Jean-Eric Vergne hat das spannende Debütrennen der Formel E in der indischen Millionen-Metropole Hyderabad gewonnen. Der DS-Penske-Pilot feierte von Startplatz zwei den ersten Saisonsieg, den elften seiner Karriere und den ersten seit dem Rom ePrix 2021.

Hinter dem zweifachen Champion gelang dem Jaguar-Kundenteam Envision mit Nick Cassidy und Sebastien Buemi nur kurzzeitig ein doppelter Podesterfolg. Der vierfache Le-Mans-Sieger aus der Schweiz stand nach dem Ende des vierten Saisonrennens unter Beobachtung der Rennleitung ('Overpower') und kassierte wenig später eine Durchfahrtstrafe, die nachträglich in eine 17-Sekunden-Zeitstrafe umgewandelt wurde.

Von Buemis Strafe profitierte der von P13 gestartete Antonio Felix da Costa und feierte mit Platz drei seinen ersten Podiumserfolg für den neuen Arbeitgeber Porsche - und das ausgerechnet in seinem 100. Formel-E-Rennen.

Teamkollege und Gesamt-Spitzenreiter Pascal Wehrlein gelang mit dem vierten Platz beim Zieleinlauf nach 33 Runden ebenfalls eine starke Aufholjagd von P12. Ein versöhnliches Ende für den früheren DTM-Champion und Formel-1-Fahrer, der im Freitags-Training schwer verunfallt war und ein Krankenhaus aufsuchen musste. Im Qualifying am Samstagmorgen kassierte Wehrlein mit einer 3-Platz-Gridstrafe einen weiteren Rückschlag.

"Ich war gestern noch bis 11 Uhr im Krankenhause und habe Scans und Checks gemacht, weil ich ziemliche Rückenschmerzen hatte", sagte Wehrlein. "Aber soweit ist alles in Ordnung. Ich habe immer noch Schmerzen von gestern, aber das spielt im Auto dann keine Rolle."

Sergio Sette Camara (NIO 333), Oliver Rowland beim Heimspiel seines Mahindra-Teams, Norman Nato (Nissan) und Weltmeister Stoffel Vandoorne (DS Penske) komplettierten die Top-8. Andre Lotterer (Andretti) und Edoardo Mortara (Maserati), der zwischenzeitlich seinen Frontflügel verloren hatte, ergatterten die letzten Zähler in den Punkterängen.

Mehrere verhängte 5-Sekunden-Zeitstrafen wegen viermaliger Missachtung der Track-Limits gegen Vandoorne, Lucas di Grassi oder Rowland wirbelten das Rennergebnis nach dem Zieleinlauf etwas durcheinander.

Auf dem 2,835 Kilometer langen Kurs brachten sich zahlreiche Favoriten selbst um die Chance, um den Sieg zu kämpfen. Ganz bitter war die Kollision zwischen den beiden Jaguar-Piloten Sam Bird und Mitch Evans zur Rennmitte. "Es tut mir so leid", entschuldigte sich der Brite Bird, nachdem er seinem Teamkollegen Evans in der Haarnadel in die Fahrzeugseite gerammt war. Für den Vorfall kassiert Bird 5 Strafplätze fürs nächste Rennen. In den Crash der 'Raubkatzen' wurde auch Maximilian Günther (Maserati) unglücklich involviert, der Allgäuer blieb als 13. ohne Punkte.

Ein höchst ernüchterndes Rennen erlebte Formel-E-Neueinsteiger McLaren. In Runde 23 verunfallte Rookie Jake Hughes nach einem selbst verschuldeten Dreher und löste dadurch die einzige Safety-Car-Phase des Rennens aus. Nach dem Re-Start kollidierte Teamkollege Rene Rast, zuletzt in Saudi-Arabien auf dem Podest, mit Titelanwärter Jake Dennis (Andretti) - keine Punkte für die beiden Streckenkontrahenten und eine 3-Platz-Gridstrafe für Rast bei seinem nächsten Rennstart.

Rast war einer von sechs Fahrern, die nicht die Ziellinie sahen. Dazu zählte auch Kelvin van der Linde wegen eines technisch bedingten Ausfalls, während Abt-Cupra-Teamkollege Nico Müller (Platz 11) die schnellste Rennrunde zurücklegte. Weil der Schweizer aber nicht in die Top-10 fuhr, erhielt Nissan-Pilot Nato den Extra-Punkt, der für die Äbte den ersten Zähler beim Formel-E-Comeback bedeutet hätte.

Beim fünften Saisonrennen am 25. Februar 2023 erwartet die Formel E nach dem Debüt in Indien eine weitere Premiere: Erstmals gastiert die Elektro-Rennserie im südafrikanischen Kapstadt.

