Ein plötzlicher Regenschauer sorgte für chaotische Zustände beim Samstagsrennen der Formel E in New York. Aquaplaning auf dem temporären Kurs im Hafengebiet von Brooklyn löste mehrere schwere Unfälle aus, die die involvierten Fahrer ohne Verletzungen überstanden. Dabei hätte der schwere Crash, den ausgerechnet die Top-3 des Rennens erlitten, auch ganz anders ausgehen können...

Siebeneinhalb Minuten vor dem Rennende bildeten sich durch immer stärker werdende Regenfälle regelrechte Pfützen auf dem Asphalt – die Fahrer mit ihren Allwetter-bereiften Autos waren machtlos angesichts der Bedingungen. Vor allem in Kurve 6, wo zunächst der Führende Nick Cassidy abflog und in die Streckenbegrenzung krachte. Der Neuseeländer, der beim Rennabbruch als Sieger gewertet wurde, hatte Glück, als direkt hinter ihm auch Lucas di Grassi nur noch Passagier war und mit hoher Geschwindigkeit in den Envision-Boliden rauschte.

Di Grassi: „Call von der FIA kam zu spät“

Di Grassi hatte nach dem chaotischen Rennende eine deutliche Meinung über die Abläufe beim elften Rennwochenende der Saison 2022. „Man konnte sehen, dass die Autos mehr und mehr rutschten“, sagte der Venturi-Pilot und frühere Champion. „Ich hatte schon eine Runde zuvor das Gefühl, dass es nicht mehr fahrbar war. Aus Turn 10 heraus war das Aquaplaning zu stark, selbst auf der Geraden.“

Der erfahrene di Grassi weiter: „Ich sagte am Funk, dass es nicht sicher ist. Der Call von der FIA kam zu spät, das hat den schweren Unfall ausgelöst. Das war der größte Crash meiner Formel-E-Karriere, zeigt aber, wie sicher die Autos sind. Ich bin mit 100 km/h in ein stehendes Auto eingeschlagen und Stoffel dann in mich.“

Hier sind Cassidy, di Grassi und Vandoorne verunfallt, Foto: LAT Images
Hier sind Cassidy, di Grassi und Vandoorne verunfallt, Foto: LAT Images

Frijns: „Plötzlich stand di Grassi quer vor mir“

Glück in dieser brenzligen Situation hatte Cassidys Teamkollege, der Drittplatzierte Robin Frijns. Der Niederländer bekam im letzten Moment die Kurve und konnte einen weiteren Einschlag vermeiden. Auch dem dahinterfahrenden Edoardo Mortara, der nach Platz fünf weiter die Meisterschaft anführt, gelang ein Ausweichmanöver im letzten Moment. Zusätzlich zu den extrem rutschigen Bedingungen erschwerte es aufgewirbelter Regen, die Übersicht zu bewahren.

“Ich habe früh gebremst, eigentlich nichts mehr gesehen und dann stand plötzlich Lucas (di Grassi) quer vor mir auf der Strecke. Und so etwas ist ja eigentlich nie gut“, sagte Frijns, der von einer Regenwand sprach, die ihm die Sicht verdeckte. „Ich kam gerade so durch die Kurve. Als das Rennen abgebrochen wurde, war ich Erster und dachte ganz kurz, dass ich gewonnen hätte. Aber Regeln sind nun mal Regeln.“

Mortara: „Dachte schon, dass ich jemanden verletzen könnte“

Der frühere DTM-Pilot Mortara beschrieb die extremen Verhältnisse so: "Ich hatte echt ein Riesenglück! Ich hatte bestimmt für 250 Meter aufgrund des Aquaplanings keine Fahrzeugkontrolle mehr und dachte schon, dass ich die zwei Autos vor mir treffen und womöglich sogar jemanden verletzen könnte."

Die Formel E hat in ihrer Geschichte schon mehrere Regen-Rennen erlebt, die meist glimpflich abliefen. Bei stehendem Wasser bzw. Aquaplaning wird es aber auch für die Allwetter-Reifen von Michelin schwierig, die sich mehrfach bewährt hatten. Und mit fortschreitender Nutzung in einem Rennen verlieren die Pneus naturgemäß an Grip.

Stoffel Vandoorne im Mercedes belegte zum Zeitpunkt des Rennabbruchs den dritten Platz und wurde später als Vierter gewertet, weil bei einem Rennabbruch laut Reglement der Stand aus der vorletzten Runde vor der roten Flagge herangezogen wird. „Leider ein ziemlich schlechtes Ende des Rennens mit einem heftigen Crash, das ist einfach außer Kontrolle geraten“, sagte der frühere Formel-1-Pilot. „Ich hatte Aquaplaning, ich glaube, die Top-Drei drehten sich aus dem Rennen, als es anfing zu regnen. Um ehrlich zu sein, ein ziemlich dramatisches Ende, nicht so, wie ich das Rennen beenden wollte.“

Die Formel E gastiert zum Double-Header in New York, Foto: LAT Images
Die Formel E gastiert zum Double-Header in New York, Foto: LAT Images

New York: Regen schon im Qualifying

Es war nicht das erste Mal, dass es am Samstag in New York regnete. Schon im Qualifying am Mittag begann es bei knapp 30 Grad Außentemperatur plötzlich zu regnen. Aufgrund des neuen Qualifying-Formats, bei dem die Fahrer nur auf die Ergebnisse in ihren jeweiligen Gruppen achten müssen, entstanden keine größeren Nachteile.

Nur in der K.o.-Phase profitierten Piloten, die sich zuvor bereits mit den nassen Bedingungen vertraut machen konnten. Übrigens: 2021 beim New York ePrix ging ein Training ebenfalls im Regen über die Bühne, im nachfolgenden Rennen blieb es allerdings trocken.

Hätte das Rennen wieder gestartet werden müssen?

Diskussionen gab es im Anschluss an das Rennen auch über die Entscheidung der Rennleitung, das Rennen bei noch siebeneinhalb ausstehenden Minuten Dauer nicht wieder aufzunehmen. „Ich bin ein bisschen voreingenommen, aber ich hielt es für die richtige Entscheidung“, sagte Rennsieger Cassidy, der andernfalls wegen seines Unfalls ebenso wie di Grassi und Vandoorne nicht gewertet worden wäre.

Andere Fahrer – vor allem die, die wegen des Abbruchs leer ausgingen und keine Chance hatten, ihre Position zu verbessern – hätten sich wenig überraschend eine Wiederaufnahme gewünscht. „Ich verstehe den Call nicht – warum nach den roten Flaggen nicht weitermachen“, wurde Titelanwärter Mitch Evans von Autosport zitiert. „Es waren noch sieben Minuten plus eine Runde auf der Uhr. Die Bedingungen wären besser geworden, nachdem der Regen aufgehört hatte. Ich denke, der Call war komplett falsch. Ich verstehe, dass es diese Regel schon lange gibt, aber sie erscheint falsch.“

Der zweifache Formel-E-Champion Jean-Eric Vergne, der nach einer frühen Kollision von Beginn an chancenlos war: „Die rote Flagge kam raus und ich bin ein bisschen überrascht, dass sie das Rennen nicht neu gestartet oder das Safety Car rausgeschickt haben, als es zu regnen begann.“