"Ich habe mit ihnen gespielt und bin einfach nur durch die Gegend gecruist", so gelassen kommentierte Cal Crutchlow den ersten MotoGP-Sieg seiner Karriere. Auf auftrocknender Strecke hatte der 30-jährige Brite in Brünn einen souveränen Triumph eingefahren, nachdem er sich vom 15. Platz binnen 13 Runden an die Spitze gekämpft hatte. Es war der erste Sieg für Crutchlow, der zugleich den ersten Sieg für das MotoGP-Team von Lucio Cecchinello bedeutete. Zudem beendete Crutchlow damit eine 35 Jahre andauernde Serie britischer Erfolglosigkeit in der Königsklasse.

Crutchlows Sieg war eines des Mutes, denn in der Startaufstellung pokerte der Brite hoch, als er sowohl an der Front als auch am Heck den härteren der beiden Regenreifen aufziehen ließ. Diese Strategie kostete ihn zu Beginn zwar einige Plätze, doch gegen Ende war er damit auf auftrocknender Piste um bis zu drei Sekunden schneller als die Konkurrenz.

Crutchlows Poker in Brünn geht auf

"Die ersten fünf Runden waren mit diesem Hinterreifen sehr schwierig. Doch dann wurde der Asphalt langsam trocken und mein Gefühl wurde immer besser", gestand Crutchlow nach dem Rennen. "Dann bemerkte ich, dass ich den Führenden noch in Sichtweite hatte. Von da an wusste ich, dass der Sieg möglich war." In den Schlussrunden musste der Brite nicht einmal mehr an sein äußerstes Limit gehen und konnte seinen Vorsprung gelassen verwalten.

"Vier oder fünf Runden gab es die einzige Schrecksekunde, als ich beinahe weggerutscht wäre. Ich habe auf die Videowall geschaut und bemerkt, dass ich großen Vorsprung hatte. Von da an dachte ich mir: Lass es ruhig angehen und cruise gemütlich zu deinem Sieg." So konnte der Brite die finalen Runden vor den 86.000 Fans in Brünn genießen. Was sein Triumph bedeutet, dürfte dem Briten aber in den kommenden Tagen klar werden.

Das bedeutet Cal Crutchlows Sieg

Erster Sieg für Crutchlow:
Es dauerte 98 Rennen, bis es für Crutchlow in der MotoGP-Klasse endlich so weit war. Zuvor bereits neunmal auf dem Podest, kam er 2013 am Sachsenring Marc Marquez bei Zieleinlauf bereits auf 1,5 Sekunden nahe. Ein Sieg war dem wortgewaltigen Briten in fünfeinhalb Jahren in der Königsklasse aber nie vergönnt gewesen. "Ich habe seit sechs Jahren kein Rennen mehr gewonnen. Daher ist das der emotionalste und beste Tag meiner Rennfahrer-Karriere", sagte ein stolzer Crutchlow in Brünn. Dabei ist Siegen für den Briten eigentlich nichts Ungewohntes, denn bevor er in die MotoGP kam, konnte er bereits zehn Siege in britischen Meisterschaften, fünf in der Supersport-WM und drei in der WSBK aufweisen. Dort hatte er auch am 3. Oktober 2010 in Magny-Cours seinen bislang letzten Erfolg gefeiert.

Erster britischer Sieg seit Barry Sheene:
Bis in die frühen Neunzigerjahre war die britische Motorrad-Nation die erfolgreichste in der Königsklasse. Am 16. August 1981 holte Barry Sheene in Anderstorp den 135. 500cc-Sieg für das Königsreich. Die Fans sollten in den folgenden Jahrzehnten mitansehen müssen wie zunächst die US-Amerikaner und später auch die Italiener in dieser Statistik vorbeiziehen sollten. Zuletzt rückten sogar die Spanier den Briten in der ewigen Bestenliste gefährlich nahe. Doch 35 Jahre und fünf Tage waren genug und dank Crutchlow ist der Fluch nun auch in der Königsklasse zu Ende. In den unteren Kategorien gab es in den vergangenen Jahren dank Danny Kent oder Scott Redding wieder einige Erfolge und im Vorjahr in der Moto3 sogar den ersten britischen WM-Titel seit Sheene 1977.

Erster MotoGP-Sieg für LCR Honda:
1996 entschloss sich Lucio Cecchinello, seinen eigenen Rennstall zu gründen und in der 125cc-WM künftig als fahrender Teamchef anzutreten. 1998 siegte holte Noboru Ueda in Johor den ersten Sieg, ehe vier Rennen später in Jarama Cecchinello selbst siegte. Bis 2003 fuhr der Italiener selbst, wagte als Teamchef parallel aber auch den Sprung in die 250cc-WM. 2006 folgte gemeinsam mit Casey Stoner der Aufstieg in die MotoGP, wo LCR Honda seither nicht mehr wegzudenken ist. Bis Brünn 2016 hatte Cecchinellos Team dort fünf Podestplätze (u.a. P2 durch Stefan Bradl in Laguna Seca 2013) geholt, doch für das oberste Treppchen hatte es nie gereicht. Den 21 Siegen in kleinen Klassen darf LCR dank Crutchlow nun endlich den ersehnten Erfolg in der Königsklasse hinzufügen. Kein Wunder, dass der Teamchef während der 22 Runden in Brünn etwas nervös war, wie sogar Crutchlow während des Rennens bemerkte: "Ich sah Lucio, wie er über die Boxenmauer hing und mir wie wild Zeichen gab. Hätte ich die Hände vom Lenker nehmen können, hätte ich ihm gedeutet, dass er in die Box verschwinden soll", scherzte der siegreiche Brite.

Sechster Saisonsieger:
Zwischen 2010 und 2015 gewannen nur sechs verschiedene Fahrer Rennen der MotoGP (Rossi, Lorenzo, Marquez, Stoner, Pedrosa und Spies). 2016 durften die Fans sich nach elf Rennen bereits über sechs verschiedene Sieger freuen. Vor Crutchlow siegten in den vergangenen Monaten bereits Lorenzo, Marquez, Rossi, Miller und zuletzt Iannone. So viele verschiedene Saisonsieger gab es zuletzt vor zehn Jahren, als in der Saison 2006 sieben verschiedene Fahrer Siege einfuhren. Kurios: Die letzten sechs Rennen wurden von sechs verschiedenen Fahrern gewonnen. Das gab es in einer Saison zuletzt 1999, als hintereinander Alex Criville, Regis Laconi, Tadayuki Okada, Max Biaggi, Norick Abe und Kenny Roberts jr. siegten.