MotoGP, Mugello, Motorsport-Leckerbissen! Auch Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene kam bei seinem "Seitensprung" aus der Formel 1 nicht mehr aus dem Staunen heraus. Viele Protagonisten trugen am vergangenen Sonntag zur spektakulären Show bei - ebenso wie die knapp 100.000 verrückten Tifosi rund um die Strecke.

Der Oscar für den besten Hauptdarsteller ging dabei einmal mehr an Jorge Lorenzo. Der Yamaha-Superstar untermauerte mit seinem beeindruckenden Start-Ziel-Sieg seine aktuelle Vormachtstellung, triumphierte bereits zum dritten Mal in Serie. Valentino Rossi teilte sich gemeinsam mit Weltmeister Marc Marquez die Auszeichnung für die spektakulärste Aufholjagd, brachte die Menge mit Platz drei regelrecht zum Kochen.

Die Tapferkeitsmedaille verdiente sich Ducati-Pilot Andrea Iannone, der sich trotz Schulterverletzung auf Platz zwei kämpfte. Während Marquez und auch Andrea Dovizioso durch ihre Ausfälle die Rollen der tragischen Helden einnahmen, krönte sich Repsol-Honda-Pilot Dani Pedrosa mit Platz vier zum Comebacker der Saison. Motorsport-Magazin.com rollt das Feuerwerk von Mugello noch einmal für euch auf und liefert wie gewohnt alle Zahlen und Fakten.

Marquez fliegt mit Wut im Bauch

Nach verkorkstem Qualifikations-Samstag und Startplatz 13 hatten sich die Sieghoffnungen Marquez' bereits um ein Vielfaches reduziert. Der Weltmeister war sich der Tatsache bewusst, dass Lorenzo bei freier Fahrt an der Spitze schnell außer Reichweite gelangen würde. Die Hoffnung ruhte für Marquez so nicht nur auf einem eigenen Blitzstart, sondern ebenso auf einer frühen Führung für Ducati.

Der spektakuläre Rennbeginn entwickelte sich dann auch genau nach Vorstellung des Superstars. Dovizioso preschte von Startplatz drei umgehend an die Spitze, Pole-Setter Iannone hielt seine Position vor Lorenzo und bog als Zweiter in die erste Kurve ein. Mit enormem Risiko tankte sich Marquez bereits im ersten Knick auf Rang sechs nach vorne, überholte dabei umgehend auch Rossi und Pedrosa.

Der Start in Mugello brachte bereits mächtig Action, Foto: Yamaha
Der Start in Mugello brachte bereits mächtig Action, Foto: Yamaha

Noch im Verlauf der ersten Runde ging Marquez nacheinander an Pol Espargaro, Bradley Smith und Iannone vorbei, lag beim ersten Überfahren von Start-und-Ziel so bereits auf Rang drei. Lorenzo war zwar unterdessen an beiden Ducatis vorbeigegangen, jedoch hatte es Marquez nun weitestgehend selbst in der Hand, den Yamaha-Star an der Spitze nicht enteilen zu lassen.

Bereits am Ende von Runde drei klebte der Weltmeister seinem Landsmann dann schon am Hinterrad (+0,1 Sekunden) - das gigantische Defizit der schlechten Startposition hatte Marquez durch seine irre Aufholjagd im Handumdrehen wettgemacht. Knapp hinter den beiden Spaniern hielten sich in der Anfangsphase die beiden Werks-Ducatis. Pedrosa als Sechster und Rossi als Neunter hatten nach dem dritten Umlauf bereits Hypotheken von 2,0 respektive 3,5 Sekunden auf die Spitze angehäuft.

Genug der Spielchen: Lorenzo holt den Hammer raus

Die Hoffnung auf ein packendes Duell an der Spitze zwischen Marquez und Lorenzo zerschlugen sich dann jedoch bereits in Runde vier. Da der Repsol-Honda-Star seinen Landsmann nicht überholen und somit einbremsen konnte, schaltete dieser in den Überschallmodus. Runde um Runde setzte sich Lorenzo mit halsbrecherischer Pace von seinen Verfolgern ab - Marquez fiel seinerseits im sechsten Umlauf gar wieder hinter Dovizioso zurück. Die folgende Tabelle zeigt die schier unglaubliche Dominanz Lorenzos, der seinen Vorsprung mit Sieben-Meilen-Stiefeln ausbaute.

