Einen derart schlechten Start, wie ihn Andrea Iannone im Grand Prix von Spanien hingelegt hat, sieht man bei den Vollprofis der MotoGP nur ganz selten. Der Italiener kam überhaupt nicht von der Linie und fiel von Startplatz drei bis auf den elften Rang zurück. Allerdings hatte er den Start nicht einfach klassisch verpasst. Ihm war ein ungewöhnlicher Fehler passiert. Er verirrte sich in den diversen Elektronikeinstellungen seiner Ducati Desmosedici GP15, was ihm nicht nur den Start, sondern das ganze Rennen vermasselte. Motorsport-Magazin.com weiß, wie es zu Iannones völlig verkorkstem Jerez-Sonntag kommen konnte.

Welchen Fehler machte Iannone?

Vor dem Rennstart betätigen die MotoGP-Piloten an ihren Motorräder die Launch-Control, welche die Drehzahl im idealen Bereich hält und so zusammen mit der Traktionskontrolle, die ein Durchdrehen des Hinterrades verhindert und dem Anti-Wheelie-System, das ein Abheben des Vorderrades unterbindet, für einen idealen Start sorgt. Diese Launch-Control wird über einen Knopf an der linken Seite des Lenkers betätigt. Ducati verwendet hier ein Bedienelement von Magneti Marelli, wie es auch bei allen Open-Maschinen der Königsklasse zum Einsatz kommt. Dieses bietet neben der Launch-Control aber noch zahlreiche andere Funktionen.

Links im Bild die fünf farbigen Knöpfe für Elektronikeinstellungen, Foto: Ducati
Links im Bild die fünf farbigen Knöpfe für Elektronikeinstellungen, Foto: Ducati

Der blaue Knopf aktiviert die Launch-Control, hätte also von Iannone vor dem Start gedrückt werden sollen. Er betätigte den gelben Knopf direkt darunter, doch der ermöglicht das Umschalten zwischen Trocken- und Regensetup. Eine Einstellung, die eigentlich nur Mechaniker vornehmen und nie vom Piloten durchgeführt wird. Drückt man den Knopf für die Launch-Control, erscheint auf dem Display des Motorrads ein kurzer Hinweis. Dieser kam bei Iannone klarerweise nicht, weshalb er weiterhin auf dem falschen Knopf blieb, was nach fünf Sekunden eben zum Wechsel auf das Regen-Setup führte. Somit misslang ihm der Start völlig und er musste das gesamte Rennen mit dem falschen Setup bestreiten.

Wieso änderte er das Setup nicht wieder?

Ein Wechsel zurück vom Regen- auf das Trocken-Setup ist für den Fahrer während eines Rennens kaum möglich. Das wurde bei der Entwicklung des Systems ganz bewusst so gemacht, um ein versehentliches Umschalten zu verhindern. "Wenn du von Regen- auf Trocken-Setup wechselst, wirst du nämlich im hohen Bogen durch die Luft geschleudert", erklärt Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti. Die Fahrer können also im Grand Prix nur zwischen den unterschiedlichen Abstufungen des Trocken- beziehungsweise Regen-Setups wechseln. Auch Iannone selbst sah keine Chance, sein Setup wieder richtigzustellen: "Wenn man vor dem Start steht ist es ganz einfach, aber während dem Fahren geht es einfach nicht. Dafür ist die Menüführung zu kompliziert."

Während seiner Aufholjagd konnte Iannone nicht umschalten, Foto: Tobias Linke
Während seiner Aufholjagd konnte Iannone nicht umschalten, Foto: Tobias Linke

Welche Probleme ergeben sich durch das Regen-Setup?

Das Regen-Setup ist klarerweise auf Regenreifen abgestimmt, die sich vor allem durch ihre Dimensionen und das Profil von den dieses Mal im Spanien-GP verwendeten Slicks unterscheidet. Außerdem reagieren bei dieser Setupvariante auch die Traktionskontrolle und andere elektronische Hilfen ganz anders. "Dadurch wird einfach alles umgestellt", seufzte Andrea Iannone nach dem Rennen. "Es war ein Desaster. Vor allem die ersten drei Runden waren extrem schwierig, weil ich überhaupt keine Traktion hatte."

Wie konnte sich Iannone in der Schlussphase dennoch nach vorne kämpfen?

Zum Glück des Ducati-Piloten verfügt moderne MotoGP-Software über einen Selbstlernmodus. Bemerkt das Programm also, dass irgendetwas völlig falsch eingestellt ist, passt es sich mit der Zeit in Richtung der theoretisch idealen Abstimmung an. So veränderte sich Iannone Regen-Setup mit Fortdauer des Rennens mehr in Richtung der geplanten Trocken-Variante. "Es ist immer besser geworden", bestätigt er selbst. So konnte Iannone immerhin noch auf Platz sechs vorfahren. Ein vollwertiger Ersatz für die Mühen von Fahrer und Crew kann die Selbstlernfunktion allerdings nie sein, wie Sportdirektor Ciabatti betont: "Wenn es so einfach wäre, würden wir nicht so viel Zeit in die Abstimmungsarbeit investieren."

Das von Iannone und seinen Ingenieuren ausgearbeitete Setup war umsonst, Foto: Ducati
Das von Iannone und seinen Ingenieuren ausgearbeitete Setup war umsonst, Foto: Ducati

Was wäre für Iannone ohne seinen Fehler möglich gewesen?

Die Frage nach dem 'Was wäre wenn...' lässt sich natürlich nie eindeutig beantworten. Andrea Iannone hätte aber zumindest sehr gute Chancen auf ein Spitzenresultat in Jerez gehabt. Dass er an diesem Wochenende über eine ausgezeichnete Pace verfügte, zeigte er sowohl mit der Bestzeit im vierten Freien Training als auch Platz drei im Qualifying. Am Rennende fehlten ihm als Sechster trotz aller Missgeschicke nur gut vier Sekunden auf den viertplatzierten Cal Crutchlow. Diese Position hätte Iannone im Normalfall also wohl mindestens erreicht, er selbst hätte sich sogar mehr zugetraut: "Höchstwahrscheinlich hätte ich mit Marc und Vale um das Podium gekämpft."