Es geschah in Runde 41. Fernando Alonso bremste Kurve 5 an, das Auto schwamm auf, er hatte keine Chance seinen McLaren abzufangen. Er drehte sich, schlug in der Mauer ein und war raus - aus dem Japan GP und womöglich auch dem Titelrennen. "Das war einer dieser Aquaplaning-Momente, in denen man nichts mehr kontrollieren konnte", sagte er hinterher. Seine Berührung mit Sebastian Vettel einige Runden zuvor machte er nicht für den Abflug verantwortlich. "Das Auto hat sich schon etwas komisch angefühlt, aber der Crash hatte damit nichts zu tun - es war Aquaplaning."
Das Team machte ihm keinen Vorwurf. "Er hatte Aquaplaning und ist an der falschen Stelle rausgeflogen - nämlich da, wo ausnahmsweise einmal keine Asphaltauslaufzone war", bestätigte Christian Danner die Machtlosigkeit des aquaplanenden Weltmeisters. Aus Sicht von Lewis Hamilton hätte nichts Besseres passieren können. Er fuhr einen sicheren Sieg ein, machte 10 Punkte auf seinen ärgsten Rivalen gut und liegt zwei Rennen vor dem Ende mit 12 Zählern in Führung.
"Aber es ist noch nicht vorbei für Fernando", betont Ron Dennis. "Wir werden beiden Fahrern weiter alle Möglichkeiten geben, den Titel zu gewinnen." Dennoch scheint die alte Weisheit gegriffen zu haben, dass sich im Laufe einer Saison alles ausgleicht. Beim letzten Chaosrennen am Nürburgring erwischte Hamilton einen schwarzen Sonntag, es war das einzige Rennen, bei dem er außerhalb der Punkte ins Ziel kam. "Dort habe ich 10 Punkte verloren, jetzt habe ich das Glück, sie zurückzugewinnen", sagte er. Das gibt ihm natürlich einen Motivationsschub für den Endspurt. "Aber noch kann alles passieren. Der Schlüssel ist es, auf der Strecke zu bleiben." Denn ein Ausfall könnte das Blatt sofort wieder wenden.
"Ich werfe noch nicht das Handtuch", kündigte Alonso an, "aber so lange es keinen Ausfall von Hamilton gibt, müssen wir realistisch bleiben und einsehen, dass es sehr schwer wird, sechs Punkte pro Rennen aufzuholen." Das Gesetz der Serie könnte auch hier greifen - denn bislang kam Hamilton bei allen 15 Saisonrennen ins Ziel. "Vielleicht passiert ja in den letzten beiden Rennen etwas", hofft Alonso. "Wir müssen probieren, beide Rennen zu gewinnen." Er müsse jetzt nur noch fahren und auf ein Wunder hoffen - einen Ausfall seines Konkurrenten. "Vielleicht kann ich jetzt also entspannter fahren."
Unmöglich ist das nicht. "Michael Schumacher war letztes Jahr auch schon fast Weltmeister, dann hatte er einen Motorschaden und alles sah anders aus", erinnert Christian Danner an den Japan GP des Vorjahres. Damals war Alonso der Glückliche, der in Suzuka den Titel fast schon klar machte. Diesmal war es umgekehrt. "Es wird aber immer erst am Schluss zusammengezählt", betont Danner.
Selbst Ferrari hat er noch auf der Rechnung. "Wenn es noch 20 Punkte gibt, reichen 17 nicht aus", stimmte Norbert Haug zu. "Was heute mit Alonso passiert ist, könnte nächste Woche mit Hamilton passieren", bestätigte Jean Todt. "Es gibt eine Vorhersage, dass es vielleicht Regen geben wird. Man hat heute gesehen, wie viele Autos in einen Zwischenfall verwickelt waren." Auf jeden Fall wolle man die letzten beiden Rennen gewinnen.