RundeZweitplatzierterAbstand zu Lorenzo (in Sekunden)
3Marquez0,1
4Marquez0,4
5Marquez1,0
6Dovizioso2,0
7Dovizioso2,9
8Dovizioso3,1
9Dovizioso4,3
10Iannone5,1
11Iannone5,4
12Iannone6,1
13Iannone6,7
14Iannone7,2
15Iannone7,5
16Iannone8,0
17Iannone8,4
18Iannone8,4

Bis zu Runde 18 von 23 häufte Lorenzo an der Spitze immer mehr an Vorsprung an, lag maximal 8,423 Sekunden voran. Auf den letzten fünf Schleifen nahm der Dominator dann jedoch etwas Gas raus, segelte ohne großes Risiko mit letztlich noch knapp 5,6 Sekunden Vorsprung zum Sieg.

Jorge Lorenzo feierte seinen Sieg wie gewohnt mit Flagge, Foto: Yamaha
Jorge Lorenzo feierte seinen Sieg wie gewohnt mit Flagge, Foto: Yamaha

Spannung und Dramatik hinter der Spitze

Das Salz in der Suppe des Italien-GP war zweifelsohne der zeitweise spektakuläre Vierkampf zwischen Ducati und Repsol Honda, garniert mit der irren Aufholjagd Rossis. Pedrosa musste sich - nach einmal mehr schwachem Start - während der Anfangsphase in der Gruppe der stärksten Satellitenbikes behaupten. Von Platz acht ins Rennen gegangen, benötigte der Katalane vier Runden, um sich auf Rang fünf nach vorne zu kämpfen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er jedoch bereits über 1,5 Sekunden an Rückstand auf das Kampf-Trio Marquez, Dovizioso und Iannone angehäuft.

In der Folge profitierte Pedrosa jedoch auch vom permanenten Gemenge der Piloten vor ihm, fuhr mit konstant schnellen Runden die Lücke binnen vier Umläufen komplett zu. Das folgende Schaubild demonstriert den deutlichen Geschwindigkeitsüberschuss Pedrosas gegenüber der Kampfgruppe vor ihm. Vor allem ab Runde fünf wird sein Vorteil der freien Fahrt deutlich (grüne Linie).

Fast noch mehr zeigte die scheinbar spielend leichte Aufholjagd jedoch, dass Pedrosa auch physisch und fahrerisch wieder näher an seine Bestform herangerückt ist. Dass der kleine Katalane auch in der Folge problemlos das Tempo der drei Top-Piloten vor ihm mitgehen konnte, spricht definitiv für einen positiven Heilungs- und Entwicklungsprozess nach seiner komplexen Armpump-Operation Anfang April.

Defektes Ritzel stoppt Dovizioso

Dovizioso hatte wie auch die meisten anderen Top-Piloten mit Problemen während des Rennens zu kämpfen. Anders als bei Iannone und Pedrosa waren seine jedoch mechanischer Art. Möglicherweise durch seinen Sturz im Warm-Up bedingt machte dem Italiener ab Runde vier ein defektes Antriebsritzel zu schaffen.

Dovizioso verlor immer mehr an Pace, hielt sich jedoch kämpferisch noch zehn Runden im harten Podiums-Kampf. In Runde 14 steuerte er dann jedoch aus Sicherheitsgründen die Box an - schied folglich aus dem Rennen aus. Bis zu diesem Zeitpunkt war der WM-Dritte binnen vier Umläufen hinter Iannone, Marquez, Pedrosa und Rossi zurückgefallen. Das folgende Schaubild verdeutlicht eindrucksvoll den Leistungsabfall von Doviziosos Ducati - auch im Vergleich zum Teamkollegen.

Marquez für zu viel Risiko bestraft

Nach seiner gigantischen Aufholjagd in den ersten drei Runden fand sich Marquez bis zu seinem Ausfall in Runde 18 in einem permanenten Duell mit mindestens einer Ducati wieder. Da auf der extrem langen Start-und-Zielgeraden trotz Windschattens aufgrund des überlegenen Topspeeds und der stärkeren Beschleunigung der Desmosdici GP15 nicht an ein überholen zu denken war, sah sich Marquez gezwungen, sein Glück in den Kurven zu versuchen. Auch aus diesem Grund hatte der Superstar als einziger Fahrer in der Spitzengruppe den harten Vorderreifen aufgezogen, der im Vergleich zur Medium-Variante eine größe Bremsstabilität ermöglichte.

