Lin, Valentino und Jorge stecken wieder in derselben Garage. Bist du deswegen genauso aufgeregt wie damals 2008?
Lin Jarvis: Dieses Jahr wird mit Sicherheit sehr interessant. Die Situation hat sich im Vergleich zu 2008 sehr verändert. Damals war Valentino der etablierte Star und Jorge der Newcomer. Da gab es eine andere Dynamik zwischen den beiden und wir wussten noch nicht, wie sich Jorge verhalten würde. Nun sind die Rollen anders verteilt, fast umgedreht: Lorenzo ist der regierende Weltmeister und Valentino kommt zurück um noch einmal anzugreifen. Bin ich aufgeregt? Absolut! Ist es so wie damals? Nein, es ist anders, aber nicht minder aufregend.

Mit der Erfahrung des letzten Mals: Wie werdet ihr die Beziehung zwischen den beiden diesmal managen?
Lin Jarvis: Das wird interessant. Der Unterschied ist, dass diesmal beide Fahrer älter und reifer sind. Ich bin zuversichtlich, dass wir in die Situation gar nicht viel eingreifen müssen. Sie sind erfahren und professionell genug. Sie werden zwar in Konkurrenz stehen, aber damit bestmöglich umgehen können.

Aus der technischen Perspektive gesehen Wird dieses Jahr ein Übergangjahr?
Lin Jarvis: Für die Meisterschaft an sich sehe ich nicht viele Veränderungen, außer dass wir nur mehr fünf statt sechs Motoren haben. Die größten Änderungen kommen 2014, wenn hoffentlich auch mehr konkurrenzfähige Motorräder im Grid stehen. Es wird Regeländerungen geben, die alle betreffen.

Jorge hat Yamaha schon zwei Titel eingebracht. Wie weit nach oben kann es für ihn in der Zukunft noch gehen?
Lin Jarvis: Das hängt zum großen Teil von ihm selbst ab. Er ist seit fünf Jahren bei uns und hat in dieser Zeit zweimal die Meisterschaft gewonnen. Er steht gerade am Zenit seiner Karriere und ist eine Siegmaschine. Das beschreibt ihn wohl am besten. Wenn man Geld setzen müsste, sollte man es wohl auf ihn setzen. Wie weit es für ihn noch gehen kann? Das hängt von seiner Motivation und seinen Zielen ab. Sieht man sich sein Alter an, kann er leicht noch fünf bis sieben Jahre in der MotoGP fahren. Jetzt sind wir aber froh, dass er weitere zwei Jahre bei uns bleibt und wir erhoffen uns von ihm noch viel.

Wessen Idee war es, Valentino zurück zu holen?
Lin Jarvis: Das war eine Kombination verschiedener Dinge. Valentino bekundete gegenüber Yamahas Top-Management, dass er gerne zurückkommen würde. Er hatte ein starkes Verlangen, sich wieder in eine Situation zu begeben, in der er sich am Bike wohl fühlt und wieder konkurrenzfähig sein kann. Für Yamaha war das eine exzellente Gelegenheit. Wir hatten sieben Jahre eine tolle Beziehung zu Valentino und es war schade, dass er uns verließ. Damals wurde die Partnerschaft zerbrochen, jetzt haben wir die Chance diese wieder aufzubauen und gemeinsam erneut Geschichte zu schreiben.

Was kann Valentino mit seinen 34 Jahren noch beitragen?
Lin Jarvis: Was ich in Sepang gesehen habe, ist, dass er topmotiviert ist und zeigen will, dass er es noch drauf hat und er noch Weltmeisterschaften gewinnen kann. Das ist eines der Dinge, die mich immer an Valentino fasziniert haben: Obwohl er so lange dabei ist, hat er noch immer eine unglaubliche Leidenschaft für die MotoGP. Er hatte vor ein paar Jahren die Option, in die Formel 1 zu wechseln. Er konnte auswählen und entschied sich für die MotoGP. Auch in den zwei schwierigen letzten Jahren war er stets motiviert. Es geht hier weniger ums Alter als um genau diese Motivation. Natürlich kann das Alter eine Rolle spielen und die Reaktionszeit nach oben setzen, aber das hat Valentino noch immer drauf.

