Die rekordverdächtige Strafe für DS Penske beim Formel-E-Rennen in Portland beschäftigt das Fahrerlager. Das französisch-amerikanische Werksteam erhielt eine Geldstrafe in Höhe von 25.000 Euro und musste mit seinen beiden Fahrern, dem amtierenden Weltmeister Stoffel Vandoorne sowie dem zweimaligen Champion Jean-Eric Vergne, aus der Boxengasse starten.

Das Team hatte in Portland ein RFID-Scangerät am Eingang der Boxengasse installiert, das laut den FIA-Sportkommissaren in der Lage war, "Echtzeitdaten von allen Fahrzeugen zu sammeln, indem sie die Barcodes auf den Reifen gescannt haben". Im offiziellen Dokument war die Rede von einem "erheblichen und unfairen Vorteil", wonach die verhängte Strafe angemessen gewesen sei.

DS Penske wehrt sich spät gegen Betrugs-Vorwürfe

Am Rennsamstag verpasste es DS Penske lange Zeit, selbst Stellung zu dem kontrovers diskutierten Vorfall zu beziehen. Die Folge waren heftige Kommentare vor allem in den sozialen Medien, die das Team des Betrugs bezichtigten und einen handfesten Daten-Skandal in den Raum stellten in der Annahme, DS Penske haben massenweise Daten von der Konkurrenz geklaut.

"Okay, wenn wir dafür eine Strafe kassieren. Aber behandelt zu werden wie die größten Betrüger...", entrüstete sich der frühere Formel-1-Pilot Vergne nach dem Rennen im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Unsere Fans und Sponsoren lesen die Nachrichten und verstehen nicht genau, was passiert ist. Das ist nicht gut."

Motorsport-Magazin.com weiß aus Kreisen von DS Penske: Das Team hatte schon kurz nach der Bekanntgabe der Strafe ein Statement vorbereitet, um für eine Klarstellung aus der eigenen Sicht zu sorgen. Darin argumentierte der Rennstall, dass es nicht illegal sei, die Seriennummern auf den Reifen aller Autos zu sammeln. Ebenso, dass es nicht wahr und auch nicht möglich sei, Daten gegnerischer Autos herunterzuladen. Dieses fertig formulierte Schreiben (siehe am Ende des Artikels) wurde allerdings nie veröffentlicht, sodass die Fans bis nach dem Rennende warten mussten, um beide Seiten hören zu können.

Strafe für DS Penske bei Formel E in Portland, Foto: LAT Images
Strafe für DS Penske bei Formel E in Portland, Foto: LAT Images

Verhinderte Jay Penske die Statement-Veröffentlichung?

Der Grund dafür soll gewesen sein, dass Teamchef Jay Penske sich lange Zeit nicht rührte, um das Statement für die Veröffentlichung freizugeben. Der US-Amerikaner, dessen Team Dragon/Penske vor der Saison mit Hersteller DS Automobiles zusammengespannt hatte, war beim eigenen Heimrennen in Portland überraschenderweise nicht einmal selbst vor Ort. "Der war wohl anderweitig beschäftigt", sagten mehrere DS-Mitarbeiter zu Motorsport-Magazin.com mit irritiertem Ton in der Stimme.

Die genauen Gründe für Penskes Fernbleiben sind nicht bekannt, nähren auf Seiten von DS aber Zweifel über die Sinnhaftigkeit der Zusammenarbeit mit dem US-Unternehmer, der bereits mehrfach durch schräge Entscheidungen in der Formel E aufgefallen ist. Für den Scan-Vorfall in Portland soll das Einsatzteam von Penske verantwortlich gewesen sein, weshalb Werkspartner DS Automobiles mit der Veröffentlichung des Statements wartete, um Grünes Licht durch den abwesenden Teamchef Jay Penske zu erhalten.

Und das, obwohl mit Jean-Marc Finot, dem Motorsport-Vizepräsidenten des mächtigen Stellantis-Konzerns, zu dem unter anderem DS Automobiles gehört, eine absolute Führungskraft vor Ort war. Man kann in dieser heiklen Angelegenheit durchaus von einem Kommunikations-Debakel sprechen.

DS: Unverständnis über harte Stewards-Worte

Dass DS Penske mit der Installation eines RFID-Scanners in der Boxengasse in mehreren Fällen gegen das Sportliche und Technische Reglement verstoßen hatte, räumten Teamverantwortliche ein. Eine derartige Unkenntnis des Reglements sorgt angesichts der geballten Formel-E-Erfahrung innerhalb des gesamten Teams allerdings für reichlich Unverständnis.

