fans gegenüber zu verändern. Denn dort ist das Fahrerlager frei zugänglich und Fan-Nähe erwünscht. Das sollte möglich sein, denn jeder der Stefan Bradl einmal kennen gelernt hat, weiß, dass unter einer manchmal rauen Schale auch ein weicher Kern versteckt ist. Ein würdiger Abschluss seiner Karriere in der MotoGP sei ihm auf jeden Fall gewünscht. Was schwer wird, denn in Valencia ist ihm im Rennen eigentlich noch nie etwas Gescheites gelungen. Es wird sein Rennen Nummer 173 in der Weltmeisterschaft, sein 86. in der Top-Klasse. Es bleiben sieben Siege, acht Poles und 19 Podeste. Es hätten mehr sein können. Aber welcher Deutsche stand schon mal auf dem Podest eines MotoGP-Rennens? Und auch Weltmeister in der mittleren Kategorie wurde seit Toni Mang nur Stefan Bradl. Und zwar ausgerechnet gegen einen gewissen Marc Marquez.

2011 triumphierte Bradl in der Moto2-Klasse, Foto: Ozan Kutay
2011 triumphierte Bradl in der Moto2-Klasse, Foto: Ozan Kutay

Viele Kritiker behaupten ja immer noch, der Titel 2011 wäre Glück gewesen. Marc Marquez zum Beispiel verneint das. Denn wer nach 18 Rennen ganz oben steht, hat das nicht nur mit Glück erreicht. Ich würde mir wünschen, dass Stefan Bradl mit ein wenig mehr Respekt behandelt wird. Denn nach Meinung vieler, ist er das größte deutsche Talent aller Zeiten. Leider am kommenden Wochenende zum vorerst letzte Mal da, wo er eigentlich hingehört. Fakt ist: Das Mitfiebern hat Spaß gemacht. Das Jubeln bei den Erfolgen auch. Es war eine schöne Zeit. Viel Glück und alles Gute, Stefan!