Ja, klar. Niki Lauda war da. Und hat die MotoGP im Vergleich zu seinem eigentlichen Betätigungsfeld Formel 1 über den grünen Klee gelobt. Gut. Sogar sehr gut. Für die MotoGP-Szene. Aber nicht nur Niki Lauda war da. Sondern eine Viertelmillion Fans. Neuer Zuschauer Rekord. Klasse. Aber warum merkt das in Deutschland eigentlich außer uns Fans keiner? Der beste Motorsport der Welt ist nämlich gerade auf dem besten Level aller Zeiten angekommen. Siehe die Begeisterung bei Niki Lauda. Oder bei den Fans. Aber der Rest? Fehlanzeige. Tageszeitungen? Ein paar kümmerliche Zeilen. Ohne Fotos oder irgendwelche Emotionen. TV? Ja, der übertragende Sportsender. Ansonsten eher wenig bis nix über die MotoGP. Kaum zu glauben, aber wahr. Sponsoren aus Deutschland? Ja, ein paar wenige, die verstanden haben, dass unter dem Label MotoGP gerade die beste Motorsportshow der Welt droht, im Eilzugtempo an Deutschland vorbei zu fahren. Was mich persönlich schon seit 20 Jahren einfach nur aufregt. Die Emotionen, welche die MotoGP auslöst, sind nämlich einmalig in der Sportlandschaft des Jahres 2015. Wofür es unzählige Beispiele gibt. Und eben nicht nur Niki Lauda.

Ein anderes am Wochenende erlebtes gefällig? Gerne. Kein Problem. Die meisten Leser werden den Namen Paul Schlotmann nicht kennen. Tut auch nichts zur Sache. Der Herr ist Teammanager bei Project 1, dem erfolgreichsten Porsche-Cup-Team aller Zeiten. Um das einordnen zu können, müssen die Leser wissen, dass Paul Benzin im Blut hat, seit Jahrzehnten alle Rennstrecken der Welt kennt und glaubt im Rennsport schon alles gesehen zu haben. Das stimmt auch, aber eben nur in der Motorsport-Welt mit vier Rädern. Paul Schlotmann ist eine Seele von Mensch, der sich aber aufgrund seiner Tätigkeit im Autorennsport, mit all seinen politischen Verwicklungen, einen Schutzpanzer zugelegt hat. Wenn er den trägt - an Rennstrecken immer - wirkt er auf Menschen, die Ihn nicht kennen, knurrig. Oder biestig. Man könnte auch sagen, der Typ geht zum Lachen in den Keller. Der MotoGP aber ist es innerhalb von 24 Stunden gelungen, Paul Schlotmann aus dem Rennstreckenkeller hervor zu holen. Erster Kommentar: "Fahrerlager. Total chaotisch". Zweiter Kommentar: "Total chaotisch, aber funktioniert auch. Und die Nähe zum Publikum. Klasse. Müssten wir in der Formel 1 und DTM auch machen".

Valentino Rossi beeindruckte Cara von Z., Foto: Cara von Z.
Valentino Rossi beeindruckte Cara von Z., Foto: Cara von Z.

Trotzdem Skepsis beim Autor dieser Zeilen, ob es wirklich eine gute Idee war, diesen erfahrenen Motorsport-Haudegen nach Brünn zu locken. Dann raus an die Strecke, begleitet von ein wenig Skepsis. Aber nur kurz. Denn wenn einer wie Paul Schlotmann, bei 40 Grad im Schatten, darum bittet, die Strecke zu Fuß abgehen zu dürfen, dann scheint Begeisterung geweckt. Und genau so war es. Schwer beindruckend, unfassbar, einfach nur geil. Paul Schlotmann lacht bei Tageslicht und in aller Öffentlichkeit. MotoGP macht eben glücklich. Und locker. Die Verrückheiten auf dem Bike von Marc Marquez, die Präzision von Jorge Lorenzo und das Charisma eines Valentino Rossi können einen nicht kalt lassen. Aber der Deutsche an sich ist halt schwer zu knacken. Nicht nur Paul Schlotmann.

Aber wer mal direkt daneben gestanden hat, wenn Valentino Rossi in der Startaufstellung neben seinem Bike hockend, das Zwiegespräch mit seiner M1 suchend, offenbar von der Welt losgelöst, seinen Rennplan mit dem Bike bespricht, der kann nur begeistert sein. Cara von Z., MotoGP-Touristin aus dem Emsland hatte am Wochenende dieses Glück. Bekam einen Gridsticker geschenkt und ist spätestens jetzt völlig in die MotoGP-Welt eingetaucht. MotoGP macht glücklich.

Diese Emotionen in Deutschland zu vermitteln ist manchmal schwer. Vielleicht sind wir zu emotionslos und sachlich. Glas voll oder halb leer, ein echt deutsches Problem. Das Rennen war ja nach Meinung der meisten Fans langweilig. Stimmt, es wurde nicht viel überholt. Aber dieses Präzisionsduell auf höchstem Niveau zwischen Lorenzo und Marquez als langweilig zu bezeichnen, ist schon ganz schön Deutsch. Und fast unverschämt. Oder glaubt irgendjemand, dass Lorenzo bei seinem unglaublichen Sieg auch nur eine Sekunde entspannen konnte? Und keine Sorge, es werden auch wieder Duelle mit Fights bis zur letzten Kurve kommen. Denn die WM in der MotoGP fängt nach Brünn eigentlich bei null wieder an. Und MotoGP macht auch deshalb glücklich, weil es neben der Königsklasse noch die Moto2 und die Moto3 gibt.

