Ein Jahr war es her, dass Lewis Hamilton seine Titelhoffnungen im Kies von Shanghai und auf den Bodenwellen von Sao Paulo zu Grabe trug. Unerfahren, noch nicht abgeklärt genug, eben ein Neuling war er damals. Ein Jahr danach steckte er wieder mitten im Titelkampf, wieder führte er die WM an. Doch er selbst war gereift, hatte aus den Erfahrungen und Fehlern seines ersten WM-Kampfs gelernt, dachte in jeder Rennsituation an die WM. Das jedenfalls betonten seine Chefs Ron Dennis und Martin Whitmarsh in den Wochen vor Fuji.

"Lewis lernt dazu, er wird mental stärker und weiß, wie er den WM-Kampf zu führen hat", sagte Whitmarsh. Er wisse, was im WM-Kampf wichtig sei. "Klar, ich möchte immer gewinnen, aber ich habe gelernt, dass es manchmal von Vorteil ist, so viele Punkte wie möglich mitzunehmen und an einem anderen Tag zu kämpfen", sagte Hamilton nach dem Rennen in Valencia. "Mein Ziel ist die Weltmeisterschaft, die gewinnt man aber nicht, wenn man in der Mauer landet, weil man ein überoptimistisches Überholmanöver probiert hat."

Noch am Samstagnachmittag bestätigte er diese neue, innere Ruhe, diese Abgeklärtheit, diese fast schon Iceman-typische, finnische Coolness. "Wir wollen alle gut in die erste Kurve", sagte er. "Ich muss es machen wie immer; einen guten Start und dann als Erster in Kurve eins. Ich muss aber vernünftig sein. Ich darf niemandem die Tür zuschlagen und darf keine Risiken eingehen." Und dann brach doch der Heißsporn, der Racer in ihm durch, der verhängnisvoll hinzufügte: "Aber ich fahre auch, um zu siegen."

Der Massa-Stil?

Innen schlüpften Alonso und Kubica durch., Foto: Sutton
Innen schlüpften Alonso und Kubica durch., Foto: Sutton

Die Ausgangssituation war nahezu perfekt für Hamilton. Er auf Pole, sein Titelkonkurrent Felipe Massa nur auf Startplatz 5. Es hätte ein typisches Taktikrennen werden können. Wenn da nur nicht dieser Finne neben ihm in Reihe 1 gestanden hätte. Hamilton wollte unbedingt verhindern, dass sich Räikkönen am Start vor ihn setzt, ihn ausbremst und mit einem Taktikspielchen à la Eddie Irvine ins Hintertreffen bringt.

"Lewis hat ein mutiges Manöver gezeigt", nahm ihn Norbert Haug in Schutz. "Ich glaube nicht, dass es ein übermotiviertes Manöver war, es war Ungarnstil von Massa." In Budapest war der Brasilianer mit einem aggressiven Start von drei auf eins vorgefahren, vorbei an beiden McLaren. Im Gegensatz zu Ungarn ging Hamiltons Manöver am Start von Fuji allerdings nicht auf. Er bremste zu spät, wurde hinausgetragen und ließ dabei Räikkönen keinen Platz, um die Kurve zu nehmen. Dafür bekam Hamilton eine Drive-Through-Strafe, die das Fahrerlager spaltete.

Unverständnis auf beiden Seiten

"Mir ist nach wie vor nicht ganz klar, warum Lewis bestraft wurde. Das ist doch Motorsport, oder?", konnte Ron Dennis die Bestrafung seines Fahrers nicht nachvollziehen. "Es ist rätselhaft, was da für Entscheidungen gefällt werden." Trotzdem gab es Kritik am WM-Spitzenreiter. Denn egal ob die Strafe gerechtfertigt war oder nicht: "Ich hätte nach Singapur gedacht, er hätte kapiert, wie man Weltmeister wird", sagte Niki Lauda. "Aber hier fängt er wieder an. Wenn er vernünftig fährt, dann wird er Weltmeister."

Nick Heidfeld untermauerte, was der österreichische Ex-Champion damit aussagen möchte: "Ich habe schon vor dem Rennen gesagt, dass ich hoffe, Hamilton hat etwas aus dem letzten Jahr gelernt", so Heidfeld. "Beim letzten Rennen wurde ihm auch vom Team gesagt, er solle vorsichtig machen. So viel ich in den Highlights des Rennens erkennen konnte, war die Aktion in der ersten Kurve unnötig."

