Das MotoGP-Wochenende von Le Mans 2016 stand bisher im Zeichen eines Mannes: Jorge Lorenzo. Der Yamaha-Pilot drückte dem Geschehen in Frankreich ein ums andere Mal seinen Stempel auf und holte sich in drei von vier Trainings die Bestzeit sowie die Pole-Position samt neuer Rekordrunde! Erstmals umrundete ein Motorrad-Fahrer den Bugatti Circuit in Le Mans in weniger als 92 Sekunden. Klar, dass Lorenzo ob dieser Leistungen der haushohe Favorit auf den Rennsieg ist. Doch wer kann ihm gefährlich werden? Kann ihm überhaupt ein Konkurrent das Wasser reichen? Motorsport-Magazin.com untersucht die Chancen der Top-Fahrer in Le Mans.

Der Siegkandidat für das MotoGP-Rennen in Le Mans

Jorge Lorenzo: Kein Zweifel: Jorge Lorenzo läuft in Le Mans wieder einmal zur Hochform auf. Schon im Vorjahr trat der Weltmeister hier extrem dominant auf, und sollte das wechselhafte französische Wetter ihm im Rennen keinen Strich durch die Rechnung machen, fällt es extrem schwer, auf einen anderen Sieger als Jorge Lorenzo zu tippen. "Wir haben am Freitag eine gute Basis gefunden und uns im Detail noch weiter verbessert. Das Bike ist großartig und ich kann eine großartige Pace damit gehen. Im Moment sieht alles gut aus fürs Rennen, sofern die Bedingungen sich nicht arg ändern und andere Fahrer sich nicht verbessern", ließ Lorenzo nach dem Qualifying wissen.

Grund zur Euphorie gibt es jedenfalls genug beim Yamaha-Piloten. Alle Trainingssessions zum diesjährigen Frankreich-GP beendete er entweder auf den Plätzen eins oder zwei. Die Pole-Position erfuhr sich Lorenzo mit neuem Quali-Rekord, Marc Marquez als Zweiter wurde um fast eine halbe Sekunde abgeschüttelt. Auch in den Longruns stimmt die Pace beim Weltmeister. Im FP4 drehte er zunächst Runden in den mittleren und tiefen 1:33ern. Nur, um danach noch eine Schippe draufzulegen: Die hohen 32er-Zeiten im zweiten Run konnte nicht ansatzweise mehr einer der Konkurrenten gehen. In dieser Form ist Lorenzo praktisch nicht zu bezwingen. Am ehesten zuzutrauen ist das an diesem Wochenende einem Fahrer aus dem folgenden Quartett.

Le Mans: Lorenzos gefährlichste Verfolger

Marc Marquez: "Mein Rhythmus im FP4 war nicht schlecht, aber Jorges war von einem anderen Stern", meinte Marquez am Samstag. So eindeutig fällt der Blick auf die nackte Zeitenliste aber zunächst gar nicht aus. Lorenzo fuhr zwar durchgehend tiefe und mittlere 33er-Zeiten und steigerte sich erst am Ende in die hohen 32er, doch Marquez muss hier den direkten Vergleich nicht scheuen. Denn auch der Repsol-Honda-Pilot blieb konstant unter 33,5, was bei Marquez' Aussage nur einen Schluss zulassen kann: Dass Lorenzo erst im zweiten Run alle Karten in Sachen Longrun-Pace aufdeckte.

Dennoch hat sich gezeigt, dass die Kombination Marquez-Honda in Le Mans nicht so weit von der Spitze entfernt ist, wie befürchtet. In Wahrheit konnte Marquez die beste Pace aller Lorenzo-Verfolger im FP4 gehen, auch im Qualifying erreichte der Spanier Platz zwei. Wenn Marquez also meint: "Wir wussten von Anfang an, dass wir zu kämpfen haben werden. Die Honda ist auch hier kein einfaches Bike", dann wirkt das beim Blick auf die Zeitentabellen wie realitätsfernes Understatement. Denn für das Podium kann es für Marquez immer noch reichen. Doch es gibt für ihn harte Konkurrenz.

Dieses Quartett hat die größten Chancen darauf, dem Weltmeister in Le Mans in die Suppe zu spucken, Foto: Ducati
Dieses Quartett hat die größten Chancen darauf, dem Weltmeister in Le Mans in die Suppe zu spucken, Foto: Ducati

Valentino Rossi: Einerseits wäre da natürlich Valentino Rossi zu nennen. Auch aus der dritten Reihe ist der Doktor stets gefährlich, das hat er in den letzten Jahren oft genug bewiesen. Doch in Le Mans will es für Rossi noch nicht so recht laufen. Schon am Freitag beklagte er Stagnation bei der Setup-Arbeit. Am Samstag ging es für Rossi zwar aufwärts, aber beim Qualifying lief alles gegen den Doktor: Zuerst Leidtragender des Pedrosa-Crashs, im zweiten Run verhinderte Verkehr eine ernsthafte Zeitenjagd Rossis. Ergebnis: Startplatz sieben anstatt eines möglichen Top-5-Ergebnisses.

Immerhin ging es in Sachen Longrun-Pace für Rossi bergauf, er war auf einem Level mit Marquez und den Ducatis unterwegs. Die erste Messlatte ist jedoch immer noch der Teamkollege, weshalb Rossi fordert: "Wir sind konkurrenzfähiger, aber immer noch nicht konkurrenzfähig genug. Wir müssen noch besser werden." Kann sich Rossi mit seiner Crew in Sachen Rennpace noch einmal steigern, dürfte der Doktor zum ersten Lorenzo-Verfolger im Rennen aufsteigen.

