Susie, wie kam der Kontakt zum Venturi-Team eigentlich zustande?
Susie Wolff: Ich kenne den Teambesitzer Gildo Pastor seit längerer Zeit. Als die Formel E vor einigen Jahren begann, führten wir Gespräche. Es ging darum, ob ich als Fahrerin in die Serie einsteigen wollte. Ich entschied mich damals aber dafür, bei Williams in der Formel 1 zu bleiben. So kam es tatsächlich zum ersten Kontakt zwischen Venturi und mir. Gildo hat mich dann erneut kontaktiert, ob ich mir eine Zusammenarbeit in einer Management-Rolle vorstellen könne. Die Gespräche schritten schnell voran und da das Team bereits alle Vorkehrungen für eine langfristige Zukunft geschaffen hatte, war das für mich die perfekte Gelegenheit zum Einstieg.

Du übernimmst zum ersten Mal in deiner Karriere den Posten als Teamchefin. Bereitet dir das Sorgen?
Susie Wolff: Nein, ich mache mir keine Sorgen. Ich hätte den Job nicht angenommen, wenn ich nicht sicher wäre, dass ich dazu in der Lage bin. Ich unterschätze die Herausforderung, die die Verantwortung mit sich bringt, aber auch nicht. Ich weiß, dass ich noch viel lernen muss und viel Arbeit vor mir habe. Auch vor der Formel E als Meisterschaft und all den involvierten Teams habe ich den allerhöchsten Respekt. Die Formel E ist schon allein deshalb eine Herausforderung, weil man nicht immer ein Auto zur Verfügung hat, das gut genug für den Sieg ist. Das hat die Vergangenheit häufig genug gezeigt. Ich weiß, dass in der Formel E kein Spielraum für Fehler ist.

Mercedes-Teamchef Toto Wolff mit Tipps

Wie reagiert dein Ehemann und Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff auf deinen neuen Job?
Susie Wolff: Ich bespreche natürlich jede Entscheidung mit Toto. Wir sind beide sehr tief in der Motorsport-Industrie verankert. Es war klar, dass er ein Teil meiner Entscheidung sein würde. Als sich herauskristallisierte, dass ich bei einem Team mit großem Potenzial und den richtigen Leuten auf einer anderen Plattform als Toto arbeiten würde, hat er mich dabei vollkommen unterstützt.

Welche Tipps hat dir Toto für deinen neuen Job gegeben?
Susie Wolff: Ich habe sehr viel Glück, dass er sich nicht nur hinsetzt, um mir Tipps zu geben. Ich respektiere ihn sehr für das, was er erreicht hat und was ich von ihm gelernt habe. Ich habe so viel Glück, ihn an meiner Seite zu haben. Nicht nur als Ehemann, sondern auch als Mentor. Er glaubt an mich und tut alles in seiner Macht stehende, um mir zu helfen. Allerdings geht es in meiner neuen Rolle vor allem darum, eigene Entscheidungen zu treffen. Toto hat selbst ein Team zu führen und da werden wir nicht über jede Entscheidung sprechen, die ich bei Venturi treffe. Im Gesamtbild unterstützt er mich aber und das wird sicherlich auch ein großer Vorteil bei meiner neuen Beschäftigung in der Formel E sein.

Mercedes steigt zur übernächsten Saison als Werksteam in die Formel E ein - mit Toto Wolff als Teamchef. Es könnte also zum Familien-Duell zwischen euch beiden kommen...
Susie Wolff: Haha, das wäre wohl ziemlich einzigartig im Motorsport, oder? Aber ja, die Möglichkeit dazu besteht durchaus. Und ich würde mich wirklich darauf freuen, denn: Ich müsste mich ganz schön anstrengen, um ihn beziehungsweise sein Team auf der Rennstrecke zu besiegen.

Formel E 2018 Riad: Video-Highlights vom 1. Rennen der Saison (05:53 Min.)