Denn nach den Ereignissen der vorangegangenen Wochen, den umstrittenen Strafen, hätte er wissen müssen, dass er sich keine riskante Aktion erlauben dürfe - immerhin stand Massa weit hinter ihm. "Für mich war das etwas optimistisch, vor allem wenn man an die WM denkt", kritisierte Massa, der selbst aber nicht minder aggressiv und fehleranfällig fuhr. Haug deutete dies als Hinweis darauf, dass die Nerven auch bei Massa blank lagen, der Druck auf beiden Seiten enorm war.

Hart und auch nicht herzlich

Massa war kein bisschen zimperlicher., Foto: Sutton
Massa war kein bisschen zimperlicher., Foto: Sutton

Nachdem kurz darauf Hamilton von Massa im direkten Zweikampf umgedreht wurde, kamen schnell Gerüchte auf, der Brasilianer habe es absichtlich gemacht, wenigstens um Hamilton einen Denkzettel zu verpassen. "Massa ist nicht dafür da, um Lektionen zu erteilen", sagte Haug sauer. "Er hat Lewis unfair umgedreht. Das sind alles keine Chorknaben."

Hamilton wurde schon öfter in dieser Saison für seine harte Fahrweise kritisiert, so zum Beispiel in Monza, wo er Timo Glock beinahe ins Gras drückte. Danach hagelte es Kritik, auch von Fahrerkollegen wie Robert Kubica. Diese wurde vom Team aber abgewiesen, Kubica solle sich lieber um seine Dinge kümmern. In Fuji machte er das. Während Hamilton nicht punktete, fuhr der Pole (vorläufig) wieder in den WM-Kampf.

Eine Standpauke oder Kopfwäsche vom Team sollte es aber nicht geben, auch ein genaues Briefing, wie er sich zu verhalten hatte, gab es nicht. "Das sind erwachsene Menschen", erwiderte Haug. "Wir haben mit ihm darüber gesprochen, vorsichtig zu sein, aber das darf man sich nicht wie bei einem Schulkind vorstellen, dem man sagt, was es zu tun hat. Wir geben Ratschläge, aber er möchte selbst Weltmeister werden und muss selbst Entscheidungen fällen."

Der lachende Dritte

Alonso holte sich den zweiten Sieg in Folge., Foto: Sutton
Alonso holte sich den zweiten Sieg in Folge., Foto: Sutton

Immer wenn Fernando Alonso ein Rennen oder einen Podestplatz im Vorhinein ausschloss, schien am Sonntag alles genau nach dem Geschmack des Spaniers zu laufen. Nach dem Qualifying meinte der Ex-Doppelweltmeister, dass Renault nicht die Pace hätte, um auf das Podium zu fahren. Dafür benötige man sehr viel Glück. Das schien dem Spanier zu diesem Zeitpunkt der Saison hold zu sein: nach seinem Sieg in Singapur stand Alonso auch in Fuji ganz oben auf dem Podium. Mit 5 Sekunden Vorsprung fuhr er seinen zweiten Sieg in Folge heraus.

"Der Start war das aufregendste am ganzen Rennen für mich", sagte der glückliche Sieger. "Die Fahrer sind vor mir sehr aggressiv in die erste Kurve gefahren, aber auch bei mir haben die Reifen blockiert und ich wurde leicht rausgetragen."

Zu diesem Zeitpunkt ging Robert Kubica an ihm vorbei, der eigentlich keinen guten Start hatte, aber wohl als einziger den Scheitelpunkt einigermaßen gut erwischte. "Alle anderen sind geradeaus gefahren", sagte Kubica. "Wenn einer dagewesen wäre, hätte ich ihn voll gerammt." Allerdings konnte er Alonso nicht davonfahren. "Im zweiten Stint war keiner vor mir, das Auto lief toll und so konnte ich einen Vorsprung herausfahren", erklärte Alonso. "Das war der Schlüssel zum Sieg."

"In Singapur hatten wir etwas Glück, aber heute war es ein verdienter Sieg für Fernando und das Team", sagte Flavio Briatore. "Wir haben eine tolle Leistung gezeigt." So sicher Alonsos Sieg war, so umkämpft war der zweite Platz in den Schlussrunden des Japan GP. Robert Kubica kämpfte nicht nur mit Kimi Räikkönen, sondern auch mit einem übersteuernden Auto und schlechter Traktion. Immer wieder setzte Räikkönen zum Überholmanöver an, ging neben den BMW Sauber, kam aber nicht vorbei. Die WM blieb weiterhin offen.