Die Williams-Ära schien vorbei zu sein. Das erfolgreichste Team der 90er Jahre stand vor einer schier unlösbaren Aufgabe: ohne Werksunterstützung von BMW, ohne das verlorene Geld wichtiger Sponsoren und ohne ein konkurrenzfähiges Auto. Nach außen verkaufte Williams Cosworth die Saison 2006 als Weg zurück zu den Wurzeln. Alles sollte wieder britischer werden, doch es wurde vor allem eins: unzuverlässig. Der FW28 fiel zu oft aus - und war obendrein nicht schnell genug.

Mit Nico Rosberg will Williams zurück an die Spitze., Foto: Sutton
Mit Nico Rosberg will Williams zurück an die Spitze., Foto: Sutton

Williams schien auf dem absteigenden Ast zu sein, inmitten des Kriegs der Automobilkonzerne. Doch Frank Williams und Patrick Head scheinen das Blatt gewendet zu haben. Für 2008 sind neue Sponsoren an Bord, seit 2007 wird das Team wieder von einem Herstellermotor angetrieben, dessen eigentliches Werksteam in der ersten Saison deutlich abgehängt wurde. Und mit Nico Rosberg hat Williams einen angehenden Superstar im Team, den sich Sir Frank einiges kosten ließ - nämlich die Chance auf eine sündhaft hohe Ablöse von McLaren Mercedes. Die Zukunft sieht also wieder rosiger aus - auch mit dem FW30.

Das Team Mit der isländischen Investmentfirma Baugur hat Williams einen großen Coup gelandet. Bislang beschränkt sich der Deal auf Sponsorenverträge mit drei Unternehmen der Gruppe, weitere sollen jedoch bald folgen - das sei erst die Hälfte, betonte das Team. Meldungen über einen Anteilsverkauf wollte man jedoch nicht bestätigen. Es hätten keine Anteile den Besitzer gewechselt. Das pikante daran: Baugur wollte eigentlich Hauptsponsor beim neuen Prodrive Team werden. Deren Kundenchassisteam kam jedoch nicht zustande - unter anderem, weil Williams juristische Schritte dagegen androhte.

Die Lackierungen wechselten während der Tests, die Performance des Autos blieb., Foto: WilliamsF1
Die Lackierungen wechselten während der Tests, die Performance des Autos blieb., Foto: WilliamsF1

Abseits der finanziellen Seite hat sich bei Williams über den Winter nichts getan. Die großen personellen Veränderungen des Vorjahres hatten gegriffen. Die Neuen wie Rod Nelson und Jon Tomlinson brachte das Team wieder auf Kurs, Technikchef Sam Michael hat wieder mehr Zeit, sich um seine Aufgaben zu kümmern und die Technikerriege zu lenken.

Das Auto Der FW30 war auf Anhieb gut und schnell. Im Laufe der Tests brannten beide Stammpiloten überraschend gute Rundenzeiten in den Asphalt. Die mangelnde Zuverlässigkeit hatte das Team schon 2007 verbessert, soll in dieser Saison aber noch stärker bekämpft werden. Den Grund für die teilweise ungewöhnlichen Probleme der Vergangenheit machte Patrick Head am Ausscheiden langjähriger Mitarbeiter fest, deren Nachfolger noch nicht alle Kniffe gelernt hatten.

Das Auto liegt stabiler, vor allem auf der Hinterachse, was Nico Rosberg freuen dürfte, da er sich 2007 öfter darüber beklagte. Beim Motor herrscht Kontinuität. Der Toyota-V8 ist sicher nicht der beste, aber ein guter Motor. Das neue langlebige Getriebe testete Williams schon im letzten Jahr im Auto. Wie bei allen Teams muss dieses 2008 vier Rennwochenenden heil überstehen. Der einzige Rückschlag, in einer ansonsten nahezu perfekten Wintersaison, war ein Unfall von Kazuki Nakajima in Barcelona. Aus Sicherheitsgründen wurde der Test danach abgebrochen. Ein neuer Frontflügel musste angefertigt werden, konnte die Probleme aber beheben.

Auch der Nebel konnte Hülkenbergs Ausrutscher beim Rollout nicht verstecken., Foto: Sutton
Auch der Nebel konnte Hülkenbergs Ausrutscher beim Rollout nicht verstecken., Foto: Sutton

Die Fahrer: Seit über zehn Jahren setzt Williams auf deutsche Piloten: Heinz-Harald Frentzen, Ralf Schumacher, Nick Heidfeld und Nico Rosberg hielten die schwarz-rot-goldenen Farben in Grove hoch. In diesem Jahr sind gleich zwei Deutsche aktiv: neben Rosberg ist sein Namensvetter Nico Hülkenberg Testfahrer. Bislang glänzte Hülkenberg durch einige Ausritte und Kiesbettbesuche, aber auch durch gute Rundenzeiten. Nur sein Abflug beim Rollout des neuen Autos in Valencia brachte ihm eine Standpauke seitens Sam Michael ein.