Formel E in Indien: So lief der Hyderabad ePrix 2023

Die Startaufstellung: Mitch Evans schnappte sich in einem chaotischen und von Track-Limit-Verstößen gezeichneten Qualifying seine erste Pole Position in der laufenden Saison. Jean-Eric Vergne, der kampflos ins Finale der Duellphase eingezogen war, komplettierte die erste Startreihe. Sebastien Buemi und Sacha Fenestraz folgten auf den Plätzen drei und vier. Maximilian Günther erzielte mit P5 sein bestes Saisonergebnis, mit Rene Rast auf P8 schaffte es ein weiterer Deutscher in die Top-8 der Startaufstellung. Pascal Wehrlein fiel wegen einer nachträglichen 3-Platz-Strafe (Sette Camara blockiert) auf den zwölften Startplatz zurück. Andre Lotterer im Kunden-Porsche von Andretti kam nicht über P20 hinaus. Schlusslicht war Kelvin van der Linde nach einem Unfall in Folge eines technischen Problems im Qualifying.

Der Start: Mitch Evans verteidigte in der sauberen Startphase die Pole Position vor Jean-Eric Vergne, während sich dahinter Sebastien Buemi an Sacha Fenstraz vorbei auf den dritten Platz verbesserte. Maximilian Günther behauptete die fünfte Position vor Nick Cassidy, der das Rennen vom neunten Platz aufgenommen hatte. Rene Rast büßte von P9 eine Position ein, Pascal Wehrlein verlor vom zwölften Startplatz schnell vier Positionen. Nico Müller fiel von P18 früh bis auf die letzte Position hinter Abt-Teamkollege Kelvin van der Linde zurück.

Die erste Rennhälfte: Edoardo Mortara krachte auf dem Weg nach vorne in die Seite von Nick Cassidys Envision, beschädigte sich dabei den Frontflügel und fiel weit zurück. Der Maserati-Fahrer setzte seine Fahrt zunächst mit einem unter dem Auto schleifenden Flügel fort, bevor sich das Teil über die Strecke verteilte und für eine gelbe Flagge sorgte.

Jake Hughes, Jake Dennis und Stoffel Vandoorne waren in Runde 5 die ersten Fahrer, die ihren Attack Mode aktivierten. In Runde 7 zündete Spitzenreiter Mitch Evans den Zusatzboost über 2 Minuten und fiel auf den vierten Platz zurück, während Sebastien Buemi automatisch die Führung übernahm. Evans konnte Sacha Fenestraz für P3 überholen und ordnete sich hinter Buemi und Vergne ein. Der Schweizer nutzte seinen ersten Attack Mode (2 Minuten) in Runde 8, wodurch Vergne die Spitze übernahm.

Zwei Umläufe später war dann Vergne mit dem 350-kW-Boost an der Reihe. Der DS-Pilot musste zwar Buemi passieren lassen, konnte sich aber vor Evans behaupten. Sacha Fenestraz holte sich auf P4 liegend in Runde 11 den ersten Attack Mode (2 Minuten) ab. Sam Bird überholte Maximilian Günther und verbesserte sich auf die fünfte Position. Abt-Cupra nahm unterdessen Kelvin van der Lindes Auto aus Sicherheitsgründen aus dem Rennen - der erste Ausfall.

Chaos dann in Runde 13! Auf dem Weg in die Haarnadel konnte Sam Bird offenbar nicht verzögern und rammte ausgerechnet seinem Teamkollegen Mitch Evans in die Seite. "Es tut mir so leid", entschuldigte sich Bird sofort. In die Jaguar-Kollision wurde unglücklicherweise auch Maximilian Günther sowie ein Nissan involviert.

An der Spitze ging es munter weiter: Vergne, Buemi und Cassidy zündeten ihre Attack Modes - durch die Positionswechsel mischte plötzlich auch Jake Dennis ganz vorne mit und nahm den zweiten Platz hinter Vergne ein. Cassidy eroberte wenig später P2 vom Andretti-Fahrer zurück. Buemi und Rene Rast folgten auf den Plätzen vier und fünf.

Der weitere Rennverlauf: Dennis machte in Runde 17 mit seinem 350-kW-Modus mächtig Druck auf den Drittplatzierten Buemi, doch der Schweizer verteidigte sich tapfer und erfolgreich. Dahinter lauerte Rene Rast, an dessen McLaren-Frontflügel ein Teil wild herumflatterte. Auch Cassidys Frontflügel war nicht mehr ganz heil, während der Envision-Pilot den Spitzenreiter Vergne durch die Kurven jagte.

Safety Car in Runde 23! Jake Hughes war der Auslöser nach einem selbstverschuldeten Einschlag in die Mauer kurz hinter der Spitzkehre in Turn 3. Die Top-10 zu diesem Zeitpunkt: 1. Vergne, 2. Cassidy, 3. Buemi, 4. Dennis, 5. Rast, 6. Rowland, 7. Felix da Costa, 8. Vandoorne, 9. Wehrlein, 10. Di Grassi

Bei Re-Start zur 26. Runde kollidierte Rene Rast von P5 in der Haarnadel mit Vordermann Jake Dennis und fiel mit seinem stark an der Front beschädigten McLaren weit zurück. Auch für Dennis war das Rennen quasi gelaufen.

Felix da Costa preschte in Runde 30 vorbei an Rowland auf die vierte Position, während Nico Müller im Abt-Cupra auf P16 die provisorische Bestzeit setzte. Vandoorne (P6) und Di Grassi (P9) kassierten 5-Sekunden-Zeitstrafen wegen missachteter Track Limits.