Auch wenn noch elf Rennen zu fahren sind, taugt der Zeitpunkt vor Assen traditionell immer sehr gut um eine Zwischenbilanz zu ziehen. Dabei hat sich die fiktive MotoGP-Schulkonferenz auf die Leistungen der deutschen Fahrer konzentriert. Und da gibt es viel zu besprechen!

Die fünf deutschen Helden waren stets bemüht. Aber da die Leser dieser Zeilen ja selber schon Mal ein Halbjahreszeugnis bekommen haben, wissen sie auch, was das bedeutet. Kurz gesagt: Es besteht Diskussionsbedarf und es gibt Luft nach oben. Was für alle Deutschen in der Motorrad-Weltmeisterschaft gilt. Und zwar ausnahmslos. Vor allen Dingen, weil es durchaus Hoffnung auf mehr gab! Mal mehr, mal weniger deutlich, wurde die Zielsetzung verfehlt. Wenn wir tatsächlich noch in der Schule wären, gäbe es sicherlich in allen Fällen blaue Briefe. Die ja bekanntlich niemand gerne erhält. Die aber auch noch Chancen lassen, das Ganze zu optimieren.

Bradl hat es nicht gerade leicht

Fangen wir mal ganz oben in der Königsklasse an: Stefan Bradl hat sicherlich die schwierigsten Voraussetzungen. Zum einen technisch, zum anderen steht er am ehesten im Fokus und misst sich mit den Besten der Welt. Dabei kann er nichts dafür, dass Aprilia viel zu spät angefangen hat, das Thema MotoGP ernsthaft zu bestreiten. Dabei steht es bei den Trainingsduellenim Vergleich zum Teamkollegen Alvaro Bautista 4:3 für den Bayern.

Bei den Rennresultaten hat der Deutsche ebenfalls mit 4:3 die Nase vorne. Punkte haben beide gleichviel auf ihrem Konto. Auch, weil mit ein wenig Glück beide schon in den Top-Ten eingelaufen sind, was oft an den Stürzen der Konkurrenz lag. Zuletzt konnte Bautista allerdings überzeugen und hatte die Startnummer 6 im Barcelona Rennen im Griff. Platz acht vom letzten Startplatz ist ein Highlight, welches Bautista gelang und Bradl das Leben schwer macht.

Die Versetzung ins nächste MotoGP-Jahr ist aber bei beiden gefährdet. Weil Aprilia mit Sam Lowes schon einen Vertrag hat und wohl mit Aleix Espargaro liebäugelt. Was auch zeigt, dass bei einigen Entscheidern in der Königsklasse die Nerven offenbar blank liegen. Immer früher, immer aggressiver wird auf dem Transfermarkt entschieden. Aber glaubt wirklich irgendjemand, dass die Besetzung mit dem sturzanfälligen und MotoGP-unerfahren Sam Lowes in Kombination mit Aleix Espargaro besser wäre als die jetzige Paarung?

Moto2 die bessere Alternative als WSBK

Zumal das Aprilia-Bike ja noch komplett in der Entwicklung steckt. Nicht nur mit der deutschen Brille betrachtet, würde mir für solch eine Entscheidung das Verständnis fehlen. Trotz aller Shitstorm-Experten und Meckerer. Stefan Bradl gehört in die MotoGP und sonst nirgendwo hin! Vergleichen Sie doch mal Bradls Ergebnisse bei LCR-Honda mit denen seines Nachfolgers. Lucio Cechinello wird dies auch so sehen, wenn er mal wieder zähneknirschend die Sturzschäden von Cal Crutchlow mit den kläglichen 20 WM-Punkten in Relation setzt. Aber der gute Lucio hätte Stefan Bradl ja auch gerne behalten. Schlecht beraten, wollte der aber ja unbedingt zu Forward Yamaha.

