Die MotoGP-Weltmeisterschaft gerät zunehmend in die Kontrolle der Hersteller von Energy-Drinks. Der Einstieg von Red Bull als Sponsor im Werksteam von Honda ist nur die neueste Episode im Kampf der Brausehersteller um Einfluss und Werbeflächen. Es ist ein Wettstreit, der an allen möglichen Fronten geführt wird. Nicht weniger als fünf Teams werden ab der kommenden Saison von Energy-Drinks unterstützt beziehungsweise tragen in drei Fällen sogar ihren Namen. Zahlreiche weitere Piloten verfügen über persönliche Verträge mit einem der Brausegiganten. Hinzu kommen gleich fünf Grands Prix, die aktuell einen Energy-Drink als Titelsponsor haben.

Einen derartigen branchenspezifischen Schwerpunkt im Sponsoring der Motorrad-Weltmeisterschaft gab es in der Geschichte erst einmal. In den 80er-, 90er- und frühen 2000er-Jahren dominierte die Tabakindustrie in einem ähnlich hohen Ausmaß wie es aktuell die Brausehersteller tun. Doch dann kam das Verbot der Zigarettenwerbungen und praktisch alle großen Teams standen ohne ihre potentesten Geldgeber dar. Die MotoGP stürzte in eine Krise, die sie selbst heraufbeschworen hatte. Die Tabakproduzenten hatten durch ihre immense Finanzstärke praktisch alle anderen Sponsoren aus der Weltmeisterschaft vertrieben.

"Durch die großen Investitionen wurde überall mehr Geld ausgegeben, sei es für Mechaniker, Reisen oder was auch immer. Alles wurde sehr teuer, aber niemand hat sich beschwert, weil die Zigarettenhersteller bezahlt haben. Und dann waren sie plötzlich weg. Das Geld war weg, aber die Kosten waren die gleichen", erläuterte Tech-3-Teamchef Herve Poncharal, der auch Präsident der Teamvereinigung IRTA ist, in einem Interview mit Motomatters. Es dauerte Jahre, bis sich die MotoGP aus diesem Schlamassel befreien konnte - durch die Unterstützung von Red Bull, Monster, Rockstar, Drive M7, Go&Fun und Co.

Red Bull ist in der MotoGP allgegenwärtig, Foto: Milagro
Red Bull ist in der MotoGP allgegenwärtig, Foto: Milagro

Die Motorrad-Weltmeisterschaft hat sich also wieder mehr oder weniger freiwillig in die extreme Abhängigkeit von einer einzigen Sparte begeben. So lange die Energy-Drink-Hersteller gerne ihr Geld zur Verfügung stellen und es auch dürfen, ist die wirtschaftliche Welt der MotoGP in Ordnung.

Doch wer garantiert den Teams und Promoter Dorna, dass das auf ewige Zeiten der Fall sein wird? In den Anfangszeiten des Tabaksponsorings hätte wohl auch niemand daran gedacht, dass dieses einmal verboten wird. Aufgrund der negativen gesundheitlichen Folgen des Rauchens war es aber schließlich so weit. Nun wurde auch bereits mehrfach in Studien nachgewiesen, dass Energy-Drinks in großen Mengen sehr ungesund sind. Das Bewusstsein unserer Gesellschaft ändert sich. Vielleicht erscheint es uns in 20 Jahren untragbar, bereits Nachwuchspiloten mit Logos von Red Bull, Monster und Konsorten zuzupflastern.

Kehren Monster und Co. der MotoGP irgendwann den Rücken?, Foto: Milagro
Kehren Monster und Co. der MotoGP irgendwann den Rücken?, Foto: Milagro

Die Sache mit der Moral

Tatsächlich muss man sich fragen, ob es moralisch unbedenklich ist, Piloten im Alter von zwölf oder 13 Jahren in diversen Nachwuchskategorien von Kopf bis Fuß in Outfits der großen Energy-Drink-Hersteller zu stecken. Alkohol und Zigaretten sind für Menschen in diesem Alter nicht geeignet, darum würde wohl auch niemand auf die Idee kommen, einen derartigen Sponsordeal einzufädeln. Auch Energy-Drinks sollten Kinder nicht trinken, dennoch scheint das in diesem Fall niemanden zu stören.

2005 war Tabaksponsoring noch allgegenwärtig, Foto: Ducati
2005 war Tabaksponsoring noch allgegenwärtig, Foto: Ducati

Die Motorrad-Weltmeisterschaft steht mit diesem Dilemma nicht alleine da, auch andere Sportarten befinden sich in ähnlichen Situationen. Praktisch die gesamte Welt des Action- und Funsports wird von Brauseherstellern überflutet. Unter den davon ebenfalls betroffenen Snowboardern regt sich allerdings bereits Widerstand. Zwei aktive Profis verzichteten auf das große Geld der Energy-Drink-Firmen und gründeten "Drink Water" - eine Institution, die jungen Fans des Sports zeigen soll, dass man nicht Unmengen an Koffein und Zucker in sich schütten muss, um an die Weltspitze zu kommen oder cool zu sein. In der Vergangenheit hatten Motorrad-Piloten schon Bedenken, für Zigaretten zu werben. Bekommt die MotoGP bald ihr eigenes "Drink Water"?