Das Jaguar-Werksteam erlebte beim Formel-E-Debüt in Indien ein absolutes Horror-Szenario. Statt von den hervorragenden Startpositionen 1 und 6 zu profitieren, schoss Sam Bird seinen Teamkollegen Mitch Evans vorzeitig raus - ein punkteloses Debakel für den britischen Sportwagenbauer nach einem ohnehin unbefriedigenden Saisonauftakt.

Das Drama entfaltete sich in Runde 13 des 33 Runden andauernden Hyderabad ePrix. Bird schoss in der heiklen Haarnadel-Kurve über das Ziel hinaus und stattdessen voll in die Seite von Teampartner Evans, der nach dem Start von der Pole Position gute Chancen auf einen Podestplatz oder gar den Sieg hatte.

Ungläubige Beobachter tippten zunächst ein technisches Problem an Birds Jaguar, nachdem der Brite den Bremspunkt komplett verpasst hatte und Evans unsanft auf der Strecke drehte. Dass in diese Kollision im vorderen Feld auch noch Maximilian Günther (Maserati) und Sacha Fenestraz (Nissan) involviert waren, setzte dem Ganzen die Krone auf.

Bird mit der Erfahrung aus 102 Formel-E-Rennen entschuldigte sich noch während des Rennens via Teamfunk beim Kommandostand. Später zeigte der 36-Jährige wahre Größe und schob den Crash nicht etwa auf ein mögliches Problem mit der Technik - schließlich entwickeln die hochkomplexen Formel-E-Autos gerne mal ein Eigenleben und lassen den Fahrer zum Passagier werden...

Bird: "Übernehme die volle Verantwortung"

Bird schrieb öffentlich auf seiner Instagram-Seite: "Worte können nicht beschreiben, um zu erklären, wie leid es mir für alle tut, die im heutigen Rennen in meinen Fehler involviert waren. Ich übernehme die volle Verantwortung und möchte mich bei meinem Team, meinen Teamkollegen und den anderen Fahrern entschuldigen. Wir hatten heute ein tolles Auto, aber ich habe mein Team hängenlassen."

Während Bird beim vergangenen Rennwochenende in Saudi-Arabien stark auftrumpfte und in seinem 100. Rennen auf das Podest fuhr, krebst Vize-Weltmeister Evans nur im Mittelfeld der Tabelle herum. Der ehrgeizige Neuseeländer belegt abgeschlagen den zwölften Gesamtplatz und hatte sich nach der starken Performance im Qualifying sicherlich einiges ausgerechnet.

Evans: "Keine Absicht, aber frustrierend"

Stattdessen flog ihm Bird böse in die Seite - Rennen vorzeitig gelaufen. Zu diesem Zeitpunkt belegte Evans den dritten Platz, nachdem er in Folge eines frühen Attack Mode zwei Positionen an die Verfolger Sebastien Buemi und Jean-Eric Vergne verloren hatte. Evans war sicher, diesen zwischenzeitlichen Nachteil durch einen Vorteil beim Energie-Management im weiteren Verlauf des Rennens wieder gutmachen zu können. Dazu sollte er 'dank' des Teamkollegen allerdings nicht die Möglichkeiten erhalten.

"Wir haben uns für einen frühen Attack Mode entschieden, um Windschatten von den anderen Autos zu bekommen", ließ sich Evans in einer Pressemitteilung des Teams zitieren. "Ich erholte mich gut und hatte mehr Energie als die Autos vor mir. Aber dann beging Sam einen Fehler und das nahm mich aus dem Rennen. Es war keine Absicht, aber es ist sehr frustrierend. Meine Saison war bisher herausfordernd, aber ich freue mich auf Kapstadt."

Bird reist unterdessen mit einem Malus zum nächsten Rennen in zwei Wochen nach Südafrika: Für den Team-Crash wurde er für das nächste Rennen mit einer 5-Platz-Strafe in der Startaufstellung belegt.

Foto: LAT Images
Foto: LAT Images

Envision-Jaguar: Buemi-Protest abgelehnt

Was theoretisch für das Jaguar-Paket in Hyderabad möglich gewesen wäre, machte stattdessen das Kundenteam Envision vor. Nick Cassidy stürmte vom neunten Startplatz nach vorne und landete beim Zieleinlauf nur knapp hinter Rennsieger Vergne.

Beinahe hätte Envision ein Doppelpodium bejubeln dürfen, doch Teamkollege Sebastien Buemi erhielt wegen zu viel genutzter Energie eine nachträgliche Durchfahrtstrafe (17-Sekunden-Ersatzstrafe), die den Schweizer vom dritten bis auf den 15. Platz zurückwarf. Ein von Envision eingelegter Protest wurde von den Sportkommissaren abgelehnt.

Doppelt ärgerlich aus Jaguar-Sicht, auch, wenn das kein Verantwortlicher offen zugeben würde: Das Envision-Kundenteam tanzt dem Motorenlieferanten auf der Nase herum! Buemi und Cassidy erzielten bislang 59 Punkte und führten Envision auf den dritten Platz in der Team-Meisterschaft, während das Jaguar-Werksteam mit 42 Zählern nur den fünften Rang belegt.

Jaguar-Teamchef James Barclay in der Pressemitteilung: "Das Team hat an diesem Wochenende eine unglaublich gute Leistung gezeigt, aber leider passieren manchmal Fehler, und genau das ist heute geschehen. Sam hat sich bei Mitch und dem Team entschuldigt und wir haben es hinter uns gebracht."