Was einigen DS-Leuten missfiel, war die deutliche Formulierung der Sportkommissare, die mit einem "erheblichen und unfairen Vorteil" argumentierten. Das sei eine subjektive Einschätzung gewesen, die in einem offiziellen Stewards-Urteil nichts zu suchen habe, und die die tatsächlichen Vorkommnisse unnötig dramatisiere, hieß es aus DS-Kreisen.

Während Penske in seiner Pressemitteilung nach dem Rennen darauf beharrte, dass der RFID-Scanner verwendet worden sei, "um Informationen zu sammeln, die streng auf die Seriennummer der Reifen beschränkt waren" und diese Infos "von Teams üblicherweise mit einer einfachen Kamera gesammelt" (durch Fotografen; d. Red.) würden, hatte das Team so oder so in mehreren Instanzen gegen das Reglement verstoßen: In der Boxengasse bzw. Fast Lane darf kein Equipment verbleiben (Artikel 23.11), Wettbewerber dürfen kein Equipment in der Boxengasse installieren (Artikel 30.25), jegliche Telemetrie ist verboten (Artikel 8.9) und jeglicher Verstoß gegen das Fairnessgebot ist untersagt (Artikel 12.2.1.l).

Formel E 2023 Portland: Highlights und Zusammenfassung (04:54 Min.)

Weiter Rätselraten um RFID-Daten

Welche Daten genau DS Penske mittels des Scanners gesammelt habe, darüber scheiden sich weiter die Geister bei der Konkurrenz. Offiziell äußern wollte sich bislang kein Teamverantwortlicher. Während die einen hinter vorgehaltener Hand im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com glaubten, dass es tatsächlich nur um das reine Auslesen der Reifen-Barcodes gegangen sei und DS Penske mit einer "Gelben Karte" gut bedient gewesen sei, meinten andere, dass es nicht überprüfbar sei, welche Daten genau abgegriffen wurden.

Hätte DS Penske nachgewiesen werden können, weitere Daten über Reifendrücke oder Temperaturen abseits der reinen Reifen-Barcodes gesammelt zu haben, wäre die verhängte Strafe (25.000 Euro plus Starts aus der Boxengasse) vermutlich deutlich zu milde gewesen. Ein Ausschluss vom laufenden Wettbewerb hätte es in diesem Falle mindestens sein müssen - damit wäre ein riesengroßer Skandal perfekt gewesen, auf den die Formel E wohl nur zu gern verzichten würde...

Laut dem International Sporting Code der FIA und dem Sportlichen Reglement der Formel E war es übrigens nicht möglich, das entsprechende Urteil der Sportkommissare anzufechten. Damit war der Fall aus offizieller Sicht erledigt. Hätten andernfalls die gegnerischen Teams mit einer Protest-Welle gegen das FIA-Urteil den Vorfall auf die Spitze getrieben? Der 'Scan-Dal' dürfte sowohl bei DS und Penske intern sowie bei der Konkurrenz noch lange nicht ad acta gelegt worden sein.

Motorsport-Magazin.com liegt das offizielle, aber niemals veröffentlichte Statement von DS Penske vor, das schon kurz nach dem Bekanntwerden der Strafe kommuniziert werden sollen. DS Penske sprach unter anderem von einem "einfachen Lesegerät", das nach MSM-Informationen nur wenige hunderte Euro gekostet haben soll. RFID-Scanner werden immer mehr zum Standard in der Reifenbranche. Es hängt allerdings stark von der Programmierung des Lesegeräts und der in den Reifen verbauten 'Tags' ab, welche Daten zu welcher Zeit ausgelesen werden können.

Das nie veröffentlichte Statement von DS Penske im Wortlaut

An alle unsere Fans und Unterstützer. Heute haben wir eine Strafe erhalten, in Folge derer unsere beiden Autos aus der Boxengasse starten müssen. Es gab viele Kommentare dazu in den sozialen Medien, und wir möchten dazu Stellung beziehen.

Jeder in der Formel E genutzte Reifen hat eine Seriennummer. Viele der Teams sammeln diese Informationen, indem sie üblicherweise einen Fotografen in der Boxengasse nutzen. Es ist nicht illegal oder falsch, diese Informationen zu sammeln. Wir haben das Gleiche mittels eines einfachen Lesegeräts getan.

Die Seriennummer des Reifens ist die einzige Information, die wir erhalten. Mittels dieses Werkszeugs erhalten wir keinerlei andere Informationen. Es gab Postings und Kommentare, dass wir praktisch die Daten unserer Wettbewerber herunterladen... das ist weder der Fall, noch ist das möglich. Wir erhielten keinen Wettbewerbsvorteil, indem wir diese Reifen-Informationen sammelten, die allen Teams leicht zugänglich sind.

Wir fahren Rennen und treten mit der höchsten Integrität an. Es war noch nie anders. So simpel ist das. Wir sehen uns in Rom!