Damit das gelingen kann, muss man die richtigen Reifen aufziehen. Denn während Alonso von den Wassermassen bezwungen wurde, besiegte sich Ferrari selbst - noch vor dem Rennstart. Statt der schweren Regenreifen zog man die normalen Regenpneus auf. Ein folgenschwerer Fehler, wie Jean Todt hinterher gestehen musste. "Wir dachten, es gäbe andere Bedingungen." Ferrari rechnete mit einer abtrocknenden Strecke nach dem Ende der Safety Car Phase. Aber wenige Minuten vor dem Start kam der Schock: "Wir haben mit dem technischen Operator von Bridgestone gesprochen und er sagte uns, die Full Wets wären die besseren Reifen, um das Rennen zu starten. Für uns war es eine große Überraschung und wir waren geschockt." All das geschah noch vor Runde 1.
Die x Fragezeichen
Hätte man das Rennen abbrechen müssen?
Nur vier Minuten waren die Piloten am Samstagmorgen im 3. Freien Training unterwegs. Der Regen und der Nebel verhinderten eine Austragung des Trainings und einen Start des Rettungshubschraubers. Am Sonntag ging das Feld bei ähnlichen Bedingungen auf die Reise, der Regen war sogar noch schlimmer, die Sicht nach übereinstimmenden Aussagen der Piloten kaum vertretbar.
"Die Bedingungen heute waren extrem. Ich denke, man hätte das Rennen bei diesem Wetter gar nicht freigeben sollen", fand Nick Heidfeld. Auch Nico Rosberg hätte gegen einen Abbruch nicht interveniert. "Ich finde nicht, dass das Rennen regulär war", sagte der Williams-Pilot. "Es war zu gefährlich. Für mich war es Unsinn, dass gefahren wurde." Gegenstimmen gab es aus dem Hause der roten Bullen. David Coulthard hatte trotz des Regens seinen Spaß. Immer am Limit, in jeder Runde, in jeder Kurve, das gefällt dem Routinier. "Die Bedingungen waren für alle kritisch", gestand Tonio Liuzzi, "aber wir sind Rennfahrer und unser Job ist es, Rennen zu fahren."
Wie kam es zum Unfall zwischen Vettel und Webber?
Es wäre die Sensation des Sonntags gewesen: Mark Webber und Sebastian Vettel lagen sicher auf Podiumskurs. Dann der Knall: Vettel rauscht Webber ins Heck - beide sind draußen. "Ich habe auf der rechten Seite nur mit einem Auge gesehen, dass Lewis ganz langsam wurde und habe mich gewundert und da bin ich schon auf Webber aufgefahren. Das war wirklich nicht meine Absicht, es tut mir leid", sagte Vettel kleinlaut. Webber war verständlicherweise aufgebracht. "Er ist ein Kind, nicht war", sagte der Australier. "Sie haben nicht genug Erfahrung - sie machen einen guten Job und dann machen sie alles kaputt." Für Webber war das doppelt ärgerlich. "Wir waren in einer sehr, sehr guten Verfassung und hätten Lewis heute um den Sieg herausfordern können", trauerte er.
Warum fuhr Ralf Schumacher nach seinem Ausfall noch einmal raus?
Fuji ist Toyotaland - hier durften und wollten sich die Japaner keinen Ausfall vor ihrem Publikum leisten, nicht so lange sie es verhindern konnten. "Durch den Regen kam Wasser in meine Elektrik", klärte Ralf auf. "Deswegen musste ich an die Box, dort hat das Team das Problem behoben." Die heimischen Fans bekamen ihren zweiten Toyota noch bis zum Schluss zu sehen - mehr aber auch nicht.
Was war beim Zweikampf Alonso gegen Vettel?
Mark Webber war nicht der einzige Fahrer, der es mit Sebastian Vettel zu tun bekam. Vor der folgenreichen Kollision der beiden Bullen schreckte der Nachwuchspilot noch nicht einmal vor einem Doppelweltmeister zurück. "Ich war schneller, schloss die Lücke", so Vettel. "In Kurve 1 habe ich den Windschatten genutzt, mich angesaugt und bin relativ früh rechts daneben gefahren." Vettel bremste später, sie gingen Seite an Seite in die Kurve. "Dann haben wir uns berührt." Norbert Haug machte Vettel keinen Vorwurf. "Bei Kubica war es anders, aber Vettel dachte, er könnte einlenken, nur war Alonso noch da."
