17 Rennen, neun verschiedene Sieger. Sensationell. Brad Binder zu Recht und mit Dominanz Moto3-Weltmeister. Klasse. Und Johann Zarco, nach einigen Schwierigkeiten der Erste, der zwei Mal Moto2-Champion wird. Super. Marc Marquez schon seit Motegi Weltmeister. Auch verdient. Packende Rennen mit völlig neuen Perspektiven. Neun verschiedene Sieger, das gab es noch nie. Und trotzdem gibt es Fans, die von einer langweiligen Saison sprechen. Kein Witz, ich habe in den letzten Wochen genügend davon getroffen. Begründung meistens: "Ist ja schon alles entschieden" oder "Ich gucke nur MotoGP, die kleinen Klassen interessieren mich nicht." Bitte?

Schwer verständlich, für echte Fans. Aber wohl die Realität. Auf jeden Fall in Deutschland. Und das muss man akzeptieren. Genauso wie die Tatsache, dass MotoGP kein TV-Quoten-Knüller wie in Spanien oder Italien ist. Geschmäcker und Vorlieben sind nun mal verschieden. Wenn man dann bei einigen derer, die von einer langweiligen Saison sprechen, nachfragt, kommt raus, dass sie MotoGP nur gut finden, wenn VR46 gewinnt oder Weltmeister wird. Hmm. Naja. Fan sein bedeutet auch, Respekt zu zeigen. Den anderen gegenüber nämlich. Wenn sogar Lorenzo und Rossi in der Lage sind, sich fair zu gratulieren, sollte das bei den Anhängern doch auch drin sein, oder? Wenn sogar Rossi und Marquez wieder reden, warum können es dann Teile diverser Fangruppen nicht? Für die, die wissen, was Respekt ist, war es eine geile Saison. Mit einem verdienten Champion Marc Marquez. Der nur deshalb schon in Motegi den Titel holte, weil seine Gegner, warum auch immer, zu viele Nuller hingelegt haben. Aber Langeweile? Wie schmal der der Grat ist, zeigt uns die 93 ja, seitdem er seinen fünften Titel eingesackt hat. Zwei Stürze in zwei Rennen. Das hat er sich anders vorgestellt. Und demonstriert noch einmal, auf welch hohem Level mittlerweile in der MotoGP gefahren wird.

In den vergangenen zwei Rennen ging Marquez zu Boden, Foto: Tobias Linke
In den vergangenen zwei Rennen ging Marquez zu Boden, Foto: Tobias Linke

Auch Brad Binder wurde vorzeitig Moto3-Weltmeister. Nämlich schon in Aragon. Aber Langeweile? Die Moto3-Rennen des Jahres 2016 waren allesamt Knüller. Und wer sich da dann durchsetzt, der wird auch verdient Champion. Johann Zarco hat sich am längsten Zeit gelassen. Aber wie der Franzose seinen zweiten Titel dann am Sonntag in Sepang dingfest gemacht hat, war meisterlich. Ohnehin, Zarco. Zwei Titel in zwei Jahren. Sensationell. Vor allen Dingen, wenn man bedenkt, dass seine Karriere nach dem Gewinn des Red Bull Rookies Cups ganz schön ins Stocken geriet. Ohne die private Hilfe eines gewissen Gabor Talmacsi - ehemaliger 125ccm-Weltmeister aus Ungarn - würde Zarco gar nicht mehr fahren. Und jetzt ist er der Erste, der seinen Titel in der harten Moto2 verteidigen konnte. Das ist eine fantastische Leistung. Punkt. Aus. Ende. Und Zarco? Der wird nächstes Jahr ein ganz harter Gradmesser für seinen Tech3-Teamkollegen Jonas Folger. Wenn unser Jonas sich gegen den behaupten kann, dann kann er MotoGP.

2016 war eine grandiose Saison. Ohne Polemik und Streitereien. Mit drei verdienten Titelträgern. Und ganz viel Abwechslung. Wer hätte denn gedacht, dass Jack Miller ein MotoGP-Rennen gewinnen kann? Ganz nebenbei zeigt der ehemalige IDM-Fahrer aus Down Under auch im Rest der Saison respektable Leistungen. Wer darauf gewettet hätte, dass Cal Crutchlow gleich zwei Rennen gewinnt, wäre wahrscheinlich direkt vom Wettschalter in den Urlaub gefahren. Was für eine Freude auch beim nimmermüden Teamchef des Briten. Lucio Cecchinello mit dem Privatteam LCR Honda zweifacher Sieger in der Königsklasse. Phänomenal. Und Suzuki. Dank Maverick Vinales sind die Blauen absolut dran an den vermeintlich Unschlagbaren. Danke dafür. Auch, dass Ducati wieder siegfähig ist, trägt zur Unterhaltung bei. MotoGP ist also mittlerweile eine Wundertüte. Oder eine Suppe mit so vielen verschiedenen Gewürzen, wie es sie noch nicht einmal in der Molekularküche gibt. Und dann auch noch Andrea Dovizioso. Wie oft war der schon abgeschrieben? Als Honda-Werksfahrer nach WM-Platz drei entlassen. Ein Karriereschock von dem sich die meisten nicht erholen würden. Dovi schon. Über Tech3-Yamaha und klasse Leistungen hat er sich ins Ducati-Werksteam gekämpft. Das hat alles Jahre gedauert, aber umso schöner ist es, wenn einer dann verdient ein Rennen gewinnt. 2004, also verdammt lange her, wurde Dovizioso 125ccm-Weltmeister. 2009 hat er sein bisher einziges MotoGP-Rennen in Donington gewonnen. Und jetzt 2016 endlich sein erstes mit der Ducati. Riesen Respekt vor solch viel Ausdauer. Und wer gesehen hat, wie clever und kalkuliert der gute Andrea das Ding in Sepang gerockt hat, weiß, dass es nicht nochmal so lange bis zum nächsten Sieg dauern wird.

2009 triumphierte Dovizioso in Donington, Foto: Milagro
2009 triumphierte Dovizioso in Donington, Foto: Milagro

Von Langeweile also weit und breit keine Spur. Und auch, wenn die Titelentscheidungen früh fielen: MotoGP ist der beste Motorsport der Welt. Es gibt auch die Möglichkeit, diese Helden der Neuzeit mal ganz ohne Titelstress zu feiern. Letzten Sonntag in Malaysia haben es 100.000 getan. Ausverkauft! Zu Recht. Und deshalb sollte man Valencia nochmal so richtig feiern. Denn leider ist eine spektakuläre Saison fast schon wieder vorbei. Die Frage bleibt trotzdem spannend: Wer gewinnt das Saisonfinale, vor ausverkauftem Haus? Denn es war eine klasse Saison. Ich freu mich jetzt schon drauf. Auf's letzte Rennen. Und dann vor allen Dingen auf 2017. Es lebe die Vielfalt.