"Ich liebe die TT. Nicht nur, weil ich auf der Isle of Man lebe, sondern auch weil ich eine große Leidenschaft für die Rennen auf der Straße habe. Ich liebe die Atmosphäre, das Adrenalin und ich denke, für die Fahrer ist es unglaublich, Teil davon zu sein. Ich kann mir vorstellen, dass es eine fantastische Erfahrung ist", schwärmt Cal Crutchlow.

"Es ist das beste Rennen auf der Welt, liefert dir den besten Nervenkitzel. Besonders für die Zuschauer ist es einfach wundervoll anzusehen", sagt einer, der es wissen muss: John McGuinness.

Die Faszination der Tourist Trophy auf der britischen Isle of Man ist kaum zu beschreiben. Wahre Leidenschaft für Motorradrennsport, Adrenalin, Gänsehaut - das sind nur einige Worte, die TT-Fans mit strahlenden Augen nutzen, um das älteste Motorradrennen der Welt zu beschreiben. "Ich denke, es ist einfach etwas anderes, etwas ganz anderes als der 'normale' Rennsport. Der Fakt, dass die Piloten dort überall mit Vollgas fahren und an den Häusern vorbeirasen, macht es schon zu etwas Besonderem. Viele Fahrer, die in England aufwachsen, träumen von der Isle of Man wie ich von der GP. Für sie ist es eine andere Lebensart. Für viele junge Fahrer in Großbritannien ist die TT die Welt", erklärt Sam Lowes.

242 Todesopfer in gut 100 Jahren

Die Begeisterung für die TT ist vielfach ungebrochen. Doch gleichzeitig gilt das Event seit 1907 als das gefährlichste und umstrittenste Rennereignis weltweit. Nach den Rennen in diesem Jahr ist die Liste der Opfer seit 1911 bereits auf 242 angestiegen. Bob Price und Karl Harris ließen 2014 ihr Leben. "Natürlich ist die Isle of Man gefährlich, wenn man sie mit den Rennen auf der Strecke vergleicht", meint Bradley Smith. "Aber die TT hat eine außergewöhnliche Atmosphäre, nicht zuletzt, weil die Fans extrem nah dran sein können. Ich genieße es, dort zu sein, aufgrund der Atmosphäre und der Leidenschaft der Fans - der Leidenschaft für den Motorsport."

Moto2-Pilot Lowes mag die Rennen auf der Isle of Man ebenso. "Im britischen Rennsport gibt es zahlreiche Fans und ich bin dort aufgewachsen. Für mich ist es aber auch nicht leicht, denn es ist sehr gefährlich. Wenn die Fahrer aber entscheiden, dort zu fahren, müssen wir das meiner Meinung nach respektieren. Sie haben definitiv die dickeren Eier", lacht er.

Während alle britischen Fahrer die Begeisterung der TT-Fans teilen, sind Grand-Prix-Fahrer, die nicht aus England kommen, oft anderer Meinung. "Ich sah einige Rennen und Bilder von der Isle of Man, aber ich verfolge es nicht wirklich genau", gibt Mika Kallio zu. "Ich glaube, dass jeder sehen kann, dass es ganz schön gefährlich ist. Jedes Jahr sterben dort Fahrer." Dennoch glaubt der Finne, dass jeder Fahrer, der auf der berühmten Insel startet, genau weiß, worauf er sich einlässt. "Sie kennen die Gefahren. Es ist ihre Entscheidung, dort zu starten."

Cal Crutchlow war schon mehrfach bei der TT zu Gast, Foto: Toni Börner
Cal Crutchlow war schon mehrfach bei der TT zu Gast, Foto: Toni Börner

Smith und Crutchlow fuhren 2014 eine Paraderunde. "Um ehrlich zu sein: Die Strecke ist technisch extrem anspruchsvoll! Die Runde ist etwa 60 Kilometer lang und sie müssen sechs davon fahren und das bei durchschnittlich 240km/h. Viele Leute sagen 'Die sind verrückt!' und natürlich sind sie das ein bisschen, aber die Geschicklichkeit, die Konzentration und die technischen Fähigkeiten dieser Jungs sind Wahnsinn", bewundert Smith die Piloten. "Nun, nachdem ich dort war und alles gesehen habe, habe ich viel mehr Respekt vor diesen Fahrern und allen, die dabei sind. Auf der Isle of Man ist jede Kurve anders, du bewegst das Bike lange Zeit bei Vollgas, das Rennen dauert eine Stunde und 40 Minuten, das ist enorm viel Stress. Dazu ist das Event drei Wochen lang."

Aber ist die Tourist Trophy nun zu gefährlich? Crutchlow ist sich sicher: "Nein. Ich denke, die Fahrer haben die Kontrolle über ihre eigene Wahl. Am Ende haben sie die Wahl, dort zu fahren oder nicht." Der LCR-Honda-Pilot glaubt, dass alle Fahrer, die bei der TT starten, eine extrem starke Leidenschaft besitzen. "Sie lieben die Straße, ansonsten würden sie die Rennen nicht fahren. Genauso ist es bei mir in der MotoGP. Wenn ich hier nicht fahren wollen würde, dann würde ich nicht kommen. Niemand schnappt sie sich und setzt sie aufs Motorrad."