Lorenzo und Marquez zeigten fehlerfreie Rennen, Foto: Milagro
Lorenzo und Marquez zeigten fehlerfreie Rennen, Foto: Milagro

Noch ein Beispiel für die Emotionen die Moto GP auslösen kann. Tomas Babek ist ein weiterer Name, der dem MotoGP-Fan und Leser dieser Zeilen gänzlich unbekannt sein dürfte. Aber der Junge ist in Brünn geboren und ein Weltklasse-Bahnradfahrer. Diverse Weltmeisterschaften und vor allen Dingen Teilnahmen an Olympischen Spielen für die Tschechische Republik zeugen davon, dass dieser Topathlet wissen könnte, um was es in der Welt des Sports so geht. Und er kennt die Probleme von Sportlern, die nicht so im Fokus stehen, wie die Top-Fußballer und die Multimillionäre der Formel 1. Babek war noch nie bei einem MotoGP-Rennen in seiner Heimatstadt. Nicht weil es ihn nicht interessiert. Im Gegenteil, sondern weil er schüchtern und zurückhaltend ist. Und Radsportler in der Tschechischen Republik genauso schlecht vermarktet werden, wie MotoGP-Fahrer in Deutschland. Der Autor dieser Zeilen konnte helfen. Im Januar beim Bremer Sechstagerennen - Babek startet dort wohl auch 2016 wieder - gab es das Versprechen für Babek, Tickets zu besorgen. Kein Problem. Für einen Olympia Teilnehmer gerne.

Das Problem ist nur, dass der gute Tomas gerade um die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Rio kämpft. Was knüppelharte Trainingseinheiten, manchmal drei am Tag, auf der Betonbahn in Brünn bedeutet. Also war ein Besuch am Freitag schon mal nicht möglich. Am Samstag aber gelang es eine Stunde an die Rennstrecke zu kommen. Und was war das Ergebniss? Training und Rio hin oder her. Nach einem intensiven Gespräch mit seinem Coach war Babek am Sonntagmorgen um 8 Uhr im Fahrerlager. MotoGP macht nicht nur glücklich. MotoGP funktioniert auch als Reha-Maßnahme. Zweirad-Action statt Massage und Pflege, wie die Radsportler ihre freien Tage nennen. Wenn man bei Olympia für sein Land angetreten ist, sollte man eigentlich nicht mehr so leicht zu beindrucken sein. Aber denkste. Ein Tag MotoGP hat ausgereicht, dass ein solch erfahrener Sportler nie wieder ein Rennen in Brünn verpassen wird. Und das ist schön zu beobachten. Tomas Babek war sofort Fan von Stefan Bradl. Weil er weiß wie das ist, wenn man alles gibt, aber trotzdem nur auf Platz elf einläuft, wie Babek bei den Olympischen Spielen in Peking. Für ihn war der Platz 14 des deutschen Aprilia-Fahrers ein Erfolg und eine großartige Leistung.

Babek war von der MotoGP fasziniert, Foto: Edgar Mielke
Babek war von der MotoGP fasziniert, Foto: Edgar Mielke

Bei den deutschen Fans wäre Stefan Bradl solch ein Standing ja oftmals auch zu wünschen. Auch wenn Bradl kein Sunnyboy wie Valentino Rossi ist, auch wenn die Nummer 6 kein Trainingsmonster wie sein Kollege Bautista werden wird, auch wenn er manchmal etwas freundlicher sein könnte. Der Bursche ist Weltmeister. Und Weltklasse. Menschen wie Niki Lauda, Paul Schlotmann und Tomas Babek haben das verstanden. Und transportieren dies zum Glück weiter. Und das ist wichtig. Denn wir MotoGP-Journalisten, Fans, Fahrer, Teammanager und alle anderen die damit zu tun haben, können mit diesen Emotionen dafür sorgen, dass der Sport endlich auch in Deutschland den Stellenwert bekommt, den er verdient. Indem wir es erzählen. Indem wir dran glauben und es weiter tragen.

Vielleicht gibt es ja irgendwann mal jemand, der schlau genug ist und ein rein Deutsches Team gründet. Wie damals mit Jürgen Fuchs und Ralf Waldmann. Der Doppelsieg 1997 in Assen wird einer der emotionalsten Tage in meinem Leben bleiben. Für immer. Und möglich wäre so etwas. Das wäre ein Traum. Und auch eine nette Möglichkeit, in Deutschland so etwas wie Euphorie zu entfachen. Das Racing Team Germany, Terrel Thien mit dem Schedl Racing Team, die Kiefer Brüder und vor allen Dingen Dynavolt Intact GP sind aber leider die einzigen, die dies verstanden haben. Hoffentlich können wenigstens die so professionell weiter machen. Denn MotoGP kann auch Sponsoren glücklich machen. Und zwar mit Leichtigkeit.

Niki Lauda, Paul Schlotmann und Tomas Babek würden diese These jederzeit unterschreiben.