Der Star in der jüngsten Fahrertruppe des Starterfeldes ist ein 22-Jähriger. Rosberg wird von allen Seiten hoch gelobt - vom Team, von den Experten, von den Konkurrenten und von seinem Ex-Teamkollegen, was wohl eine der größten Adelungen des Rennsports ist. Für Alex Wurz ist Rosberg der beste Qualifyer im gesamten Starterfeld - und dazu noch ein starker Racer. Kein Wunder, dass Frank Williams ihn nicht hergeben wollte. Der andere Grund dafür war, dass er einen Verkauf seines Rohdiamanten weder den Sponsoren noch dem Team hätte vermitteln können. Statt einem Motivationsknick kommt es nun zum Motivationsschub - für den kann Rosberg sorgen, auch mit seinen Aussagen, dass er langfristig mit Williams Erfolg haben will.

Nakajimas fehlende Erfahrung fiel bei den Tests noch nicht ins Gewicht., Foto: Sutton
Nakajimas fehlende Erfahrung fiel bei den Tests noch nicht ins Gewicht., Foto: Sutton

Sein neuer Teamkollege Kazuki Nakajima war in der GP2 kein Überflieger wie Hamilton, Kovalainen, Piquet oder Rosberg selbst. Nakajima fiel oft durch übertrieben wilde Aktionen und Fehler auf. Dem Titelgewinn war er nie nah. Bei den F1-Tests im Laufe der Saison 2007 und bei seinem GP-Debüt in Brasilien schlug er sich jedoch viel besser als erwartet. Viele sehen den Toyota-Zögling nur als Beigabe zum Motorendeal, als Zugeständnis an den Partner. Aber bislang wusste Nakajima bei den Wintertests zu überzeugen, mit guten, konstanten Zeiten, weniger Fehlern als in der GP2 und laut Rosberg auch mit gutem Feedback an die Ingenieure. Nur der Unfall in Barcelona überschattete seinen Winter, dafür konnte er jedoch nichts. Sein Ziel ist es, Rosberg zu schlagen - das dürfte für ihn schwer werden.

Was Williams fehlt ist ein erfahrener Testpilot. Nico Rosberg ist in seiner dritten F1-Saison die Nummer 1, der Fahrer, der die Richtung vorgeben muss - auf der Strecke, neben der Strecke und bei der Weiterentwicklung. Als Beinahe-Aerodynamikstudent gilt er als technisch interessiert und versiert. Alex Wurz beobachtete, dass Rosberg in der letzten Saison alle Infos von ihm aufsog und für sich umsetzte. Vom unerfahrenen Nakajima und ebenso unerfahrenen Testfahrer Hülkenberg darf sich Rosberg keine Hilfe erwarten. Immerhin: Rosberg ist überzeugt, dass er sich in den letzten beiden Jahren das Vertrauen des Teams erarbeitet habe. In die Entwicklung des FW30 seien einige seiner Ideen eingeflossen. Hülkenberg ist noch jung, unerfahren und wild, eben kein Alex Wurz, der als Tester schon alles gesehen und ausprobiert hat, auf einen riesigen Wissensschatz zurückgreifen kann. Also liegt alle Last auf Rosberg. Zukünftige Stars müssen damit klarkommen; er freut sich sogar darauf.

Williams - Hausaufgaben gut gemacht?*

Pluspunkte Minuspunkte
+ höheres Budget
+ gute Tests
+ Nico Rosberg
- unerfahrener Nakajima
- kein erfahrener Tester
Hausaufgaben gut gemacht? Saisonprognose
Kaum Probleme bei den Wintertests. Das Frontflügelproblem wurde in einer testfreien Woche behoben - effektiv gingen also nur zwei Testtage verloren, auch wenn die Problemlösung Entwicklungszeit und -kapazitäten band. Besser wäre es ohne dieses Problem gewesen, doch auch so ist Williams dank guter und konstanter Ergebnisse eine der Überraschungen des Winters. Note: 2 Nakajima hat ein Lehrjahr vor sich, kann vielleicht hin und wieder überraschen. Die Last liegt auf den Schultern von Nico Rosberg. Er muss die Richtung vorgeben und die Ergebnisse einfahren. Das Auto dafür scheint er zu haben, das Talent und Potenzial sowieso. Siege sind aus eigener Kraft nicht möglich, aber regelmäßige Punkteplatzierungen und vielleicht ein Podiumsbesuch sollten auf der Agenda stehen. Die Konkurrenz ist im knallharten Mittelfeld allerdings nicht gerade gering. Die Details werden entscheiden.

* Hausaufgaben gut gemacht ist seit 2001 die traditionelle Saisonvorschau auf motorsport-magazin.com/f1welt.com. Die vergangenen 7 Jahre ergeben noch nicht ganz 760 Seiten, aber total viele Kopien sollen dieses Jahr gesichtet worden sein...