Abts Formel-E-Wahnsinn in Mexiko: Unfall, Krankenhaus, Rennen! (11:55 Min.)

"Hey, der Typ ist 'ne Maschine!" In der großen Medienrunde kurz nach dem Formel-E-Rennen in Mexiko steuerte Antonio Felix da Costa zuallererst schnurstracks auf Daniel Abt zu, klatschte mit ihm ab und zollte dem Audi-Fahrer seinen aufrichtigen Respekt. Nicht nur der Portugiese dürfte berechtigte Zweifel gehabt haben, ob Abt nach seinem schweren Unfall im Training am frühen Samstagmorgen überhaupt an den Start würde gehen können.

Siebeneinhalb Stunden lagen zwischen dem Einschlag mit einer Kraft von 21 G in die Streckenbegrenzung auf dem Weg in die Stadion-Sektion und dem Start zum vierten Rennen der Formel-E-Saison 2019/20.

Die Abt-Odyssee im Schnelldurchlauf: Nach dem Unfall im 1. Freien Training, ausgelöst durch ein Software-Problem, das seinen Audi unkontrollierbar mit rund 180 km/h in die TecPro-Barriere beschleunigte, wurde Abt per Hubschrauber in ein Krankenhaus in Mexiko-City eingeliefert. MRT- und Röntgen-Untersuchungen waren nötig, um zu überprüfen, ob Schlimmeres passiert sein könnte.

Das hätte schlimmer ausgehen können

"Ich war nur froh, dass nichts gebrochen ist und die Beine ganz normal sind", sagte Abt später zu Motorsport-Magsazin.com. "Wenn man sich das Monocoque anschaut, das hätte auch schlimmer ausgehen können..." Die Frontpartie wurde komplett zerstört, das Monocoque dient eigentlich nur noch zu Ausstellungszwecken. Heck samt Antriebsstrang blieben größtenteils unversehrt.

Während sich der gebürtige Kemptener noch in ärztlicher Obhut befand, war in der Audi-Garage Akkordarbeit angesagt. Innerhalb weniger Stunden bauten die Mechaniker ein Ersatz-Monocoque auf, das inzwischen glücklicherweise zum Reisegepäck des Autobauers aus Ingolstadt zählt. Zur Mittagszeit um 12:00 Uhr war das neue Auto bereits einsatzbereit, doch Abt konnte erst eine halbe Stunde später das Hospital verlassen und sich auf den Weg zurück an die Rennstrecke begeben.

Durch den ungeplanten Krankenhaus-Zwischenstopp verpasste Abt sowohl das 2. Training als auch das anschließende Qualifying. Ein Start aus den letzten Reihen - sofern überhaupt möglich - war damit programmiert. Eineinhalb Stunden vor dem Rennstart um 16:00 Uhr Ortszeit dann das finale grüne Licht: Startfreigabe durch den FIA-Arzt, Abt darf am Rennen, das er 2018 gewann, antreten.

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Spritze in den Hintern - Hintern ins Rennauto

Als letzter aller 24 Piloten tauchte Abt in der Startaufstellung auf und nahm in seinem Elektro-Boliden Platz. "Ich hab' ne schöne Spritze in den Arsch bekommen", führte er später mit einem Grinsen als Grund für das Last-Minute-Erscheinen an. "Ich hatte vor dem Start schon relativ große Schmerzen." Kein Wunder nach dem Einschlag an einer der schnellsten Passagen auf dem umgebauten Formel-1-Kurs.

Noch bevor die Ampeln auf grün schalteten, hatte Abt bereits für die Schlagzeilen des Tages gesorgt. Solch einen Tagesablauf erlebt man schließlich nicht alle Tage im Rennsport, noch dazu im extrem kompakten und intensiven Ein-Tages-Format der Formel E.

Dass Abt angesichts dieser Vorgeschichte nicht an die Audi-Tradition in Mexiko - vier Mal in Folge überquerten Lucas di Grassi oder Abt die Ziellinie als Erster - anknüpfen würde können, lag auf der Hand. Und so sollte es auch kommen: Sechs Runden vor Schluss stellte Abt seinen Boliden aus dem hinteren Feld heraus in der Boxengasse ab.

Audi baut innerhalb weniger Stunden ein neues Auto für Abt auf, Foto: LAT Images
Audi baut innerhalb weniger Stunden ein neues Auto für Abt auf, Foto: LAT Images

Kopf und Kragen: Muss nicht sein

"Das Bremsen ist mir ehrlich gesagt nicht so leicht gefallen, das war relativ schmerzhaft", erklärte der 27-Jährige. "Ich hatte das Gefühl, dass ich ganz gut mitfahren konnte. Ich wollte aber nichts riskieren und war einfach noch nicht in der Verfassung, schneller sein zu können. Ich habe später gemerkt, dass ich noch nicht zu 100 Prozent auf der Höhe war. Es hätte keinen Sinn gemacht, am Ende Kopf und Kragen zu riskieren."

Zwar mit null Punkten im Gepäck, dafür ohne bleibende körperliche Schäden, beendete Abt am Abend den sicherlich verrücktesten Tag seiner Motorsportlaufbahn. Nach einem 10-Stunden-Flug landeten er und einige Audi-Mitarbeiter am frühen Montagmorgen um 05:00 Uhr deutscher Zeit pünktlich am Münchner Flughafen, gut zwei Stunden später endete die Reise in der Abt-Zentrale in Kempten. 48 Stunden, die Abt sein Leben lang nicht vergessen wird.

Unfall, Krankenhaus, Rennen: Das Abt-Protokoll in Mexiko

07:30 Uhr: Start zum 1. Freien Training über 45 Minuten
08:05 Uhr: Abt schlägt mit 180 Sachen und 21 G in Kurve 9 ein
09:00 Uhr: Abt wird per Helikopter in ein Krankenaus geflogen
12:00 Uhr: Das Audi-Team baut innerhalb kürzester Zeit ein Ersatz-Monocoque auf
12:30 Uhr: Abt wird aus dem Krankenhaus entlassen, macht sich auf zur Strecke
14:37 Uhr: Abt erhält die finale Startfreigabe von der FIA
16:00 Uhr: Rennstart in Mexiko - mit Abt, 7:40 Stunden nach dem Crash