Fernando, vor dem Qualifying sah es so aus, als könntest Du um die Pole fahren, was war los?
Fernado Alonso: Ich will nicht über jede einzelne Session reden, aber gut, wenn ich drei oder vier Tausendstel verloren hätte, das wäre egal. Das kann am Benzin oder kleinen Details liegen. Aber sechs oder sieben Zehntel... Ich kann mich an kein Rennen in meiner Karriere erinnern, in dem ich so weit hinter meinem Teamkollgen lag. Das ist schon ein bisschen komisch gewesen. Wenn es das ganze Wochenende so gewesen wäre, dann kann man denken, dass ich etwas am Auto nicht so gut hinbekommen hätte, dass mir die Zeit die ganze Zeit schon gefehlt hat, oder mir eine Kurve nicht so gut liegt oder so etwas. Aber ich war immer einen Tick schneller, dann im Q1 und Q2 auf einmal nicht mehr und in Q3 so weit weg... Das war die größte Überraschung des Qualifyings. Aber morgen ist das Rennen und darauf kommt es an. Ich kann morgen auch das Rennen gewinnen, die anderen kommen nicht ins Ziel und das Qualifying bleibt nur eine kleine Anekdote.

Hast du ein gutes Gefühl für das Rennen?
Fernado Alonso: Überhaupt nicht. Ich bin Vierter, muss eine Menge Punkte aufholen und klammere mich an die einzige Hoffnung, die mir bleibt: Dass es zu regnen anfängt, es ein schwieriges Rennen wird, dass ich Glück habe, durchzukommen und die anderen Probleme haben werden. Es ist die einzige Möglichkeit, wie ich mit ein bisschen Hoffnung ins Rennen gehen könnte. Alles andere würde es unmöglich machen. Bei einem Rennen im Trockenen gibt es keine Hoffnung, weil nur noch Brasilien übrig bleibt und in diesem Jahr läuft immer alles normal.

Wie ist die Stimmung im Team?
Fernando Alonso: So wie immer in der letzten Zeit. Einige reden nicht mehr mit mir, einige haben sich für eine Seite entschieden und dann reden sie in den Zeitungen, was sie wollen.

Bist Du also enttäuscht von McLaren?
Fernado Alonso: Ich habe mir sehr viel mehr vom Team erhofft. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Wir haben uns alle sehr darauf gefreut. Von außen hat man einen ganz anderen Eindruck vom Team: einen seriösen, professionellen. Ich bin hier als Doppelweltmeister hergekommen und habe das Auto so gut, wie ich konnte, verbessert. Letztes Jahr war es für das Team noch schwierig das Q3 zu erreichen und in diesem Jahr werden sie die Weltmeisterschaft gewinnen. Um die Wahrheit zu sagen: Gemessen daran wurde ich hier nicht immer gut behandelt.

Hast du als Doppelweltmeister erwartet, dass man dich so behandelt?
Fernado Alonso: Nicht als Doppelweltmeister, sondern als Mensch habe ich es nicht erwartet.

Ist der Traum McLaren also zum Alptraum geworden?
Fernado Alonso: Nein. Ich bin in einem Team, das ein Siegauto hat. Ich habe vier Rennen in diesem Jahr gewonnen. Vor mir hat noch nie ein Spanier nur einen Grand Prix gewonnen und ich in diesem Jahr vier. Ich kann mich also nicht beschweren. Ich habe das Glück gehabt, ein konkurrenzfähiges Auto zu bekommen und ich habe bis zum Ende um die WM gekämpft. Aber es war auch nicht alles so gut, wie ich es mir erhofft habe, aber ein Alptraum war es sicher nicht.

Gestern hat Ron gesagt, dass es ihm nicht gefallen hat, dass Du auf der Pressekonferenz geschwiegen hast, anstatt zu sagen, dass im Team beide Fahrer gleichbehandelt werden...
Fernado Alonso: Manchmal ist es besser, den Mund zu halten als zu lügen, soviel ist klar. Das ist eine Sache, die er auch öfter tun sollte. Seinem Team würde es gut tun. Denn viele Sachen, die in diesem Jahr passiert sind, die Skandale, in die wir auf und abseits der Strecke verwickelt waren, sind zu großen Teilen seinen Aktionen geschuldet... Ich glaube, dass jeder seine Philosophie hat und das ist ja auch verständlich. Ich habe viel mit Coulthard, Montoya und Kimi gesprochen. Und alle waren glücklicher, nachdem sie das Team verlassen haben.

Was hat Dir Ron Dennis versprochen und nicht eingehalten?
Fernado Alonso: Er hat mir gar nichts versprochen. Das Einzige, was ich ständig höre ist das Gerede über die Gleichberechtigung. Aber es ist doch so: Genau das, womit man am meisten angibt, das hat man am wenigsten. Gleichberechtigung innerhalb eines Formel 1-Teams ist unmöglich. Es gibt immer ein besseren Motor, eine bessere Runde für den Boxenstopp und so weiter. Ich sage nicht, dass es nicht eine gewisse Gleichberechtigung gibt. Mal geben sie dem einen Piloten den Vorteil, mal dem anderen, aber vielleicht haben sie mich am Anfang öfter ausgewählt und jetzt vielleicht nicht mehr so häufig. Aber er redet von Gleichberechtigung und es gibt sie nicht.

