Es geht ums Ganze: Nachdem beim Rennwochenende der Formel E in Berlin mit Nissan-Werksfahrer Oliver Rowland bereits der Fahrer-Weltmeister 2025 gekürt wurde, wird nun auch die Fahrer- und Herstellerwertung entschieden. Vor den letzten beiden Saisonrennen der Elektro-WM in London (26./27. Juli) liegen Porsche und Nissan in beiden Wertungen eng beieinander, mit leichtem Vorteil für den deutschen Hersteller.

In der Team-Wertung hat das Porsche-Werksteam 22 Punkte Vorsprung auf die Werksmannschaft der japanischen Konkurrenz. In der Hersteller-Wertung, in der jeweils die zwei bestplatzierten Autos eines Herstellers zählen (bei Porsche auch die Kundenteams Andretti und Cupra Kiro, bei Nissan das Kundenteam McLaren), hat Porsche nur ein Polster von sieben Zählern.

Nissan-Teamchef stichelt gegen Porsche: Sie müssen gewinnen

Diesen Umstand will Nissan derweil im Vorfeld des Wochenendes in einen Vorteil ummünzen. „Porsche hat mehr Druck, denn sie können es verlieren“, so Nissan-Teamchef Tommaso Volpe in London im Exklusiv-Interview mit Motorsport-Magazin.com. „Wir haben schon die Meisterschaft gewonnen, die den größten Wert kreiert, denn medial steht immer die Fahrermeisterschaft im Fokus. Porsche muss also die anderen zwei Meisterschaften verteidigen und wir sind hier, um sie von ihnen zu stehlen.“

Auf der anderen Seite hat Nissan auch ein Problem: Mit dem Ende des McLaren-Teams verfügt Nissan nächste Saison über kein Kundenteam mehr. Damit verringern sich die Chancen in der Hersteller-WM für nächstes Jahr. "Wir würden lieber den Hersteller-Titel gewinnen, denn nächstes Jahr wird es hart", gab Volpe deswegen auch zu. “Generell muss eine Marke wie Porsche gewinnen, es ist ein bisschen wie Ferrari“, so Volpe aber weiter. „Wenn Ferrari Zweiter wird, sehen sie es als Niederlage an. Und Porsche ist ähnlich, sie müssen gewinnen. Bei Nissan wollen wir gewinnen. Aber niemand erwartet, dass wir gewinnen müssen.“

Nissan-Teamchef Tommaso Volpe
Sieht Porsche mehr unter Druck: Nissan-Teamchef Tommaso Volpe, Foto: IMAGO / PsnewZ

Porsche gegen Nissan in der Überzahl: Zusammenarbeit mit Andretti und Cupra Kiro?

Auf diese Aussagen angesprochen, konterte Porsche-Teamchef Florian Modlinger. „Dass sie weniger Druck haben sollen, ist ein bisschen ein Understatement. Den Druck macht sich jeder selbst. Wir wollen gewinnen, Nissan will gewinnen. Wir sehen da keinen Unterschied“, so Modlinger am Freitag in London zu Motorsport-Magazin.com. „Aber klar ist das Ziel, so viele Titel wie möglich mit nach Weissach und nach Hause zu bringen.“

Klar ist: Zumindest in der Hersteller-WM hat Porsche den Vorteil, dass sechs Autos potenziell Punkte für diese Wertung sammeln können, im Gegensatz zu vier bei Nissan. Könnte es dabei auch zu strategischer Zusammenarbeit zwischen den Porsche-Teams kommen? „Es kommt immer auf das Qualifying an, welche Autos um dich herum sind und nahe beieinander liegen“, meinte Porsche-Werksfahrer Pascal Wehrlein in einer Medienrunde auf Nachfrage von MSM. „Die Strecke lädt definitiv zu Teamtaktiken ein.“

Andretti-Teamchef Roger Griffiths bezeichnete eine Team-Zusammenarbeit hingegen als eher schwer zu orchestrieren. „Wir sind ein bisschen unabhängiger gewesen, in der Art und Weise, wie wir unsere Rennen durchziehen“, so Griffiths zu Motorsport-Magazin.com. Aber: „Letztendlich tragen wir das Porsche-Logo auf der Nase und den Schriftzug auf der Motorabdeckung. Wir sind sehr stolz ein Porsche-Team zu sein und werden tun, was wir tun können, um ihnen zu helfen, die Hersteller-WM zu gewinnen.“

Nico Müller bei der Formel E in Berlin
Könnte Andretti Porsche zur Hilfe eilen?, Foto: IMAGO / Andreas Gora

Entscheidet am Ende eine Teamorder über den Team-Titel?

Doch könnten die Kundenteams nicht nur wichtig für die Hersteller-Wertung werden, sondern auch in die Team-WM eingreifen? Wäre Andretti etwa bereit, einen Rennsieg zugunsten des Porsche-Titels in dieser Wertung abzugeben? „Das ist unwahrscheinlich“, so Griffiths, der jedoch hinzufügte: „Über Podestplätze können wir reden, aber Rennsiege stehen nicht wirklich zur Diskussion.“

Darauf von Motorsport-Magazin.com angesprochen, zeigte sich Modlinger von einer derartigen Bereitschaft seines Kundenteams überrascht. „Wir haben bisher noch nicht gesprochen, aber das sind interessante Informationen. Ich werde mit ihm sprechen“, so Modlinger.

2. Training: De Vries Schnellster, Nissan in Problemen

Der erste Härtetest steht bereits bald bevor. Um 13:20 Uhr deutscher Zeit startet das Qualifying für den Samstags-Lauf. Um 18:04 Uhr steht der Rennstart an. Zuvor wurde um 11:00 Uhr das Zweite Freie Training ausgetragen. Die Bestzeit ging letztlich an Mahindra-Werksfahrer Nyck de Vries vor Mitch Evans (Jaguar) und Dan Ticktum (Kiro-Porsche).

Die beiden Porsche-Werksboliden von Wehrlein und Antonio Felix da Costa belegten die Positionen vier und neun, die Nissan-Boliden von Rowland und Norman Nato nur die Ränge 13 und 21. „Wir straucheln gerade mit allen vier Nissan-Autos im Qualifying-Run“, verriet McLaren-Nissan-Teamchef Ian James während des Zweiten Freien Trainings. Auf der Strecke in London gilt Überholen als schwierig. Dementsprechend bedeutsam ist das Qualifying.

Formel E London: Ergebnis 2. Training

Pos.FahrerTeam
1Nyck de VriesMahindra
2Mitch EvansJaguar
3Dan TicktumKiro-Porsche
4Pascal WehrleinPorsche
5Jake HughesMaserati-DS
6Stoffel VandoorneMaserati-DS
7Nico MüllerAndretti-Porsche
8Edoardo MortaraMahindra
9Antonio Felix da CostaPorsche
10Sam BirdMcLaren-Nissan
11Maximilian GüntherDS Penske
12Jake DennisAndretti-Porsche
13Oliver RowlandNissan
14Sebastien BuemiEnvision-Jaguar
15Taylor BarnardMcLaren-Nissan
16Jean-Eric VergneDS Penske
17Robin FrijnsEnvision-Jaguar
18David BeckmannKiro-Porsche
19Nick CassidyJaguar
20Lucas Di GrassiLola Yamaha Abt
21Norman NatoNissan
22Zane MaloneyLola Yamaha Abt