Sam Bird war der riesengroße Pechvogel beim Formel-E-Rennwochenende in Kapstadt. Nicht nur musste der Jaguar-Pilot das fünfte Saisonrennen auslassen, weil sein Auto nach der vorausgegangenen Qualifying-Kollision mit Edoardo Mortara (Maserati) in der Kürze der Zeit nicht repariert werden konnte. Auch schleppt er seine zuvor in Hyderabad erhaltene 5-Platz-Gridstrafe mit zum nächsten Rennen nach Sao Paulo!

Über den schweren Unfall am Samstagvormittag auf dem neuen Stadtkurs in Südafrika wird im Nachgang noch zu sprechen sein. Maserati-Pilot Mortara hatte in der unfallträchtigen Kurvenpassage von Turn 8 bis 9 die Kontrolle über sein Auto verloren und war heftig in die rechten Streckenmauern eingeschlagen. Mehrere Sekunden später erreichte Jaguar-Werksfahrer Bird die Unfallstelle mit hoher Geschwindigkeit, konnte nicht rechtzeitig abbremsen, drehte sich am Kurvenausgang, schlug rückwärts in die Mauer ein und knallte von dort aus in den gestrandeten Maserati.

Kapstadt-Unfall: Kein Vorwurf an Sam Bird

Dem erfahrenen Bird kann hier kein Vorwurf gemacht werden. Der Brite erhielt keine rechtzeitige Warnung, dass vor ihm ein Auto auf der Strecke verunfallt war. Ein Funkspruch von Race Director Scot Elkins kam zu spät, um die Situation unter Kontrolle zu bringen. Auf Onboard-Aufnahmen von Bird ist zu erkennen, dass auf den digitalen Flaggenanzeigen erst eine gelbe Flagge eingeblendet wurde, als er die Anzeige aus dem Cockpit heraus schon nicht mehr sehen konnte.

Üblicherweise erhalten die Fahrer zusätzlich als Warnhinweis eine Anzeige auf dem Dashboard ihres Lenkrads. Davon war in Kapstadt kurz vor dem Einschlag allerdings nichts zu sehen. "Keine gelben Flaggen, keine roten Flaggen, ein Crash vorne - das war ein Rezept für eine Katastrophe", fand Bird gegenüber Autosport deutliche Worte.

Günther verhindert Teamkollegen-Crash um Haaresbreite

Auf den Zeitenmonitoren wurden kurz nach Mortaras Unfall recht zügig rote Flaggen angezeigt, die zu einem zwischenzeitlichen Abbruch der Session führten. Bis die Ansage die Streckenwarte entlang der Strecke erreicht hatte, um Bird und weitere Fahrer mit physischen Flaggen zu warnen, verging jedoch einige Zeit - in diesem Fall zum Unglück von Bird zu viel Zeit...

Der Qualifying-Crash hätte sogar noch schlimmer ausgehen können. Mortaras Teamkollege Maximilian Günther (Startplatz 2, Ausfall im Rennen) konnte eine Kollision im allerletzten Moment vermeiden und schrammte um Haaresbreite am havarierten Maserati vorbei. Den Allgäuer hatte offenbar ebenfalls keine Warnung aus der Race Control erreicht.

Bird: "21 Sekunden genug für rote Flagge"

"Anscheinend lagen 21 Sekunden zwischen dem Aufprall von Edo gegen die Wand und dem Aufprall von mir auf Edo. 21 Sekunden sind genug Zeit für eine rote Flagge", klagte Bird an. Der 102-fache Formel-E-Starter sei erst kurz vor dem Einschlag von Race Director Elkins per Funkspruch gewarnt worden. Das habe laut Bird dazu geführt, dass er in der Kurve 8 mit zahlreichen Bodenwellen die Kontrolle verloren habe.

Bird: "Mich hat der Funkspruch von Scot erschreckt. Ich habe in einem Bereich zu stark gebremst, wo man nicht so stark bremsen sollte, und das hat die Bremsbalance nach hinten verschoben. Das ist ein Bereich, wo man das nicht braucht, und ich habe mich gedreht. Warum gab es kein Gelb oder warum gab es kein unmittelbares Rot?"

Was Bird damit meint: Die Gen3-Autos bremsen vor allem per Energierückgewinnung. Die Bremsbalance auf der Vorder- und Hinterachse regelt dabei hauptsächlich die Software des Brake-by-Wire-Systems. Zwar verhindert das System in den meisten Fällen blockierende Räder, doch der Fahrer kann in solchen Momenten schnell mal zum Passagier werden und das Fahrzeug nicht mehr so steuern, wie es mit den üblichen hydraulischen Bremsen unter Umständen möglich gewesen wäre.

Sam Bird zählt zu den erfahrensten Piloten in der Formel E, Foto: LAT Images
Sam Bird zählt zu den erfahrensten Piloten in der Formel E, Foto: LAT Images

Jaguar-Chef: "Unfall hätte vermieden werden können"

Jaguar-Teamchef James Barclay, der nach dem Team-Crash von Hyderabad die zweite Nullnummer in Folge miterleben musste, war wenig überraschend alles andere als begeistert über die Vorgänge. In einer Pressemitteilung des Teams formulierte es der gebürtige Südafrikaner noch britisch vornehm: "Sam fuhr gut, das Auto war schnell und sein Unfall hätte vermieden werden können. Als Meisterschaft müssen wir daraus lernen und uns verbessern."

Birds Teamkollege Mitch Evans konnte das Rennen zwar fahren und sich vom vierten Startplatz sogar einiges ausrechnen. Nach einer Durchfahrtstrafe wegen eines 'Overpower'-Vergehens musste sich der amtierende Vize-Weltmeister aber mit dem elften Platz begnügen. In der Team-Wertung belegt Jaguar nur den sechsten Platz mit 42 Punkten, während Porsche mit 126 Zählern die Tabelle anführt.