Steht uns eine der forderndsten Meisterschaften der letzten Jahrzehnte bevor?
Lin Jarvis: Es wird zumindest sehr spannend werden. Letztes Jahr hatten wir drei Fahrer am Zenit ihres Könnens mit Casey, Dani und Jorge. Valentino war nicht dabei. Dieses Jahr wird er aber wieder vorne mitfahren, genauso wie Jorge und Dani. Und Marquez wird auch noch dazu stoßen. Diese vier Fahrer werden sich die vorderen Plätze ausmachen, aber es gibt auch noch die Außenseiter. Etwa Cal Crutchlow, der in Sepang schon sehr schnell war, aber auch Bradl auf der Honda. Ich denke, dass diese sechs Fahrer sich um die Podiumsplätze streiten werden. Um den Titel werden meiner Meinung nach aber nur Jorge, Dani und Valentino kämpfen.

Wie denkst du über die zukünftigen Veränderungen der MotoGP und wie werden sich diese auf Yamaha auswirken?
Lin Jarvis: Das werden großteils technische Veränderungen sein, da sehe ich keine Probleme für Yamaha. Wenn uns das den Einsatz von mehr Yamahas ermöglicht, ist das eine Chance. Wir arbeiten noch mit den Organisatoren daran und unsere Ingenieure können die neuen Regeln jederzeit umsetzen.

Pedrosa ist für Yamaha Rivale Nummer eins, Foto: Repsol Honda
Pedrosa ist für Yamaha Rivale Nummer eins, Foto: Repsol Honda

Euer Hauptrivale wird Honda sein. Fürchtet ihr euch mehr vor Dani Pedrosa oder vor Marc Marquez?
Lin Jarvis: 2013 sollte Dani ohne Zweifel die größere Bedrohung darstellen. Er hatte letzte Saison eine unglaublich starke zweite Saisonhälfte und hat mehr Rennen gewonnen als jeder andere Fahrer. In der Vergangenheit war er oft nicht konstant genug, aber nun hat er genug Erfahrung, deshalb ist er unser Hauptrivale. Marquez wird um Rennsiege kämpfen, daran habe ich keine Zweifel. Aber er kommt als Rookie und muss noch einige Dinge lernen. In einer neuen Klasse sind Speed und Herausforderung immer neu.

Die Tech-3-Fahrer haben bei den Test bislang gut abgeschnitten. Wie siehst du ihre Chancen?
Lin Jarvis: Letztes Jahr hatte Tech 3 mit Cal und Andrea eine tolle Saison. Sie sorgten für Spannung, besonders durch das interne Duell. In diesem Jahr ist die Dynamik eine andere. Wir sehen einerseits Cal in seiner dritten Saison und mit einem schnellen Bike, mit dem er in den Top-6 landen wird. Andererseits haben wir Bradley, der noch viel lernen muss, auch wenn er bei den ersten Tests durchaus beeindrucken konnte.

Wie denkst du über die Belieferung anderer Teams mit Motoren und das auslaufende CRT-Projekt?Lin Jarvis: Darüber diskutieren wir mit den MSMA-Mitgliedern und der Dorna im Moment. Beide Seiten wollen in der Zukunft eine wachsende Meisterschaft und ein konkurrenzfähigeres Feld. Die CRT haben dem Sport im Vorjahr wirklich geholfen. Ob sie verschwinden werden, weiß man noch nicht. Honda arbeitet an einem Kunden-Motorrad, einer Art Replica der RCV. Yamahas Ansatz geht in Richtung Leasing-Motoren. Wir könnten so zusätzliche Teams versorgen. Der Ansatz von Yamaha und Honda ist jedenfalls ein konkurrenzfähigeres Feld zu bekommen.

Was wünscht sich Yamaha für die Zukunft der MotoGP?
Lin Jarvis: Wir würden gerne Stabilität und Wachstum sehen. Es hat zuletzt viele Veränderungen gegeben und jetzt wäre es wieder Zeit für etwas Stabilität. Ich würde den Sport auch gerne in wachsende Märkte expandieren sehen, speziell nach Südostasien. Die MotoGP hat dort eine große Bedeutung, aber mit Sepang haben wir nur ein Rennen. Es gibt definitiv Kapazität für weitere Rennen in dieser Region. Ich würde uns gerne auch in Südamerika sehen und zurück in Afrika. Wenn wir in diese Regionen gehen würden, die wirtschaftlich weniger straucheln als Europa, wäre das für die finanziellen Umstände besser. Es gibt dort auch ein hungriges Publikum. Daran müssen wir in Zukunft gemeinsam mit den Teams, der Dorna und der FIM arbeiten.