Es war einer der großen Aufreger beim Motorrad-GP in Silverstone. Jack Miller bremst auf der regennassen britischen Piste die Vale-Kurve viel zu optimistisch an, kann einen Sturz nicht mehr abfangen, und räumt ausgerechnet seinen eigenen Teamkollegen Cal Crutchlow ab. Anstatt zwei Top-Ergebnisse zu bejubeln - beide Fahrer des LCR-Honda-Teams lagen zum Zeitpunkt des Zwischenfalls in den Top-5 - fuhr das Team mit null Punkten nach Hause.

Der Worst Case, der jeden Teamchef, Teameigner und Teamsponsor binnen Sekunden um Jahre ältern lässt, trat für die italienische Truppe, für die letztes Jahr noch Stefan Bradl im Sattel saß, ein. Dabei lief der Start ins Rennen wie geschmiert für Crutchlow und Miller. Vor allem Miller zeigte eine unfassbare Pace und beendete die erste Runde als Achter - und das von Startplatz 16 kommend! Schon da war Miller direkt hinter Crutchlow platziert. "Ich hatte einen guten Start und einige Jungs aufgeschnupft. In die vordere Gruppe zu kommen war gut, aber ich hatte das Gefühl, meine Pace war besser", berichtet Miller. "Ich habe ein paar Mal versucht, sie zu überholen, aber sie haben jedes Mal wieder auf der Geraden gekontert. Das hat mir die Arbeit erschwert. "

Jack Miller lobte die Arbeit seines Teams in Silverstone, Foto: Tobias Linke
Jack Miller lobte die Arbeit seines Teams in Silverstone, Foto: Tobias Linke

Miller bewertet Silverstone-Wochenende positiv

Gemeinsam kämpften sich die Beiden nach vorne, lagen am Ende der zweiten Runde schon in den Top-6 und konnten im Verlauf der dritten Runde auch Pol Espargaro hinter sich lassen. In der Anbremszone zur Vale-Kurve kam es zur folgenschweren Kollision, als Miller in seinem Übereifer seinen Bremspunkt viel zu spät wählte und Crutchlow keine Chance mehr hatte, auszuweichen. "Ich habe nicht mal versucht, ihn zu überholen", beschwichtigt Miller. "Es ist einfach eine sehr enge Kurve und die Bedingungen waren schwierig, und ich habe so gut es geht versucht, das Bike abzubremsen, aber ich hatte einen kleinen Moment. Zuerst muss ich sorry an Cal sagen. Das ist ein Desaster, ich wollte das überhaupt nicht."

Nach dem Rennen war Miller doch ziemlich geknickt. "Ich war wirklich zufrieden damit, wie alles gelaufen ist, hatte eine großartige Pace. Es ging nur darum, an den Jungs vorbei zu kommen und ein bisschen freie Strecke zu kriegen. Als ich an Cal vorbei bin, hat er mich auf der Geraden wieder überholt und ich ihn in den Kurven, und beim Bremsen in die Schikane bin ich dann ins Schlingern geraten. Wir haben uns die Daten angeschaut und ich war nicht schneller als vorher und Cal war halt einfach da und konnte nichts machen. Ich habe noch versucht, es zu retten, und dabei die Front blockiert, es ging sich leider nicht mehr aus", gab der Australier zu Protokoll. Für die leichtfertige Kollision wurde Miller nach dem Rennen auch mit einem Strafpunkt von der Rennleitung bedacht.

Crutchlow trauert Top-Ergebnis nach

Cal Crutchlow machte sich Hoffnungen auf ein ähnliches Resultat wie in Argentinien, Foto: Bridgestone
Cal Crutchlow machte sich Hoffnungen auf ein ähnliches Resultat wie in Argentinien, Foto: Bridgestone

Während Miller das Rennen mit dem Crash beenden musste, schaffte es Crutchlow nochmal zurück an die Box, um auf das Ersatzbike zu wechseln. Doch schon kurze Zeit später lag Crutchlow erneut in den Auslaufzonen des Silverstone Circuits. "Ganz ehrlich, als ich nach dem zweiten Crash zurück in die Box gefahren bin, war ich nicht verärgert, sondern enttäuscht und angepisst. Aber ich war nicht verärgert wegen Jack. Das ist Racing", relativiert Crutchlow. Für seinen peinlich anmutenden zweiten Sturz im Rennen gibt es allerdings eine plausible Erklärung: "Das Ersatzbike war mit einem Trocken-Setup ausgestattet. Ehrlich gesagt, als ich gestürzt bin und mir das Bike angeschaut habe, dachte ich, es wären Slicks drauf. Aber die Reifenwärmer wurden einfach von der Sekunde meines ersten Crashs an entfernt, denn mein Team hat gedacht ich würde zurückkommen, und das hat zwei oder drei Minuten gedauert."

Vor allem die Möglichkeit, nach Argentinien den zweiten Podestplatz in dieser Saison einfahren zu können, lässt Crutchlow etwas wehmütig werden: "Ich hätte mit den Siegern ins Ziel kommen können. Ich weiß, das sagt sich im Nachhinein so leicht, aber ich bin aus dem Rennen gerissen worden, hatte aber ein großartiges Gefühl mit dem Bike. Auch heute Morgen hatte ich ein gutes Gefühl, habe auch nie zu stark gepusht."

Bleibt noch die Frage, ob es teamintern nach dem Crash böses Blut gibt, aber diesen Spekulationen schiebt Crutchlow einen Riegel vor. "Ehrlich gesagt, habe ich mir gedacht, als ich getroffen wurde: Bitte nicht Jack! Ich wollte wirklich nicht, dass er es ist. Wenn es jemand anderes gewesen wäre, hätte ich mich mit ihm ja im Kiesbett auseinander setzen können", so Crutchlow in seinem typisch britischem, schwarzem Humor.