Lewis Hamilton sah wie der sichere Sieger aus, doch dann patzte die Boxencrew und Rubens Barrichello drehte auf. Das Ergebnis: Juchzen, schluchzen und heulen im Boxenfunk.

Der Mann des Rennens

Eigentlich hätte ein gewisser Ex-Rennfahrer der Mann des Rennwochenendes sein sollen. Aber Michael Schumacher konnte wegen seiner Verletzungsnachwehen nicht ins Cockpit des verletzten Felipe Massa steigen. Rubens Barrichello wird es ihm gedankt haben: Denn so stand sein erster Sieg seit fünf Jahren einmal nicht im Schatten des Ex-Teamkollegen. "Er ist weltklasse gefahren", lobte Christian Danner. "Es war Opi-Racing, aber saugut."

Der Fehler des Rennens

Trängen des Glücks bei Barrichello., Foto: Sutton
Trängen des Glücks bei Barrichello., Foto: Sutton

"Normalerweise hätte Lewis Hamilton gewinnen müssen. Der Fehler ist an der Box passiert", analysierte Christian Klien nach Rennende. Hamilton führte das Rennen bis zum Boxenstopp in Runde 37 scheinbar ungefährdet an. Das Team hielt ihn zum Spritsparen an, um eine zusätzliche Runde gegen Barrichello zu gewinnen, der länger draußen bleiben konnte. Aber die Computer rechneten zu langsam, die Nachricht, dass es noch für eine weitere Runde reichen würde, erreichte Hamilton erst, als er schon in der Boxeneinfahrt war. "Da war es zu spät", gestand Hamilton. Die Crew hatte noch nicht alle Reifen parat liegen, er verlor wertvolle Zeit. Während Norbert Haug hinterher vorrechnete, dass es knapp geworden wäre, war sich Martin Whitmarsh sicher: "Wir haben das Rennen verloren, weil wir nicht schnell genug waren. Rubens' Rennpace war sehr gut, er hat Druck ausgeübt mit einem Auto, das schwerer war als unseres."

Die Motorschäden des Wochenendes

Gleich zweimal erwischte es ein Renault-Aggregat im Heck von Sebastian Vettels Red Bull. Den Motorschaden im Freien Training konnte er noch verkraften, den zweiten im Rennen weniger. "Der war schmerzhaft", räumte Teamchef Christian Horner ein. Vettel hatte danach nur noch zwei neue Motoren für die letzten fünf Rennen zur Verfügung. Somit droht ihm bei einem der Rennen eine Strafversetzung um 10 Startplätze wegen des Einsatzes eines neunten Motors. Erlaubt sind in dieser Saison nur acht pro Fahrer.

Die Enttäuschung des Wochenendes

Lewis Hamilton verlor einen möglichen Sieg an der Box., Foto: Sutton
Lewis Hamilton verlor einen möglichen Sieg an der Box., Foto: Sutton

Michael Schumacher war da, aber nur als Berater und moralischer Unterstützer, fahren musste Massa-Ersatz Luca Badoer selbst. Nach zehn Jahren gab er sein Renncomeback, zehn Monate nach seinem letzten Test in einem F1-Boliden. Die Ergebnisse waren ernüchternd bis erschütternd: Letzter, Drittletzter, Letzter, Letzter, Vorletzter - für einen ehemaligen Minardi-Piloten mag diese Statistik okay gewesen sein, für einen Ferrari-Fahrer hingegen nicht. "Ferrari kann nicht zufrieden sein, wenn eines seiner Autos auf dem letzten Platz ist", stellte Teamchef Stefano Domenicali unmissverständlich klar.

Die Strafen des Wochenendes

Als ob die Prügel für seine Ergebnisse nicht schon schlimm genug gewesen wären, kassierte Badoer an seinem ersten Trainingsfreitag als Ferrari-Einsatzfahrer nicht weniger als vier Strafen für Geschwindigkeitsübertretungen in der Boxengasse - das Speedlimit von 60 km/h war ihm ganz und gar nicht geheuer. Im Rennen erhielt er von den Rennkommissaren eine Drive-Through-Strafe, weil er Romain Grosjean in der Boxenausfahrt auswich und dabei leicht über die weiße Linie fuhr.

Die Lehre des Wochenendes

Fernando Alonso kam Nick Heidfeld schon im Training zu nahe., Foto: Sutton
Fernando Alonso kam Nick Heidfeld schon im Training zu nahe., Foto: Sutton

In der modernen Formel 1 wurde nach Rennende schon über vieles gerätselt: Doppeldiffusoren, verbotene Elektronik-Quellcodes und unfaire Rammstöße. Aber noch nie fragten sich die Beobachter, ob es einen Gewinner oder eine Gewinnerin gab - in der Leichtathletik soll so etwas schon mal vorkommen. Geschlechtstests sind also überflüssig, Dopingtests gibt es trotzdem. In der dreiwöchigen Sommerpause vor dem Europa GP wurde Nico Rosberg eines Tages früh um 7:00 Uhr rausgeklingelt. Die World Anti Doping Agency hatte ihn sich als Opfer auserkoren. "Es war Glück, dass der Test tatsächlich stattgefunden hat, denn meine Freundin mag es gar nicht, wenn sie so früh am Morgen im Urlaub aufgeweckt wird!" Das Ergebnis war in doppelter Hinsicht erfreulich: Nico hat natürlich nicht gedopt und er ist ein Mann - trotz der langen, blonden Locken.

Der Spruch des Wochenendes

"Barrichello hat das Rennen gewonnen? Das wusste ich gar nicht! Und wer ist Zweiter?" (Luca Badoer)

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