Marc Marquez kämpfte vergeblich gegen seinen Sturz an, Foto: Tobias Linke
Marc Marquez kämpfte vergeblich gegen seinen Sturz an, Foto: Tobias Linke

Die enorme Stärke der Honda RC213V auf der Bremse und im Kurveneingang scheint jedoch bereits seit Wochen verloren gegangen. Kurzzeitig schob sich Marquez zwar immer wieder auf Rang zwei nach vorne, wurde jedoch stets von den Ducatis ausbeschleunigt. Zum Zeitpunkt des Sturzes war der Sieg bereits längst außerhalb Marquez' Reichweite. Der Superstar verlor trotz Doviziosos Ausfall im Kampf um Platz zwei die Geduld, ließ sich im knallharten Duell mit Iannone so in einen mit Blick auf die Gesamtwertung sehr kostspieligen Fehler treiben.

"Ich hatte am Kurveneingang große Rutscher und keine Unterstützung des Hinterrads", schilderte Marquez seine Schwierigkeiten während des Rennens. "Ich musste somit permanent über das Vorderrad pushen und auch bremsen. Als schließlich auch der Vorderreifen zu rutschen begann, hatte ich realistisch betrachtet keine Chance mehr. Ich habe dennoch weiter zu 100 Prozent über das Vorderrad gepusht, was mir schließlich zum Verhängnis wurde."

Rossi verdirbt Pedrosa das Podium

Spätestens nach Marquez' Ausfall schien Platz zwei für den nach wie vor wie entfesselt fahrenden Iannone gebucht. Dahinter fanden sich jedoch auf einmal Pedrosa und Rossi im Kampf um das Podium wieder. Nach einem mauen Start von Rang acht fuhr der "Doktor" ausgerechnet beim Heimspiel vier Runden lang nur auf Rang neun, ehe er einmal mehr eine beeindruckende Aufholjagd startete.

Erst in Umlauf neun hatte sich Rossi an Pol Espargaro, Smith und Crutchlow vorbeigekämpft, lag kurz vor der Hälfte des Rennens jedoch bereits 2,8 Sekunden hinter dem fünftplatzierten Pedrosa zurück. Angesichts der soliden Pace der ersten Verfolger-Gruppe schien das Podium für Rossi bereits außer Reichweite. In der Folge legte der Lokalmatador - auch angetrieben von den frenetischen Tifosi - jedoch ein weiteres Mal eine seiner mittlerweile standardisierten Aufholjagden hin.

Dani Pedrosa verpasste sein erstes Podium der Saison nur knapp, Foto: Repsol Honda
Dani Pedrosa verpasste sein erstes Podium der Saison nur knapp, Foto: Repsol Honda

Zehntel um Zehntel knabberte Rossi vom Rückstand auf Pedrosa ab, ehe er den Spanier nur wenige Kurven nach Marquez' Ausfall in Runde 18 passierte. Pedrosa biss sich zwar noch zwei Umläufe an Rossis Hinterrad fest, musste der überlegenen Rennpace des WM-Leaders jedoch letztlich nachgeben. Das folgende Schaubild zeigt, wie stark Rossi vor allem gegen Ende des Grand Prix' unterwegs war.

In den letzten drei Umläufen wagte Rossi dann sogar noch den Angriff auf Iannone, dieser hielt mit Top-Runden in Serie den Vorsprung von knapp unter einer Sekunde allerdings konstant. Lorenzo, Iannone und Rossi belohnten sich für ihre spektakulären Leistungen letztlich mit der Schampus-Dusche, während sich Pedrosa trotz Rang vier als heimlicher Sieger fühlen durfte.

Redaktionskommentar:

Motorsport-Magazin.com meint: Ein absoluter Klassiker. Die MotoGP ist derzeit einfach Spektakel pur, vor allem, da mit Pedrosa nun sogar ein sechster Fahrer wieder in den Kampf um Podien und vielleicht auch Siege eingreifen kann. Alleine der Vierkampf um die Podestplätze zwischen den Hondas und Ducatis war das Eintrittsgeld wert, wie auch die Startphase von Marquez und die Aufholjagd Rossis. Momentan deutet alles auf einen spektakulären WM-Zweikampf der Yamaha-Stars hin. Allerdings wird auch Rossi schnell einen Weg finden müssen, den überirdischen Lorenzo einzufangen. Ob Marquez noch einmal in den WM-Kampf eingreifen kann, darf derzeit bezweifelt werden. Denn eines ist klar: Repsol Honda hat deutlich größere Schwierigkeiten, als ihnen lieb sein dürfte. Obwohl erst ein Drittel der Saison vorbei ist, rennt den Weltmeistern langsam die Zeit davon... (Samy Abdel Aal).