Verrückt, wie in der MotoGP innerhalb von zwei Wochen alles auf den Kopf gestellt werden kann. Vor 14 Tagen in Misano war Valentino Rossi nach einem harten Manöver gegen Jorge Lorenzo Zweiter geworden, der Mallorquiner nur Dritter. In Aragon tauschten sie nun Positionen. Aber nicht nur ihre Platzierungen waren anders, vor allem die Stimmung nach dem Rennen hätte unterschiedlicher nicht sein können. In Misano wehrte sich ein sichtlich aufgebrachter Rossi ja noch vehement gegen die Vorwürfe Lorenzos, er wäre zu hart gefahren. In Aragon gab er sich hingegen schon fast kleinlaut.

Was war passiert? Nachdem vier Runden vor Schluss Lorenzo, der zwischenzeitlich schon deutlich hinter Rossi lag, wieder an seinem Teamkollegen vorbeigehen konnte, hängte sich der ans Hinterrad. Rossi und Lorenzo zogen gemeinsam ihre Kreise, der Angriff des italienischen Altmeisters war nur eine Frage der Zeit. In der vorletzten Runde kam dieser dann auch direkt vor Kurve zwölf. Rossi war in der über eine Kuppe führenden Anbremszone, in der er sich an der Kurveninnenseite neben Lorenzo gesetzt hatte, aber viel zu schnell dran. Rossi hatte die Wahl zwischen einem Harakiri-Manöver oder dem freiwilligen K.O. in diesem Duell. Er entschied sich für die zweite Möglichkeit, schoss in den Notausgang und überließ Lorenzo, der innen ganz einfach durchschlüpfen konnte, den zweiten Platz.

Rossi übt sich in Selbstkritik

"Ich habe beim Anbremsen einen Fehler gemacht und war zu schnell", analysiert Rossi. "Da war es zu riskant, noch einen Angriff auf Lorenzo zu wagen. Wir hätten kollidieren können und das hätte in einem großen Desaster geendet. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, in den Notausgang zu fahren." Der kleine Ausflug in die asphaltierte Auslaufzone kostete Rossi etwa 2,5 Sekunden, das Duell um Rang zwei war somit etwas mehr als einen Umlauf vor Schluss natürlich gelaufen.

Der Plan von Taktikfuchs Rossi ging im Aragon-GP somit nicht auf. "Ich wollte in der letzten Runde gegen Lorenzo kämpfen", gesteht er. "Wir haben das ganze Wochenende daran gearbeitet, in der zweiten Rennhälfte stark zu sein. Das hat aber leider nicht so funktioniert, wie wir es uns vorgestellt hatten. Natürlich wäre ich gerne vor Lorenzo gelandet, aber er war am Ende einfach stärker. Ich hatte zu viel Wheelspin am Hinterrad." An der Reifenwahl konnte es nicht liegen, beide Yamaha-Werksfahrer waren mit der Kombination Medium vorne und Hart hinten unterwegs.

Rossi fehlte am Kurvenausgang der Grip, Foto: Yamaha
Rossi fehlte am Kurvenausgang der Grip, Foto: Yamaha

Marquez-Fehler sorgte für kurze Hoffnung bei Rossi

Schlussendlich also ein eher enttäuschendes Rennen für Rossi, das allerdings lange Zeit durchaus vielversprechend für ihn ausgesehen hatte: In Runde sieben fiel Marquez nach einem nur mit Mühe verhinderten Sturz von Platz eins auf fünf zurück. Zwei Umläufe später übernahm Rossi die Führung und brachte Maverick Vinales als Puffer zwischen sich und den wieder heraneilenden Marquez. Doch Vinales patzte nur eine Runde darauf und für Marquez war der Weg frei, Rossi hatte der überragenden Pace Marquez' nichts entgegenzusetzen: "Als ich an der Spitze war, habe ich alles gegeben. Es war aber nicht genug." Eine Chance gegen Marquez sah Rossi nur nach dessen Beinahe-Crash. "Da habe ich gehofft, dass mit seinem Vorderreifen etwas nicht stimmt", schmunzelt Rossi. Eine Hoffnung, die sich nicht erfüllen sollte.