Für Nick Heidfeld beginnt der Arbeitstag früh. Um 5 Uhr morgens stehen Foto-Shootings für die neue Kooperation zwischen seinem Team Mahindra und Italo-Designer Pininfarina an. Abends dann die große PR-Veranstaltung, wir sind bis Mitternacht in Turin unterwegs. Am nächsten Morgen geht es für Heidfeld direkt weiter nach Barcelona. Simulator-Tests für das Formel-E-Rennen in Chile stehen auf dem Plan. Wir fragen uns: Wie anstrengend ist das Leben eines Formel-E-Fahrers abseits der Rennstrecken?

Nick, PR-Aktivitäten gehören zum Leben eines Rennfahrers dazu. Wie war es früher bei dir in der Formel 1 und heute im Vergleich zur Formel E?
Nick Heidfeld: In der Formel 1 war ich deutlich öfter unterwegs als jetzt. In allen Rennserien hängt es aber immer extrem von den Teams ab. In der Formel 1 gab es Teams, da warst du permanent unterwegs. McLaren hat seine Fahrer immer sehr eingespannt, wie ich gehört habe. Bei anderen Teams ist das viel weniger der Fall. Und dann kommt es natürlich ganz stark darauf an, wie du deinen Vertrag anlegst. Manchen Teams ist das extrem wichtig, da hast du dann 30 Tage PR-Arbeit pro Jahr. Bei anderen Teams sind es nur 5. Das ist relativ unterschiedlich.

Wie hast du das bei deinen Verträgen in der Formel 1 gehandhabt?
Nick Heidfeld: Natürlich ist es einem immer wichtig, genügend Freizeit zu haben. Das hängt letztendlich aber von der Verhandlungsposition ab, in der du dich befindest. Und natürlich muss man auch realistisch sein: Das ist ein Teil des Jobs.

Wie lief es denn früher bei dir in der Formel 1 abseits der Rennstrecken ab?
Nick Heidfeld: Besonders zu Beginn meiner Anfangszeit in der Formel 1 mit Blick auf die Testfahrten war der Zeitaufwand extrem hoch. Früher kamst du von einem Überseerennen zurück und hast dann in der gleichen Woche noch zwei, drei Tage getestet und bist dann wieder nach Hause geflogen. Da konntest du ein bisschen Fitness machen, vielleicht noch einen PR-Termin und dann ging es schon wieder weiter mit dem nächsten Rennen. Der Testaufwand in der Formel 1 ist ja dann aber vor ein paar Jahren deutlich reduziert worden.

Machen PR-Termine Spaß oder sind sie mehr notwendiges Übel?
Nick Heidfeld: Wir sind in der glücklichen Position, dass die Termine meist nicht langweilig sind. Teilweise hast du vorher keine große Lust, aber am Ende ist es doch ein cooler Termin. Egal, ob du irgendwo tolle Autos fahren kannst oder irgendwo hinfliegst und ein bisschen was von der Stadt mitbekommst. Das ist wirklich kein 08/15-Job, es gibt Schlimmeres.

Formel E 2018: Abt, Heidfeld, Engel, Lotterer im Check (02:20 Min.)

Bist du froh, dass du heute weniger PR-Termine hast als früher in der Formel 1?
Nick Heidfeld: Das ist gut und war ursprünglich ein Grund, warum ich in die Formel E wollte. Das ist ein Ein-Tages-Event, wo alles am Samstag stattfindet. Aber wenn alles professioneller wird, wird der Zeitaufwand immer größer. Da muss man sich entscheiden, ob man mitziehen möchte. Das mache ich ganz klar und es macht mir auch weiter einen Riesen-Spaß. Für mich hält sich das Ganze auch in einem sehr guten Rahmen.

Würdest du dir in deiner jetzigen Situation mit Familie und Kindern den PR-Stress der Formel 1 noch mal antun?
Nick Heidfeld: Das kommt ganz darauf an, welchen Gegenwert du dafür zurückbekommst. Wenn du in einem Formel-1-Team bist, bei dem du weißt, dass du um Siege mitfahren kannst, dann ja. Ansonsten hätte ich da aber keine Lust mehr zu.

In der F1 seid ihr bis zu 20 Rennen gefahren. In der Formel E sind es diese Saison nach der Montreal-Absage nur 12. Zu wenig?
Nick Heidfeld: Ja, 12 Rennen sind zu wenig. Der Plan der Formel E sah vor ein paar Jahren vor, das Ganze kontinuierlich wachsen zu lassen. Aber es ist verständlich, weil es offensichtlich viel schwieriger ist, den Rennkalender zu planen wenn man in Stadtzentren fährt statt nur auf permanenten Kursen.

Geht es für dich als Fahrer in der Formel E allgemein entspannter zu als in der Formel 1?
Nick Heidfeld: Ja, es geht ein bisschen relaxter und freundschaftlicher zu. Auch in der Formel 1 bin ich nicht dauernd mit einem Privatflieger losgeflogen, wollte aber schon relativ zügig nach Hause. Das ist hier in der Formel E auch der Fall, aber es gehen nicht immer Flüge... Die Atmosphäre in der Formel E würde ich momentan anders als in der Formel 1 beschreiben. Ich merke aber schon, dass es sich jetzt ein bisschen ändert und etwas härter wird. Das gehört vielleicht auch dazu.

Inwiefern härter?
Nick Heidfeld: Sagen wir mal so: In der Formel 1 gibt es einen Riesen-Kuchen, von dem jeder ein Stück haben möchte. In der Formel E - speziell in der Anfangsphase - war der ziemlich klein und alle wollten gemeinschaftlich etwas aufbauen. Jetzt merkt man langsam, dass doch jeder gern sein eigenes Stück hätte. Es ist noch nicht ganz das Haifischbecken wie in der Formel 1, aber es wird intensiver.