Fällt es Dir schwer zu sehen, dass Dein Team zu einem anderen Fahrer hält?
Fernado Alonso: Nein, das beeinflusst mich nicht. Das motiviert mich nur noch mehr, es gut zu machen, die Pole und den Sieg zu holen, auf den Wagen zu steigen und die Fäuste zu ballen. Das ist eine Extra-Motivation. Deswegen kämpfe ich auch bis zum letzten Moment und auch, weil mich so viele Leute unterstützen. Bei jedem Rennen sind so viele spanische und asturische Fahnen, sogar hier in Shanghai.

Auch die Entscheidungen der Rennstewards in diesem Jahr waren sehr unterschiedlich. Darf sich Hamilton alles erlauben?
Fernando Alonso: Das geht schon seit einiger Zeit so. Letztes Jahr sah es so aus, als würden sie Michael [Schumacher] alles geben, was er wollte und in anderen Jahren war es mit anderen so. Dieses Jahr war alles ganz genauso. Der Kran setzte Hamilton auf dem Nürgurgring vom Kiesbett wieder auf die Strecke, dabei ist das nicht erlaubt. Ab dem nächsten Rennen wären wir dafür bestraft worden. Wie er hinter dem Safety Car gefahren ist, war nicht erlaubt und ab jetzt wird diese Fahrweise bestraft. Mir hätte es gefallen, wenn Sachen, wie die in Monza [letztes Jahr] oder Ungarn in diesem Jahr auch erst ab dem nächsten Rennen bestraft worden wären. Die Strafen hätten nicht direkt ausgesprochen werden sollen. Aber gut, die Komissare haben alle Informationen zur Hand, man sollte sich da nicht einmischen.

Es muss da doch eine Lösung geben.
Fernado Alonso: Das muss mein Team regeln. Ich versuche nur weiter mit der gleichen Einstellung bestmöglich zu helfen, dass wir das beste Auto haben und natürlich Rennen zu gewinnen. Aber sie... Die Sachen, die sie sagen und machen, an Tagen wie in Spa, die Lügen über mich, die sie an die englische und deutsche Presse weitergeben, damit die schlecht über mich berichten. Das passiert innerhalb meines eigenen Teams. Ich denke, dass sie etwas tun müssen, um die Situation zu verbessern.

Wann wissen wir, wo Du 2008 fährst?
Fernado Alonso: Ich hoffe bald, damit ich mich darauf vorbereiten kann. Ich weiß nicht wo.

Der Eindruck ist, dass Du hier nicht weitermachen kannst?
Fernado Alonso: Ich versuche meinen Job so gut wie möglich zu machen, das Auto zu verbessern, gute Abstimmungen hinzubekommen, die Rennen so gut es geht zu fahren und das ist alles. Und danach siehst du seine [Ron Dennis] Aktionen, Kommentare und Statements... Egal, sie haben keine große Lust weiterzumachen. Sie haben einen Fahrer, der ihnen besonders wichtig ist. Okay, auch kein Problem. Es gibt zehn andere Teams, die an mir interessiert sind.

Könntest Du Dir trotzdem vorstellen, bei McLaren zu bleiben?
Fernado Alonso: Ja, ich habe hier einen Vertrag. Deswegen gibt es sicherlich die Möglichkeit hier weiterzufahren. Man muss aber schauen, ob das die beste Lösung ist oder nicht.

Hast Du noch Hoffnung auf den WM-Titel?
Fernado Alonso: So gut wie keine.

Weil, wenn Du hier gewinnst, würdest Du in Brasilien wieder andere Probleme haben...
Fernado Alonso: Ich weiß es nicht. Wir wissen, dass man sich über die Aussagen einiger Leute im Team nur amüsieren kann; zum Beispiel über die Aussagen meines Chefs, der zu meinem Teamkollegen und Rivalen ein väterlicher Freund ist. So kann man nie großes Vertrauen darin haben, was diese Person tut.

Abgesehen von den Fallen des Teams und den FIA-Entscheidungen - hat Hamilton den Titel verdient?
Fernado Alonso: Ja. Man muss auch realistisch und sportlich bleiben. Man muss gewinnen und auch verlieren können. Wenn ich dieses Jahr nicht gewinne, dann, weil jemand mehr Punkte als ich gesammelt und den besseren Job erledigt hat. Den Zwölf-Punkte-Vorpsrung hat er, weil er bis jetzt besser abgeschnitten hat. Sei es, weil er weniger Ausfälle hatte oder es mehr Entscheidungen zu seinen Gunsten gab. Er hat mehr Punkte, also ist es verdient.