Wo siehst du deine Stärken in der Führung eines Teams?
Susie Wolff: Das ist natürlich etwas Neues für mich, aber ich habe ja einen langen Motorsport-Hintergrund. Während meiner Pause nach dem Rücktritt als Rennfahrerin wurde mir sehr bewusst, wie groß meine Leidenschaft für den Sport ist und dass ich auf jeden Fall in dieser Umgebung weiterarbeiten möchte. In mir lodert ein Feuer, könnte man sagen! Und ich habe unglaubliches Glück, dass ich einen Ehemann habe, der im Motorsport sehr erfolgreich ist. Ich konnte beobachten, wie er sein Team zu vier Weltmeisterschaften in der Formel 1 geführt hat. Ich habe wirklich viel von ihm lernen können in dieser Hinsicht.

Und das hilft dir jetzt?
Susie Wolff: Ja, denn ich fühle mich trotz des Sprungs ins kalte Wasser nicht unvorbereitet. Natürlich habe ich noch sehr viel zu lernen, deshalb werde ich ohne jeglichen Übermut an die Sache herangehen. Ich bin aber überzeugt, dass ich wegen meines Hintergrundes und meines Wissens über den Sport das Zeug dazu habe, das Team zu leiten und es in eine gute Zukunft zu führen.

Susie Wolff als erste weibliche Formel-E-Teamchefin

Der Motorsport ist noch immer eine von Männern dominierte Welt. Wird für dich etwas anders sein als Teamchefin im Vergleich zu deiner Zeit als Rennfahrerin?
Susie Wolff: Ich selbst sehe mich nicht anders im Vergleich zu meinen männlichen Gegenübern. Mein Ziel ist klar und dafür muss ich einfach Leistung bringen. Mein Geschlecht ist da vollkommen irrelevant. Während meiner gesamten Karriere im Motorsport wurde ich immer gefragt, wie es denn sei als eine von nur wenigen Frauen. Das ist aber etwas, was mich nie beeinflusst oder beeinträchtigt hat. Ich beginne meine neue Rolle ja auch ohne Rücksicht darauf, dass ich eine Frau bin.

Susie Wolff mit ihren Fahrern Edo Mortara und Felipe Massa, Foto: Venturi
Susie Wolff mit ihren Fahrern Edo Mortara und Felipe Massa, Foto: Venturi

Wäre es in der Formel 1 schwieriger gewesen, Akzeptanz als Teamchefin zu erlangen als in der Formel E?
Susie Wolff: Ich glaube nicht, dass es in der Formel E einfacher ist. Einen großen Einfluss auf die Entscheidung für die Formel E hatte der Umstand, dass der Rennkalender nicht so riesig ist wie in der Formel 1. Es gibt deutlich weniger Rennen. Deshalb bietet die Formel E für mich die perfekte Plattform, um in dieser Rolle in den Motorsport einzusteigen. Ich sehe ja, wie hart mein Ehemann arbeitet. Das ist ein 24-Stunden-Job, sieben Tage die Woche. Und jetzt als Mutter wollte ich nicht in diese Welt. Mein Herz wird immer meinem Ehemann und meinem Sohn gehören. Deshalb ist die Formel E die perfekte Gelegenheit. Nicht, weil ich glaube, dass es in dieser Serie einfacher ist. Sie gibt mir eine Herausforderung - und ich war immer jemand, der Herausforderungen gebraucht hat. Für mich passte die Plattform der Formel E einfach viel besser zu meinem Leben.

Mit dem Projekt 'Dare to be different' setzt du dich für Frauen im Motorsport ein. Wirst du dich als Teamchefin für die Rückkehr einer Frau als Fahrerin in der Formel E starkmachen?
Susie Wolff: Ich denke, wir können insgesamt noch mehr machen. Wir haben ja in dieser Saison vor einigen Formel-E-Rennen unsere Events veranstaltet und bekamen viel Unterstützung von Frauen. Alejandro Agag (Gründer der Formel E) steht auch dahinter. Ich bin niemand, der glaubt, dass sich nichts verändern kann. In meiner neuen Position glaube ich, dass es nicht nur auf das Talent, sondern auch auf Gelegenheiten ankommt. Ich werde schauen, weibliche Talente zu finden und versuchen, sicherzustellen, dass sie ihre Chancen bekommen. Bei Venturi haben wir ohnehin schon eine fantastische Teammanagerin und weitere tolle weibliche Mitarbeiterinnen. Dass unser Team so unterschiedlich aufgestellt ist, sehe ich als einen großen Vorteil.

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