Antonio Felix da Costa gehört sicherlich zu den emotionaleren Rennfahrern im Motorsport. Um den Portugiesen zu Tränen zu rühren, gehört aber eine ganze Menge dazu. Sein Sieg beim vergangenen Formel-E-Rennen in Kapstadt war so ein Moment, wo es den Porsche-Neuzugang übermannte. Im Interview kurz nach dem sensationellen Finish gegen seinen früheren Teamkollegen Jean-Eric Vergne schluckte Felix da Costa, hatte glasige Augen und bekam kaum ein Wort raus. Das kam in der bisherigen Karriere des immer-quirligen 'DAC' nur höchst selten vor...

Mit wenigen Tagen Abstand zum fünften Rennen der Formel-E-Saison 2023 gewährte Felix da Costa einen Einblick, was alles nach seinem ersten Sieg für Porsche in ihm vorging. "Ich bin nicht nur gegen meinen ehemaligen Teamkollegen gefahren, sondern auch gegen das Team, mit dem ich den Titel gewonnen habe (in der Saison 2020; d. Red.). Als ich noch bei DS war, hatten wir einen Ingenieur, der leider gestorben ist. Ich musste an ihn denken, er hat sich das Rennen bestimmt von dort oben angeschaut."

Felix da Costa sprach dabei über Pascal Tortosa, den im September 2021 verstorbenen Chef-Strategen von DS Techeetah, der als Renningenieur von Vergne an dessen beiden Meisterschaftsgewinnen 2017 und 2019 beteiligt war. Der im Formel-E-Fahrerlager seit Jahren beliebte Tortosa wurde nur 49 Jahre alt. Felix da Costa: "Zwischen JEV und mir ging es bekanntermaßen ein paar Mal rund auf der Strecke. Es muss für ihn (Tortosa) cool gewesen sein, sich das von oben anzuschauen."

Außerdem war es kein Geheimnis, dass eine gehörige Portion Druck auf Felix da Costa lastete. Während Teamkollege Pascal Wehrlein mit dem starken Porsche-Paket zwei Rennen gewann und dreimal aufs Podium fuhr, tat er sich zunächst schwer bei seinem neuen Arbeitgeber. Ein Podiumserfolg in Hyderabad - wenn auch nachträglich wegen einer Strafe für Sebastien Buemi erlangt - ließ den 31-Jährigen erstmals aufatmen.

Antonio Felix da Costa feiert ersten Formel-E-Sieg im Porsche, Foto: Porsche AG
Antonio Felix da Costa feiert ersten Formel-E-Sieg im Porsche, Foto: Porsche AG

Felix da Costa: "Sieg hat Last von meinen Schultern genommen"

Mit dem Sieg in Kapstadt und womöglich dem Überholmanöver des Jahres sieht die Angelegenheit schon ganz anders aus. Felix da Costa offen und ehrlich: "Seit ich bei Porsche bin, hatte ich ein bisschen Druck. Es ist eine riesige Ehre, diese Marke auf der Strecke zu repräsentieren. So viele Fahrer haben dort ihre Spuren hinterlassen. Ich will das auch, aber bisher war es nicht möglich. Dann war auch noch Pascal so gut und hat Rennen gewonnen. Der Druck stieg an. In den letzten 30 Interviews kam immer nur die Frage, warum Pascal gewinnt und ich nicht performe. Das wurde ein bisschen nervig. Jetzt kam alles zusammen und hat die Last von meinen Schultern genommen."

Felix da Costas beinhartes, aber sauberes Überholmanöver gegen Vergne in der unfallträchtigen Kurve 8 hätte auch mächtig schiefgehen können. Bilder der Onboard-Kameras lassen erahnen, dass es beim entscheidenden Move in der vorletzten Runde sogar zu einem leichten Kontakt der Räder kam. Für dieses Manöver brauchte es einen Gegner, der zwar dagegen hält, im Zweifel aber nicht die Lenkung öffnet und beide Fahrer ins Aus schickt...