Vor vielen Jahren war auch die MotoGP in der TT integriert. Ein Werksfahrer musste bis 1976 auf der Isle of Man starten. "Ich denke aber, dass die Piloten es trotzdem geliebt haben. Die Fahrer, die es nicht gemocht haben, sind dann eben nicht noch einmal gefahren", so Crutchlow. "Bevor die Leute nicht dort waren und die TT gesehen haben, können sie meiner Meinung nach nichts dazu sagen." Crutchlow sah sich das Spektakel zwar schon oft an, fuhr selbst aber noch nie auf öffentlichen Straßen ein Rennen. "Also kenne ich das Gefühl nicht, das die Fahrer dort haben müssen. Ich glaube aber, dass es fantastisch ist. Ich bin ein großer Unterstützer der Isle of Man TT."

Bruce Anstey hält mit 17 Minuten und 6,682 Sekunden den Streckenrekord, Foto: Toni Börner
Bruce Anstey hält mit 17 Minuten und 6,682 Sekunden den Streckenrekord, Foto: Toni Börner

Crutchlow hat Startverbot

Mit dem Gedanken, selbst bei der TT anzutreten hat der 28-Jährige oft gespielt. "Ich würde fahren, wenn meine Frau mich lassen würde. Das wird aber nie passieren. Ich glaube nicht, dass ich das nötig habe. Ich muss da nichts beweisen, dort fahren und gewinnen. Ich bin jetzt schon drei Mal die Parade-Runde gefahren und es macht so viel Spaß. Ein Teil von mir denkt immer, dass es angsteinflößend ist. Aber genau darum fahren die Piloten dort. Sie genießen den Rausch, das Adrenalin, die Angst. Ich bin dort gefahren. Wenn ich könnte, würde ich, aber das wird mit Sicherheit nicht passieren."

Auch Lowes hat ein striktes Verbot. "Für mich persönlich wäre es zu gefährlich mit den Bikes und allem. Als ich mit dem Rennsport begonnen habe, sagten mir meine Eltern: Du darfst fahren, aber du startest nie bei der TT! Also habe ich eine gute Ausrede." Smith ist hingegen der Meinung, dass es ihm an Erfahrung fehlen würde. "Ich könnte dort nicht fahren. Ich habe diese Fähigkeit nicht. Aber ich sammle Erfahrungen. Ich muss jede Kurve einsehen können, dort geht das nicht. Da fehlt es mir einfach an Talent und Fähigkeit." Kallio hat hingegen gar kein Interesse: "Ich persönlich möchte dort nicht unbedingt fahren. Das überlasse ich gerne den anderen."

Einer dieser Anderen ist John McGuinness. 'Mr. TT' startet seit 1996 auf der legendären Insel und ist heute mit 21 Siegen hinter Joey Dunlop der zweiterfolgreichste Fahrer der Tourist Trophy. Doch wie schätzt er die Gefahr nach 18 Jahren ein. Ist es zu riskant, bei der TT zu starten? "Das ist eine sehr schwierige Frage", gibt er zu. "Natürlich ist es sehr gefährlich und in den vielen Jahren habe ich ziemlich viele Freunde verloren. Ich persönlich denke aber nie über die Gefahren nach. Ich denke nur darüber nach, wie wundervoll es ist, dort zu fahren. Ich denke daran, dass es das längste, älteste Rennen der Welt ist. Wir kennen die Gefahren. Wir sind irgendwie einfach in der Lage, es wegzudenken."

John McGuiness zählt zu den großen Routiniers auf der Isle of Man, Foto: Toni Börner
John McGuiness zählt zu den großen Routiniers auf der Isle of Man, Foto: Toni Börner

Der Brite bestätigt, dass keiner der Teilnehmer Druck hat, zu starten oder gar dazu gezwungen wird. "Es ist keine Weltmeisterschaft mehr, sondern nur ein altes, ikonisches Event. Die Fahrer kommen jedes Jahr dahin und wir denken einfach nicht darüber nach. Sicherlich könnte es uns jederzeit passieren. Aber ich denke nie, dass es zu gefährlich ist. Vielleicht ist man da als Fahrer auch etwas egoistisch", sagt McGuinness, auf den zu Hause Frau und Kinder warten. "Meine Familie kommt damit zurecht. Ich bin nun 25 Jahre lang mit meiner Frau zusammen. Sie war von Anfang an dabei und auch bei der Entscheidung, dass ich die TT fahre. Sie stand immer an meiner Seite."

Seine beiden Kinder seien nichts anderes gewöhnt. "Es ist wirklich schwierig. Ich muss schließlich auch meine Kinder ernähren, denn es ist nicht nur Spaß, sondern auch mein Job. Meine Familie hat nie von mir verlangt, aufzuhören. Sie haben mich immer ermutigt. Ich denke, wenn die Zeit kommt, da ich aufhören werde, ist meine Familie sicher glücklich. Ich bin nicht allzu weit weg von diesem Tag. Schließlich bin ich schon alt", eröffnet er gegenüber Motorsport-Magazin.com schmunzelnd.

"Ich bin jetzt schon lange dabei und habe hohen Respekt. Ich pushe noch immer hart und gehe an mein Limit, aber ich will nicht mehr über mein Limit gehen", erklärt die TT-Legende weiter. McGuinness weiß, dass es bei jeder Isle of Man TT um Leben und Tod geht. Richtig verzichten will dennoch niemand. Kallio meint den Grund zu kennen: "Ich glaube, wir brauchen diese Art von Veranstaltung auf der Welt einfach. Denn die Leute sind aus irgendeinem Grund immer begeistert, wenn es gefährlich wird."

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