Was war beim Zweikampf Kubica gegen Hamilton?
Die zweite Kollision eines Silberpfeilpiloten war die einzige richtige Aufregung im Rennen von Lewis Hamilton. "Ich konnte ihn nicht sehen", so Hamilton. "Wenn man hinter jemandem fährt, muss man sich an die Bedingungen anpassen. Er war vielleicht etwas zu weit weg und berührte mich." Hamiltons Auto wurde nur leicht beschädigt, er hatte bis zum Rennende Vibrationen, aber keine weiteren Probleme. Kubica sah es als einen normalen Rennunfall an, die Drive Through-Strafe überraschte ihn. "Ich war viel schneller als Lewis, und er hat in Kurve 13 oder 14 einen Fehler gemacht oder eine komplett andere Linie gewählt", so der Pole. "Er war weit außen. Ich blieb innen. Er zog am Scheitelpunkt rein, und da war ich, so haben wir uns leider getroffen."
Was war beim Zweikampf Kubica gegen Massa?
"Das Duell mit Kubica in der letzten Runde war das Beste an diesem Rennen", sagte ein frustrierter Massa. "Er hat mich vor Kurve 6 überholt, dann überholte ich ihn", begann Kubica seine Erzählung. "Wenn ich in Kurve 10 normal eingelenkt hätte, hätte er mich getroffen, aber ich wollte das Rennen beenden. Er hat mich rausgedrückt, ich habe versucht, ihn in der letzten Kurve zu überholen, aber er fuhr einen großen Bogen, und neben der Strecke war mehr Grip. So hat er den Platz bekommen. Wir haben ordentlich etwas geboten und konnten am Ende darüber lachen", fasste Kubica das Finale zusammen.
Was hatte es mit den ganzen E-Mails auf sich?
Ohne E-Mails geht heutzutage nichts mehr - egal ob im Arbeitsleben, Urlaub oder bei Spionageanhörungen. Auch bei Regenrennen sind die elektronischen Textbotschaften von Bedeutung. So teilte die FIA den Teams vor dem Rennstart mit, dass die extremen Regenreifen Pflicht sind. Nur Ferrari will diese Mail erst sieben Minuten nach dem Start erhalten haben, deshalb war man als einziges Team auf Intermediates gestartet. "Das ist alles ein völliger Blödsinn - Ferrari war so oder so auf den falschen Reifen", lachte Christian Danner. "Man hat eine völlige Fehlentscheidung getroffen und sich hinterher darüber beschwert, dass man davor nicht bewahrt worden ist. Sie waren auf den falschen Reifen; FIA-Hinweis hin oder her. Heavy Wets war richtig, Intermediates war falsch."
Was wurde alles nach dem Rennen entschieden?
Die Rennkommissare hatten mit dem Fallen der Zielflagge noch keinen Feierabend. Zunächst untersuchten sie den Zusammenstoß zwischen Vettel und Webber. Die Folge ist eine Strafversetzung des Deutschen beim China GP um 10 Startplätze. Danach war Tonio Liuzzi an der Reihe. Für den Italiener verhängten sie eine 25 Sekunden Zeitstrafe, weil er Adrian Sutil unter Gelb überholt haben soll. "Als wir die Ziellinie überfuhren, sah ich die gelbe Flagge und zog zurück", schilderte der Italiener die Situation. Danach habe er ihn nach der ersten Kurve überholt, als grüne Flaggen Entwarnung gaben. Die Rennkommissare sahen es anders. Der erste WM-Punkt von Toro Rosso wurde zum ersten WM-Punkt von Spyker. Die Jungbullen legten allerdings Einspruch ein. Zum Abschluss des Tages gab die FIA ein Schreiben heraus, das Ferrari beruhigen dürfte. Ab sofort werden alle Hinweise von der Rennleitung nicht nur wie vor der Saison abgesprochen über das elektronische System verteilt, sondern auch noch auf die herkömmliche Weise auf Papier. Die richtige Reifenwahl müssen die Teams in den meisten Fällen aber trotzdem noch selbst treffen.
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