Teamorder: Was in der Formel 1 offen praktiziert wird, hat im Motorradsport keine Tradition. Hier gilt noch das Recht des Stärkeren. Deshalb befasst man sich bei Repsol Honda vor dem finalen Titel-Showdown am Sonntag in Valencia erst gar nicht mit "Was wäre wenn..."-Szenarien. Die Frage nach eventueller Stallorder schmetterte Teamchef Livio Suppo am Samstag ab: "Marc hat bereits bewiesen, dass er das alleine schafft. Fahrern auf diesem Niveau muss man nicht erst sagen, was sie tun müssen." Aufgrund der aktuellen Situation in der WM sowie der bisherigen Kräfteverhältnisse an diesem Wochenende kann man sich bei Honda aber auch einigermaßen in Sicherheit wiegen.

Marc Marquez erzielte in drei von vier Trainings die Bestzeit und sicherte sich souverän die Pole Position. In der WM hat er solide 13 Punkte Vorsprung. "In der aktuellen Situation ist der Abstand groß genug, da brauchen wir uns keine Gedanken über eventuelle Dramen machen", führt Suppo im Hinblick auf den Renn-Sonntag aus. Teamkollege Dani Pedrosa stellte schon vor dem Wochenende klar, dass er in erster Linie auf sich selbst und nicht auf Marquez' WM-Ambitionen schauen werde. "Es gibt keine Teamorder. Marquez liegt 13 Punkte voran und war in jedem Rennen, in dem er ins Ziel kam, auf dem Podium. Der schafft das auch alleine", ist sich der Katalane sicher. Statt sich den Kopf über eventuelle Geleitschutz-Arbeit zu zerbrechen nimmt Pedrosa lieber seinen siebenten Sieg beim Valencia GP ins Visier. "Der beste Weg ihm zu helfen wäre, wenn ich das Rennen gewinne."

Honda ist von den Qualitäten des Rookies überzeugt, Foto: Honda
Honda ist von den Qualitäten des Rookies überzeugt, Foto: Honda

Marquez selbst erwartet sich keine Schützenhilfe. Der WM-Leader muss ohnehin nur Vierter werden und schaffte es in dieser Saison bei jedem seiner Zieleinläufe auf das Podium. "Ich versuche auch an diesem Wochenende der selbe Marc zu sein wie in den Monaten zuvor", sagte der Rookie nach dem Qualifying. "Ich werde am Sonntag pushen, denn wenn du dich ständig am Limit bewegst bist du viel konzentrierter." Einen Sieg um jeden Preis strebt er freilich nicht an. Angesprochen auf seinen Tipp für Sonntag meinte Marquez: "Jorge vor Dani und Marc. Starts gehören leider nicht zu meinen Stärken, aber wenn ich nach ein paar Kurven P3 inne habe, bin ich schon zufrieden."

Marquez und Pedrosa sind die einzigen Honda-Piloten in den ersten zwei Startreihen und haben damit die versammelte Yamaha-Fraktion im Nacken. Diese stellte sich in Valencia demonstrativ hinter Aushängeschild Lorenzo. "Ich würde ihm helfen, indem ich vor Marc ins Ziel komme. Das ist sehr schwierig, aber ich werde es versuchen", sagte Valentino Rossi, der am Sonntag als Vierter in der Startaufstellung Marquez direkt vor sich hat. Anders als bei Honda gibt es bei Yamaha die Order Lorenzo zu decken oder passieren zu lassen. "Sollte es aus irgendwelchen Gründen dazu kommen, dass wir einen Einfluss nehmen können, gibt es klare Anweisungen von Yamaha, wie Bradley, Valentino und ich uns zu verhalten haben", sagte der Brite Cal Crutchlow, der in der zweiten Reihe zwischen Rossi und Smith starten wird.

Lorenzo meinte im Hinblick auf seine Titelchancen am Sonntag nur: "Wenn ich mein Geld setzen müsste, würde ich auf Marc wetten. Aber vielleicht würde ich nicht mein ganzes Geld verwetten." Marquez kann wohl nur noch ein Sturz oder Defekt vom Titel abhalten. In Mugello und nach dem Boxen-Fauxpas auf Phillip Island ging der WM-Leader in zwei Rennen leer aus. Beides spiele in Marquez' Gedankenwelt aber keine Rolle: "Ich mache mir darüber keine Gedanken. Ich habe auch Mugello nie im Hinterkopf gehabt. Das sind alles Erfahrungswerte."