MotoGP ist eine emotionale Angelegenheit. Eigentlich immer, aber besonders dann, wenn es Überraschungen gibt. Und die gab es am Wochenende in Brünn. Mal wieder im Jahr 2016, was die ganze Geschichte für die Fans noch unterhaltsamer macht. Sechs unterschiedliche Sieger bei den letzten sechs Auftritten der Königsklasse - perfekte Unterhaltung!

Und dazu noch der Premieren-Sieg für Intact GP. Ein Traum. Aber auch der verdiente Lohn für fast vier Jahre harte Arbeit. Denn was die Herren Keckeisen, Kuhn und Lingg als Teamteilhaber und -gründer auf die Beine gestellt haben, verdient Respekt. Und ist endlich auch belohnt worden. Der Sieg von Jonas Folger ist eine Wohltat für die Beteiligten nach vielen Rückschlägen.

Was auch für den Chef von MotoGP-Sieger Cal Crutchlow gilt. Lucio Cecchinello ist der wohl am härtesten arbeitende Teamchef in der MotoGP. Und hat endlich - nach zwanzig Jahren Teamhistorie - einen Sieg bei den Großen erreicht. Was eigentlich unmöglich ist! Aber eben doch geht, wenn man dran glaubt.

Dieser Glaube ist bei den Teams Intact GP und LCR durchaus vergleichbar. 100 Prozent Leidenschaft, totaler Racingspirit. Ein professionelles Moto2-Team mit deutschen Sponsoren und deutschen Fahrern aufbauen? Geht nicht, werden viele gesagt haben. Wir sind ein Fußball- und Auto-Land. Geht aber doch! Intact GP hat es bewiesen und am Sonntag war Tag der Abrechnung - mit den Zweiflern und Kritikern. Nur schade, dass Sandro Cortese nach einem sensationellen Rennen nicht für das totale Happy End sorgen konnte.

"David" Cecchinello gegen die Werks-Goliaths

Gleiches gilt für LCR. Mit einer geleasten Kunden-Honda gegen die Werke antreten? Wozu? Eben für das, was am Sonntag passiert ist! Cal Crutchlow dominiert das Rennen und sorgt dafür, dass sein Chef Cecchinello endlich weiß, dass er Recht hatte. Denn der ehemalige 125cc-Fahrer versucht seit 20 Jahren seinen Traum zu leben. Erst in den kleinen Klassen, seit 2006 auch in der Königsklasse.

Damals war der Fahrer ein gewisser Casey Stoner, zwischendurch war es mal Stefan Bradl. Der nach drei Jahren LCR ja unbedingt zu Forward wechseln wollte. Schade, denn ohne diese Entscheidung wäre am Sonntag vielleicht Stefan ganz oben auf dem Podest der Moto GP gestanden. Nun ist es Cal Crutchlow. Der ein ungeheuer hart arbeitendes Team hinter sich weiß.

Völlig egal ob Fabio Alberti im Marketing oder Oscar Haro in der Fahrerbetreuung, alle im LCR Team leben für den Traum ihres Chefs. Es gibt im MotoGP-Paddock sicherlich nicht viele Verantwortliche, die so hart arbeiten wie Cecchinello. Der gute Lucio ist jemand, der eigentlich immer arbeitet. Tag und Nacht. Was dann dazu führt, dass er manchmal im Stehen einschläft. Oder im Sitzen. Irgendwo auf der Welt an einem beliebigen Flughafen. Wer einmal mit Cecchinello zu tun hatte, weiß, dass sein Wort zählt. Was seine Beliebtheit und sein Netzwerk erklärt.

Allen Widrigkeiten zum Trotz

Wie bitter muss es für solch einen Charakter sein, wenn ein windiger Investor mit griechischem Pass die Arbeit von zwanzig Jahren gefährdet. Genau das passierte LCR im letzten Jahr. Trotz wasserdichter Verträge. Lucio Cecchinello hat trotzdem nicht aufgegeben, sondern auch diesen Tiefschlag weggesteckt und weiter gemacht. Weil er Verantwortung hat und dies auch so versteht. Dafür Respekt und tiefste Anerkennung!

Lucio Cecchinello hat es endlich geschafft, Foto: LCR
Lucio Cecchinello hat es endlich geschafft, Foto: LCR

Die Belohnung, die es am Sonntag mit den 25 Punkten für seinen Fahrer Crutchlow gegeben hat, ist mehr als verdient und Garant dafür, dass der kleine italienische Teamchef weiter an der Verwirklichung seiner Visionen arbeiten wird. Fast wie bei den Galliern und Asterix gegen die Römer: Lucio gegen die Motorrad-Werke dieser Welt. Am Sonntag gab es in diesem Film das Happy End.

Im Gegensatz zu LCR besteht das deutsche Intact GP Team aus drei Personen: Jürgen Lingg als Technikgenie sowie Wolfgang Kuhn und Stefan Keckeisen als erfolgreiche Geschäftsmänner mit Motorsportvisionen. Auch bei diesen drei Herren wäre es einfach gewesen, spätestens nach der Saison 2015 die Brocken hinzuschmeißen. Einfach weil die Resultate fehlten, warum auch immer. Aber sie haben trotzdem weiter gemacht - mit zwei statt mit einem Fahrer, mit einem neuen Junior-Team. Trotzdem lief bis Sonntag auch in der Sasion 2016 viel schief. Für viele andere wäre es zu viel gewesen, was nicht geklappt hat.

Intact GP: Wo das Herz noch zählt

Nicht nur die erwünschten Resultate blieben aus, sondern auch der Abgang Jonas Folgers zu Tech3 in die MotoGP war so eigentlich nicht geplant. Allein wie sich die Leitung von Intact GP in diesem Fall dem Wunsch von Jonas gebeugt und verhalten hat, nötigt einem Respekt ab. Fahrgenie Folger hat am Sonntag etwas zurückgegeben. Der erste Sieg der Teamgeschichte in der Motorrad-WM, der hoffentlich nicht der letzte sein wird.

Denn auch bei Intact GP wird weiter hart gearbeitet um 2017 wieder zwei Deutschen die perfekte Plattform für Erfolge zu geben. Marcel Schrötter hat diese Chance verdient, Sandro Cortese auch. Das hat er am Sonntag mit seinem Rennen bewiesen. Bleibt nur zu hoffen, dass Schrötter und Cortese begreifen, wie hart die Teammitglieder für sie arbeiten und das mit Erfolgen zurückzahlen. Denn das ist Ihre Verantwortung als Fahrer.

MotoGP in Brünn: Für manche ein Tag wie Weihnachten. Einfach nur schön und endlich sind einmal die richtigen belohnt worden. Nämlich Lucio Cecchinello, Stefan Keckeisen, Jütgen Lingg und Wolfgang Kuhn. Falls es einen Rennsportgott gibt: Bitte mehr davon! Nächste Woche in Silverstone wäre die nächste Gelegenheit.