Stefan Bradl 2017: MotoGP, Moto2 oder Superbike-WM?, Foto: Aprilia
Stefan Bradl 2017: MotoGP, Moto2 oder Superbike-WM?, Foto: Aprilia

Was im Übrigen beinahe einen MotoGP-Schulverweis nach sich gezogen hätte. Deshalb bin ich der Meinung, dass, wenn Stefan Bradl die MotoGP verlassen muss, ein Neuanfang in der Moto2 am Besten für ihn wäre. Siege dort könnten ihn wieder in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Ein Wechsel zu den Superbikes wäre hingegen so ähnlich wie ein eingeleitetes Karriereende. Oder haben sie schon einmal in einer deutschen Tageszeitung etwas über die Superbike WM gelesen?

So oder so muss Stefan Bradl aber Leistung zeigen und möglichst oft Alvaro Bautista schlagen. Assen wäre ein Anfang. Die MotoGP wünscht sich mit Sicherheit 2017 zwei Deutsche in der Königsklasse. Und Ergebnisse, wenn es nicht schon zu spät ist, lassen vielleicht auch das Aprilia-Management zur Besinnung kommen.

German Dream Team zuletzt farblos

Zur Besinnung muss auch schnellstens Jonas Folger wieder kommen. Stark in die Saison gestartet, ist bei unserem größten Talent, seit der Unterschrift unter das Tech3-MotoGP-Arbeitspapier die Leistungskurve wie abgeschnitten. Sehr merkwürdig. Vielleicht würde ein Gespräch mit dem Schulpsychologen helfen. Denn eigentlich hat er es drauf! Unverständlich das die Erfüllung seines MotoGP-Traums nicht motivierend, sondern eher Gegenteiliges bewirkt hat. Aber auch hier gilt: Es sind noch elf Rennen zu fahren. Einfach jedes Mal auf das Podest fahren. Und dann geht auch noch was in Sachen WM-Tabelle. Nur das Abrufen der Leistungen muss jetzt erfolgen. Das ist wie beim Vokabel-Test: Das Hier und Jetzt zählt.

Gilt natürlich ebenso für seinen Teamkollegen! Das Moto2-Comingout von Sandro Cortese ist immer noch nicht erfolgt. Wobei natürlich auch Pech im Spiel war. Wenn die Startnummer 11 nicht so verständnisvolle Lehrkörper, sprich Arbeitgeber, hätte, wäre das Klassenziel schon jetzt ausgeschlossen. So muss der letzte Deutsche, der in Assen auf dem Podest stand, ab sofort alles versuchen, was geht. Zur Not Nachhilfe, Einzelunterricht oder Auslandsseminare. Sonst ist die Nicht-Versetzung gewiss. Denn am Material liegt es nicht!

Schrötter und Öttl müssen liefern

Auch nicht bei Marcel Schrötter. Deshalb ist zweimal Platz 10 als beste Platzierung viel zu wenig. 19 Punkte beindrucken in der Moto2-Klasse niemanden. Schon gar nicht die, die gnadenlos über die Zukunft ihrer Klasse entscheiden. Bei Intact GP wird ja ein Platz frei. Aber mit den bisher gezeigten Leistungen kommt Schröter dort nicht in Frage. Verständlich. Denn auch in der Moto2 sind alle auf der Suche nach dem neuen Klassenprimus.

Was auch für die Rasselbande der MotoGP-Vorschule namens Moto3 gilt. Vom Vorzeigeschüler ist Philip Öttl noch eine ganze Ecke entfernt. Der vierte Platz in Texas kann darüber nicht hinweg täuschen. Er büffelt und gibt in der Theorie alles. Aber wenn dann die Prüfungen anstehen, kann der jüngste Deutsche in der WM oft nicht liefern. Das muss jetzt nach seiner Verletzungspause besser werden. Die Versetzung ist bei Schüler Öttl nicht gefährdet, aber um den Sprung auf ein Elite-Gymnasium zu schaffen, muss noch einiges passieren.

Die Deutschen MotoGP Schüler anno 2016: Es gibt Handlungsbedarf. Aber noch Hoffnung. Letzter deutscher Sieger in Assen war übrigens 2003 Steve Jenkner. Und damit, war damals auch nicht unbedingt zu rechnen.