Formel E 2023 - Kapstadt: Zusammenfassung und Highlights (05:36 Min.)

"Ich glaube, dass es gekracht hätte, wenn da ein anderer Fahrer als ich im Auto gesessen hätte", meinte Vergne später mit einem leichten Grinsen im Gesicht. Felix da Costas Highspeed-Manöver auf der Außenseite kann getrost als 'mutig' beschrieben werden, obendrein gegen einen Fahrer, der nur höchst ungern Zweiter wird. Das hatte Vergne erst zwei Wochen zuvor beim Hyderabad ePrix einmal mehr unter Beweis gestellt, als er trotz deutlich geringerer Rest-Energie mit aller Macht und schließlich erfolgreich den ersten Platz gegen Nick Cassidy (Envision) verteidigte.

Felix da Costa: "Ich kenne JEV gut, und ich meine das jetzt nicht negativ: Er ist ein absoluter Siegertyp und hat den Willen, Rennen zu gewinnen. Das hat es manchmal kompliziert gemacht, als wir noch Teamkollegen waren. Und er hat das letzte Rennen gewonnen und befindet sich im Titelkampf. Ich war das bis dahin nicht. Er hatte viel mehr zu verlieren als ich. Ich wusste, dass es hart wird, diesen Move zu machen. Ebenso konnte ich mich darauf verlassen, dass er nichts Dummes anstellt. Er hat bewiesen, dass er ein zweifacher Champion und ein respektvoller Fahrer ist."

Dritter Sieg im fünften Saisonrennen für das Porsche-Werksteam, Foto: Porsche AG
Dritter Sieg im fünften Saisonrennen für das Porsche-Werksteam, Foto: Porsche AG

Felix da Costa: "Da spielten schon ein paar Risiken mit..."

Dass sich Felix da Costa und Vergne nach drei gemeinsamen Saisons bei DS Techeetah bestens kennen, half sicherlich auch. Der Porsche-Pilot: "Ich kenne JEV und das Team. Ich weiß, was sie planen. Das war vielleicht ein kleiner Vorteil. Er kennt mich auch, aber nicht mein Team und das Auto."

Gleichzeitig räumte der nun achtmalige Formel-E-Rennsieger ein, dass auch eine Portion Glück dazu gehörte, Vergne über die Außenbahn zu überholen - übrigens in der gleichen Ecke, wo er kurz zuvor schon Cassidy kassiert hatte. "Das war auf einem Teil der Strecke, wo das zuvor niemand gemacht hatte", sagte Felix da Costa. "Da spielten schon ein paar Risiken mit, aber in dem Moment fühlte sich alles natürlich an."

Antonio Felix da Costa gewann 2020 die Formel-E-Meisterschaft, Foto: LAT Images
Antonio Felix da Costa gewann 2020 die Formel-E-Meisterschaft, Foto: LAT Images

Und weiter: "Rückblickend hätte ich ein bisschen mehr aufpassen sollen. Aber wenn die Sterne richtig für dich stehen - und das Gefühl hatte ich auch beim Titelgewinn und anderen wichtigen Siegen - dann soll es so sein, wie es kommt. Nichts auf der Welt wollte, dass ich an diesem Tag crashe. Zum Glück hat es geklappt. Ich bin kein großer Crash-Pilot. An meinen letzten Unfall kann ich mich gar nicht erinnern. Aber das hier war schon sehr eng."

Mit seinem Sieg und dem zweiten Podestplatz in Folge hat Felix da Costa wieder Anschluss im Titelkampf gefunden. Der frühere BMW-Werksfahrer belegt mit 46 Punkten den vierten Platz in der Gesamtwertung. Da Teamkollege und WM-Spitzenreiter Wehrlein (80 Punkte) nach seiner frühen Kollision mit Sebastien Buemi erstmals leer ausging, ist der Rückstand um 25 Punkte auf 34 Zähler geschrumpft. Das sechste Saisonrennen steht am 25. März mit einer weiteren Rennpremiere der Formel E im brasilianischen Sao Paulo an.