KERS kommt zurück - jedenfalls wenn es nach Ferrari, Renault und einigen anderen Formel-1-Teams geht. Im letzten Jahr entwickelten die Hersteller für viel Geld das Energierückgewinnungssystem, das der Formel 1 einen umweltfreundlichen Anstrich verpassen und die Rennen durch zusätzliche PS spannender machen sollte. Nach nur einem Jahr verzichten die Teams 2010 jedoch freiwillig auf KERS.

Im nächsten Jahr könnte das System ein Comeback feiern. Renault und Ferrari wollen es für eine Million Euro an andere Rennställe verkaufen. Allerdings sind nicht alle Teams von der Idee begeistert. Gerade die Neulinge halten die Kosten für zu hoch. Andere würden KERS gerne erst mit dem neuen Antriebsstrang, inklusive Motor, ab 2013 wieder einführen.

Laut Informationen von Autosport könnte KERS trotzdem schon 2011 zurückkehren - als Einheitssystem der britischen Firma Flybrid. Das Unternehmen rund um Jon Hilton entwickelte schon für die Saison 2009 ein Flywheel-KERS für Honda, das dann aber nie zum Einsatz kam. Derzeit wird ein Flybrid-KERS im Straßensektor von Jaguar eingesetzt.

Was ist ein Flywheel?

Das Flybrid-KERS liefert auf Knopfdruck mehr PS., Foto: adrivo Sportpresse
Das Flybrid-KERS liefert auf Knopfdruck mehr PS., Foto: adrivo Sportpresse

Im letzten Jahr setzten alle Teams außer Williams auf ein KERS mit Elektromotor und MGU-Generator, der Leistungselektronik (welche die Aufnahme und Abgabe von Energie steuert) und einem Energiespeichermodul, sprich Lithium-Ionen-Batterien der neuesten Generation, die Energie sehr schnell speichern und wieder abgeben können. Der Elektromotor wird direkt an die Kurbelwelle des V8 angeflanscht und gibt so unmittelbar den Schub an den Antriebsstrang ab.

Flybrid und Williams (mit der eigenen Firma Williams Hybrid Power) setzten auf ein Schwungrad-KERS. Wie der Firmenname (eine Kombination aus Flywheel und Hybrid) schon sagt, setzt Hilton auf ein Schwungrad (Flywheel) aus Kohlefaser, das mit extrem hohen Drehzahlen (bis zu 64.500) in einem Vakuumzylinder rotiert und über eine variable, stufenlose Übersetzung (CVT) mit dem Differenzial verbunden wird.

Das Getriebe kontrolliert die Übersetzungsänderungen zwischen den Rädern und dem Flywheel. "So kann man die Geschwindigkeit des Flywheels unabhängig von der Geschwindigkeit des Autos steuern", erklärt Hilton im Motorsport-Magazin. Um Energie zu speichern, wird das Flywheel beschleunigt, um Energie freizugeben, wird es abgebremst.

Vorteil Flywheel

Das Flybrid-KERS konnte zu Saisonbeginn 2009 bis zu 440 KJ speichern und hat zudem den Vorteil, dass es unabhängig vom Getriebe angeordnet werden kann. Um seine Kraft präzise zu nutzen, sind allerdings sperrige Regler erforderlich, die viel Platz in Anspruch nehmen. Nach dem Tankverbot gingen Experten eigentlich davon aus, dass die Zeit der Flywheel-Systeme vorbei sei.

Flybrid könnte alle Teams mit KERS beliefern., Foto: adrivo Sportpresse
Flybrid könnte alle Teams mit KERS beliefern., Foto: adrivo Sportpresse

Doch Hilton betont im Gespräch mit dem Motorsport-Magazin: "Im Vergleich zu den anderen Lösungen ist unsere sehr viel effizienter." Ein typisches Hybridstraßenauto habe eine Effizienz von 35%, bei einer cleveren Variante vielleicht 40%. Das Flybrid-KERS, das parallel auch für Straßenautos entwickelt wird, erreicht laut Hilton eine Effizienz von 70%. "Unser System ist auch sehr leicht, es wiegt gerade einmal 25 kg." Die elektrischen Lösungen der anderen Teams liegen zwischen 35 und 45 kg. Dieser Gewichtsvorteil spielt eine entscheidende Rolle, um Ballast im Auto vorteilhaft zu platzieren.

Hilton zählt auch eine sehr schnelle Reaktionszeit zu den Stärken seines Systems. "Wir sind in 50 Millisekunden von null auf Vollpower", sagt er. Wenn der Fahrer auf das Bremspedal tritt, erreicht er in 100 Millisekunden den vollen Bremsdruck. Somit ist das System noch bevor er voll bremst einsatzbereit. "Es ist auch relativ preisgünstig", wirbt Hilton für sein KERS. Die Entwicklung des ersten Autos sei sehr teuer, aber danach seien die laufenden Wartungskosten gering und die Lebensdauer verhältnismäßig hoch. Die Batterien der elektrischen Systeme halten maximal zwei Rennen und müssen dann teuer entsorgt werden.

Trotzdem gibt es Kritiker. "Einige Leute haben Sicherheitsbedenken", weiß Hilton um die Angst vor wild gewordenen Flywheels, die zur Gefahr werden könnten. Aber bei Flybrid habe die Sicherheit von Anfang an oberste Priorität gehabt. "Wir haben es getestet und es ist absolut sicher."

Das Flybrid-KERS wurde für Honda entwickelt., Foto: adrivo Sportpresse
Das Flybrid-KERS wurde für Honda entwickelt., Foto: adrivo Sportpresse

Gleichzeitig sei es zuverlässig, eine Eigenschaft die viele der elektrischen Varianten nicht besaßen. Zwar wurde das F1-KERS von Flybrid nur auf dem Prüfstand getestet, doch habe man bereits tausende Kilometer mit der Straßenvariante zurückgelegt, die der F1-Lösung zugute kommen. "Es gibt keine großen Unterschiede zwischen den beiden", verrät Hilton. "Die Straßenversion ist etwas schwerer, aber die Ergebnisse sind übertragbar."

Schwung für die Zukunft

Obwohl es aus Hiltons Sicht zu früh für ein Einheits-KERS ist, ist seine Firma schon seit letztem Winter daran interessiert, ein solches System herzustellen. "Man braucht dafür ein System, das geringe Einsatzkosten hat und wir haben mit Abstand das günstigste in dieser Beziehung." Hilton ist davon überzeugt, dass die Zukunft dem Flywheel gehört.

Denn wenn man mehr Leistung gewinnen wolle, würden die elektrischen Systeme Probleme bekommen. Bei 200 KW würde sich das Gewicht eines solchen elektrischen KERS verdreifachen. "Dann würde es über 100 kg wiegen." Das Flywheel-KERS von Flybrid würde nur 10 kg zulegen. Für Hilton wäre das dann eine klare Sache: "Alle würden mit einem Flywheel fahren."

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