'Daddy on Tour', stand beim Formel-E-Rennen in Kapstadt auf dem Halo-Kopfschutz von Pascal Wehrleins Porsche geschrieben. Eine Anspielung auf den frischgebackenen Papa, dessen Tochter eine Woche vor dem Rennen wohlbehalten das Licht der Welt erblickt hatte. Auf dem südafrikanischen Stadtkurs hatte es auf den ersten Blick aber eher den Anschein, dass sich Wehrlein wie ein Mitglied einer polternden Papa-Bande am berüchtigten Vatertag benahm.

Noch in der Startrunde verschätzte sich der 28-Jährige deutlich beim Anbremsen auf Kurve 10 und landete im Heck von Vordermann Sebastien Buemi. Nach erster Einschätzung ein Totalabsturz im Stile eines übermütigen Trunkenboldes, der am Vatertag zu früh und zu tief ins Glas geschaut hat. Eine eher unübliche Situation jedoch für Wehrlein, der in der Formel E überhaupt nicht für unnötige Kollisionen bekannt ist.

Wehrlein räumt Fehler ein - Situation uneindeutig

Und ganz so eindeutig war die Angelegenheit nicht, die dem Porsche-Werksfahrer den ersten Ausfall in der laufenden Saison einbrockte. Vordermann Buemi, der schon im Freitags-Training heftig verunfallt war, bremste in diesem Moment auf P6 liegend auffällig früh. Musste der vierfache Le-Mans-Sieger sogar, weil vor ihm Jean-Eric Vergne am Kurvenscheitelpunkt mal richtig den Fuß vom Gas nahm. Buemi selbst konnte rechtzeitig die Lenkung öffnen und nach rechts ausweichen - für Verfolger Wehrlein ging es nur noch geradeaus.

"Das war absolut mein Fehler", wollte der frühere DTM-Champion und Formel-1-Fahrer bei ProSieben nichts beschönigen. "Ich habe zu hart beziehungsweise zu spät gebremst und die Räder blockierten. Dadurch konnte ich das Auto nicht mehr stoppen, und es kam zur Kollision." Ärgerlich für Wehrlein: Für den Abschuss kassiert er eine 3-Platz-Gridstrafe fürs nächste Rennen in vier Wochen in Sao Paulo.

Der zuletzt arg gebeutelte Buemi, der vor zwei Wochen in Hyderabad wegen einer Overpower-Strafe nachträglich sein erstes Saisonpodium verloren hatte, fiel nach seinem Dreher bis ans Ende des Feldes zurück. Zahlreiche Kollisionen im vorderen Feld spülten den Schweizer am Ende bis auf den fünften Platz in die Punkteränge nach vorne.

Hier wird Pascal Wehrleins Porsche abgeschleppt, Foto: LAT Images
Hier wird Pascal Wehrleins Porsche abgeschleppt, Foto: LAT Images

Formel E: Das Phänomen der blockierenden Räder

Dass Wehrlein auf dem Weg in Buemis Heckpartie nicht allzu vorteilhaft aussah, ist auch der Technologie der neuen Gen3-Autos geschuldet. Die Boliden bremsen vor allem durch die Energie-Rückgewinnung, die durch die Software des Brake-by-Wire-Systems automatisch gesteuert wird. Wehrleins blockierende Räder an der Vorderachse waren ein eher selten zu beobachtendes Phänomen in der ersten Saison mit den neuen Fahrzeugen.

Im Vorfeld des Kapstadt ePrix erklärte Abt-Pilot Kelvin van der Linde dazu im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com: "Wenn sich jemand verbremst, sagt das System, dass die Räder blockieren sollen, und die Fahrer lassen einfach die Bremse runter. Manchmal sieht es aus, als ob die Fahrer richtigen Blödsinn machen, aber das geht auch von den Systemen aus. 'Ist der dumm? Kann der kein Auto fahren', denkt sich bei solchen Situationen sicherlich der eine oder andere Zuschauer. Wir haben aber keinen Einfluss, weil das System das regelt."

Behind the Wall: Pascal Wehrlein nach Ausfall in Kapstadt, Foto: LAT Images
Behind the Wall: Pascal Wehrlein nach Ausfall in Kapstadt, Foto: LAT Images

Wehrlein führt Formel-E-Gesamtwertung weiter an

Glück im Unglück für Wehrlein: Weil sein ärgster Titelrivale, Jake Dennis im Kunden-Porsche von Andretti, die von Hankook vorgegebenen Mindestreifenluftdrücke von 1,20 bar missachtet hatte, wurde er mit einer Durchfahrtstrafe belegt. Mit dem 13. Platz ging der Brite zum zweiten Mal in Folge leer aus und bleibt bei 62 Punkten kleben. Spitzenreiter Wehrlein hat mit zwei Siegen und drei Podestplätzen aus fünf Rennen bislang 80 Punkte gesammelt.

Aller Wahrscheinlichkeit nach hätte Wehrlein seinen Vorsprung in der Gesamtwertung ohne den Buemi-Bumms sogar weiter ausbauen können. Das Leistungspotenzial des Porsche war auch auf dem unbekannten Kapstadt-Kurs vorhanden, wie Teamkollege Antonio Felix da Costa mit seinem ersten Saisonsieg vom elften Startplatz eindrucksvoll unter Beweis stellte.

Suchbild: Wehrlein mit auf dem Podium bei Felix da Costas Porsche-Sieg, Foto: LAT Images
Suchbild: Wehrlein mit auf dem Podium bei Felix da Costas Porsche-Sieg, Foto: LAT Images

Porsche bleibt ein Energiesparwunder

Der neuentwickelte Gen3-Porsche ist und bleibt das Energiesparwunder der Formel E. Weiß auch Wehrlein, der vom sechsten Startplatz überhaupt keine Not hatte, früh im Rennen Positionen gewinnen zu müssen. Die Führung will in der Formel E 2023 ohnehin kein Fahrer zu früh übernehmen, der fehlende Windschatten kostet nur wertvolle Energie. Wehrlein hatte sich schon in vergangenen Rennen geschickt im Fahrtwind vor ihm fahrender Autos herangepirscht und zum rechten Zeitpunkt die Pace erhöht.

Verständlicherweise erklärte er nach dem Kapstadt-Knall: "Ich wollte in der Situation nicht mal überholen. Ich hatte eine kleine Lücke nach vorne und nach hinten. Es war einfach verschätzt, zu hart gebremst. Es tut mir leid fürs ganze Team. Es wäre ein guter Tag für uns geworden, wenn man sieht, was Antonio geschafft hat. Ich bin mega-happy für ihn, hatte mir aber auch ein gutes Resultat für uns erhofft. Aber manchmal haben kleine Fehler große Auswirkungen."