Sonntag ist Wahltag und dort buhlen viele windige oder weniger windige Gestalten um ihre Stimme, damit sie zum Wohle aller das Beste für den Staat tun können. Das Problem an einer Demokratie ist nur, dem Wohl aller wird dank verschiedener Ideologien nie gedient, aber immerhin wird mehr Leuten gedient als in allen anderen uns bekannten Herrschaftsformen, die es so gibt. Um mitgestalten zu können, wäre es sehr vernünftig, seine Stimme abzugeben und auch wenn man bei Wahlen immer den Eindruck hat, es tritt Not gegen Elend an - und das geht fast jedem so - so hat man wenigstens eine Wahl. Manche mögen es kaum glauben, aber es gibt noch Länder, wo man keine Wahl hat oder die durchgeführten Wahlen eine Farce sind.

Bei Sebastian geht es immer geradeaus, Foto: Sutton
Bei Sebastian geht es immer geradeaus, Foto: Sutton

Also, begeben wir uns auf die Pirsch, suchen wir nach den geeigneten Kandidaten, die wir wählen wollen. Da haben wir beispielsweise Sebastian, einen, der immer sagt, was Sache ist. Bei ihm gibt es kein um den heißen Brei Herumreden. "Hätte, wäre, wenn gibt es nicht", sagt der Vertreter der rot blauen Partei, die bei ihren Wahlveranstaltungen immer reichlich Energy Drinks verteilt. Dank dieser geradlinigen Einstellung sahen ihn die Umfragen auch auf guten Werten, dementsprechend zuversichtlich gab er sich vor der Wahl, ohne siegesgewiss zu wirken. "Es ist eine gute Chance für uns, aber wir müssen uns auf unsere Leistung konzentrieren - alles andere liegt nicht in unserer Hand."

Was Sebastian an Geradlinigkeit anbietet, versucht Nico mit Stil zu bringen. Immer gut gekleidet, immer gut frisiert, immer gut rasiert, so macht er sich an die Arbeit, denn Ordnung muss sein. Wenn er dann in seiner "Comfort Zone" ist, kann Nico verdammt schnell verdammt gut Entscheidungen treffen. Dementsprechend kann er seinen Anhängern auch immer glaubhaft vermitteln: "Wir haben wirklich fast am schnellsten im Feld entwickelt." Besondere Freude macht es ihm, wenn er die potentiellen Wähler mit Cliffhangern an sich Fesseln kann. Spannung kann eben auch Politik machen, deswegen hört man ihn oft sagen: "Wenn es so weitergeht..."

Anders macht es Timo. Er bietet den Wählern ganz klar an, für sie zu arbeiten, ihre Wünsche zu erfüllen, doch die müssen auch geäußert werden. "Wenn es passt, kann ich auch was daraus machen", erklärt er immer wieder. Natürlich schafft man sich so viele Freunde, mit vielen Freunden kommen aber auch immer viele Wünsche. Und allen Wählern kann man die Wünsche eben doch nicht erfüllen, sonst hätte eine gesunde Opposition auch nichts zu meckern. Timo probiert es trotzdem, auch wenn er schon vor der Wahl oft zugeben musste. "Es ist immer die Frage, wie man das macht."

Sonnenbrille und Bart war nur der Anfang, Foto: Sutton
Sonnenbrille und Bart war nur der Anfang, Foto: Sutton

Weiß-Blau sind die Parteifarben von Nick und zünftig ging es bei ihm zu. Bartträger waren in der Partei ebenso willkommen wie Sammler von Sonnenbrillen. Bald musste Nick merken, dass nur mit dieser Wählerschicht nicht viel zu gewinnen ist. "Am Anfang war es scheiße, dann haben wir immer mehr zugelegt", musste er über den Ausbau des Wahlprogramms berichten. Er richtete seine Anliegen dann doch an eine breitere Bevölkerungsschicht und bemerkte, wie vielfältig die Interessen sind. Er wollte gar nicht mehr aufhören, mit den Leuten zu reden. "Ich bin in Gesprächen und nach wie vor zuversichtlich. Es sieht ganz gut aus", sagte er auch noch zwei Tage nach der letzten Wahl.

Die letzte Ausrede der Nichtwähler wollte Sebastien aus dem Weg schaffen. Er gründete die Partei der Neutralen, die sich nirgends einmischen und nur ihr eigenes Ding durchziehen. "Ich weiß nicht, ob es dazu Glück braucht", meinte er auf die Frage, ob er viel Zulauf erwarte. Und siehe da, seine Anhängerschaft wuchs auf unerklärliche Weise. Neutral war in, da musste man sich nicht festlegen und weder Not noch Elend aussuchen. "Ich habe das Maximum herausgeholt." Auch gut so, Hauptsache die Leute wählen, egal ob sie damit nichts wählen.

Adrian versuchte es ganz anders. Er wollte beide Seiten - quasi Not und Elend - vertreten und damit alle Wähler glücklich machen. Ein eigentlich feiner Plan, der ihm so natürlich 100 Prozent Wählerzuspruch eingebracht hätte. Seinen Wahlkampf fing er auch mit dem Slogan an: "Ich kenne jetzt beide Seiten." Irgendwann merkte er dann aber, das geht so nicht, wenn, dann wollen die Wähler einer fixen Seite angehören, auch wenn die nur neutral ist. Also musste er gegensteuern, predigte hinduistischen Frieden und probierte es so. "Ich muss nur das Programm im Kopf ändern und dann geht es los." Nun gut, das muss jetzt auch nicht jedem gefallen, auch wenn Frieden doch was Schönes ist. Aber das Wichtigste ist eben, dass jeder zur Wahl geht, was dann angekreuzt wird, steht ja jedem frei. Nicht wählen wäre hingegen eine ziemlich schwache Leistung.