Bob, an einem neuen Grand Prix-Schauplatz muss die erste Frage lauten: Wie bewerten Sie den ersten Tag in Valencia?
Bob Bell: Es lief ziemlich gut. Wir konnten mit beiden Autos zusammen mehr als 100 Runden fahren, was ich für eine gute Distanz an einem Freitag halte. Ich glaube, alle Teams waren überrascht, dass das Gripniveau sogar noch viel schlechter war als erwartet. Daraus ergibt sich, dass die Rundenzeiten momentan etwas über unseren Vorhersagen aus den Simulationen liegen. Aber die Strecke baut jetzt kontinuierlich eine Gummiauflage auf. Unsere Fahrer sind mit dem Kurs schnell gut zurechtgekommen und fanden bereits eine brauchbare Balance. Wir haben auch schon viel über das Verhalten der Reifen an diesem Rennwochenende gelernt.

Viele Fahrer sprachen davon, dass es ziemlich knifflig wäre, die optimalen Bremspunkte zu erwischen...
Bob Bell: Das stimmt. Der Valencia Street Circuit ist in dieser Hinsicht extrem schwierig. Man kann sie mit Montreal vergleichen, die anspruchsvollste Strecke für die Bremsen überhaupt.

Kann ein Team bei der heutigen Simulationstechnik auf einer neuen Strecke eigentlich noch mit einem völlig falschen Set-up beginnen?
Bob Bell: Das halte ich für ausgeschlossen. Das einzige, was die Simulationen nicht mit einberechnen können, ist die exakte Linie, die die Fahrer wählen. Aber davon abgesehen, kennen wir den Großteil der Abstimmungsdaten, bevor das Auto auch nur einen Meter auf einem neuen Kurs gefahren ist. An der Rennstrecke dreht sich die Arbeit nur noch um das Optimieren dieser Einstellungen.

Man will in den kommenden Rennen das drittschnellste Auto stellen, Foto: Sutton
Man will in den kommenden Rennen das drittschnellste Auto stellen, Foto: Sutton

Die Formel 1 geht bald ins letzte Saisondrittel. Welche Ziele hat sich Renault F1 für den Endspurt gesetzt?
Bob Bell: Unser Ziel ist klar: Wir wollen Platz vier in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft erreichen und in allen kommenden Rennen das drittschnellste Auto stellen. Keine unmögliche Zielsetzung.

Man sieht, dass der Renault R28 seit Saisonbeginn erheblich weiterentwickelt wurde...
Bob Bell: Dieses Auto verbesserte sich von 1,2 Sekunden Rückstand auf nur noch 0,5 Sekunden Zeitverlust auf die Spitze. Und wir haben es geschafft, das Fahrverhalten während des Rennens zu stabilisieren. Der Wagen weist keinen grundlegenden Fehler auf, ihm fehlt bloß noch ein bisschen aerodynamische Effizienz. Aber wir arbeiten auch auf diesem Gebiet intensiv weiter.

Wie viel eurer Kapazitäten widmet ihr denn der Entwicklung des aktuellen Autos? Manche Teams arbeiten schon zu 100 Prozent an ihren 2009er-Rennwagen...
Bob Bell: Ich würde sagen, wir arbeiten zu 30 Prozent für 2008 und 70 Prozent für die kommende Saison. In den nächsten Wochen wird sich dieses Verhältnis weiter zugunsten des nächstjährigen Autos verschieben. Die Formel 1 steht niemals still!

Ihr geht also einen anderen Weg als 2004, als früh entschieden wurde, alle Kräfte auf das neue Auto zu konzentrieren, um zum Start der geänderten Aerodynamikregeln gleich vorn dabei zu sein.
Bob Bell: Die Situation war eine völlig andere. Erstens steckten im 2004er-Auto einige größere Probleme, die sich nicht ohne grundlegende Umbauten hätten lösen lassen. Zweitens waren wir ein viel jüngeres Team und konnten uns so eine Entscheidung erlauben. Und drittens ließen sich sogar einige der Erkenntnisse am 2005er-Auto aus dem Windkanal auf den aktuellen Wagen übertragen. Das wäre heute unmöglich, weil die Regeln für 2009 radikal andere Autos erfordern. Zwischen dem diesjährigen und dem nächstjährigen Auto ist kein Austausch denkbar.

Neben dem Wunsch, Vierter der Hersteller-WM zu werden – spielen da auch strategische Überlegungen mit, etwa der Wunsch, Fernando etwas zu beweisen, oder den Sponsoren?
Bob Bell: Indem wir zeigen, dass wir uns aus einer schwierigen Lage zurückmelden können, steigt natürlich Fernandos Vertrauen in unsere Fähigkeiten – und auch das unserer Partner. Auch wenn wir Ende 2008 ein schnelles Auto haben werden, bedeutet das noch nicht, dass unser 2009er-Renner ein Erfolg wird. Aber darauf kommt es nach meiner Ansicht auch nicht an. Sondern darauf, dass das gesamte Team Selbstvertrauen gewinnt, wenn wir gesteckte Ziele erreichen. Das wird uns für kommende Saison stärker machen.