Der Schnitt aus den sieben schnellsten Runden der Verfolgergruppe im FP4

FahrerTeamZeit
Marc MarquezRepsol Honda1:33.483
Valentino RossiMovistar Yamaha1:33.683
Andrea IannoneDucati1:33.786
Andrea DoviziosoDucati1:33.890

Andrea Dovizioso und Andrea Iannone: Andererseits ist da aber noch die Ducati-Fraktion. Besonders Andrea Dovizioso versprühte am Samstag eine gehörige Portion Optimismus. Eine Wiederholung des Vorjahres-Resultats (Platz drei) ist durchaus im Bereich des Machbaren für Dovizioso. "Ich bin ziemlich glücklich mit dem Tag heute, denn wir haben unsere Pace von Training zu Training gesteigert, und im Qualifying haben wir dann einen guten Speed gezeigt", gab Dovizioso nach dem Abschlusstraining zu Protokoll.

Die Longrun-Pace beim Ducati-Pilot stimmt ebenfalls. Hier lag Dovizioso auf einem Niveau mit seinem Teamkollegen Andrea Iannone, Valentino Rossi war nicht viel schneller als die beiden Ducatisti. "Ich denke wir haben eine gute Chance auf das Podium. Ich glaube, wir sind hier eine Gruppe von mindestens vier, fünf Mann, die um das Podium kämpfen können", wagt Dovizioso deshalb seinerseits schon eine erste Prognose. Zumindest hat sich in den Trainings gezeigt, dass wohl kein Dani Pedrosa und wohl auch keine Suzuki mit den Top-5 mithalten kann.

MotoGP Le Mans 2016: Die Tipps der Redaktion

Die Redaktion ist sich einig: Jorge Lorenzo darf am Sonntag wieder den größten Pokal stemmen, Foto: Monster
Die Redaktion ist sich einig: Jorge Lorenzo darf am Sonntag wieder den größten Pokal stemmen, Foto: Monster

Andrea Blendl: Ich glaube, dass im Rennen an einem Mann kein Weg vorbei führt: Jorge Lorenzo. Oft genug hat er in Le Mans schon ohne Pole gewonnen, diesmal fährt er auch noch von ganz vorne los und kann wie ein Uhrwerk Hammerrunden abliefern. Um Platz zwei wird eine heiße Schlacht zwischen Marquez und den Werks-Ducatis toben, ich sehe jedoch den Honda-Fahrer am Ende vorn, während Dovis Pechsträhne endlich reißt und er den letzten Podiumsplatz einfährt.

Andreas Top-3-Tipp: 1. Lorenzo, 2. Marquez, 3. Dovizioso

Tobias Ebner: Wer soll den Weltmeister nur stoppen? Ich befürchte, um einen Lorenzo-Sieg zu verhindern bedarf es schon der freundlichen Unterstützung des Wetter-Gotts oder des Defektteufels. Beides wird aber nicht passieren, Lorenzo holt sich seinen zweiten Saisonsieg in style. Dahinter wird es schon spannender, vier Mann kämpfen um den Titel "Best of the rest". Die besten Chancen sehe ich hier bei Rossi, der seinem Ruf als Sonntags-Fahrer wieder einmal voll gerecht wird. Marc Marquez wird auch gegen die Ducatis nicht bestehen und nur Fünfter hinter Dovizioso und Iannone.

Tobias' Top-3-Tipp: 1. Lorenzo, 2. Rossi, 3. Dovizioso

Sophie Riga: Jorge Lorenzo hat am Samstag so eine dominante Vorführung gezeigt, dass der Sieg in Le Mans mit Sicherheit über ihn gehen wird. Starten kann der amtierende Weltmeister ebenfalls, zu Rennbeginn flüchten sowieso. Sollte es sich das launische Wetter in Le Mans nicht noch anders überlegen und Regen schicken, wird Lorenzo den zweiten Saisonsieg einfahren. Dahinter landen Marc Marquez und Valentino Rossi.

Sophies Top-3-Tipp: 1. Lorenzo, 2. Marquez, 3. Rossi

Markus Zörweg: Jorge Lorenzo wird an diesem Wochenende in Le Mans nicht zu schlagen sein. Er fährt einen ungefährdeten Start-Ziel-Sieg ein. Dahinter geht es aber eng zu. Marc Marquez bekommt im Rennen größere Probleme und muss sich gegen Andrea Iannone und auch Valentino Rossi zur Wehr setzen. Am Ende behält Marquez aber die Oberhand und wird Zweiter, Iannone komplettiert das Podium. Rossi muss mit Rang vier Vorlieb nehmen.

Markus' Top-3-Tipp: 1. Lorenzo, 2. Marquez, 3. Iannone

Annika Kläsener: Jorge Lorenzo ist in Le Mans nicht zu bremsen. Er zieht an der Spitze einsam und konstant seine Runden. Dahinter wird es allerdings spannend, denn Marc Marquez und Andrea Iannone werden sich einen harten Zweikampf liefern. Maverick Vinales prescht durchs Feld und mischt in den letzten Runden auch noch mit. Iannone hat letztlich das Nachsehen und so gibt es ein rein spanisches Podest.

Annikas Top-3-Tipp: 1. Lorenzo, 2. Marquez, 3. Vinales