1. - S wie Startaufstellung

"Der Abstand ist ungewöhnlich groß." Besser als Mario Theissen kann man den Unterschied zwischen McLaren und Ferrari in Monza nicht beschreiben. Die Roten liegen bei ihrem Heimspiel deutlich hinter McLaren. Theissen hat dafür zwei Varianten: "Massa hat weniger Benzin oder Kimi hat einen Fehler gemacht." Fernando Alonso dürfte beides nicht interessieren. Er freut sich über seine zweite Saison-Pole. "Das Auto ist hier an diesem Wochenende extrem schnell. Wir haben unsere Chance genutzt und unsere Pace gezeigt." Jetzt will er am Sonntag genauso weiter machen. "Und das Rennen vor allen anderen beenden."

Auch vor seinem Teamkollegen Lewis Hamilton, der neben ihm aus der ersten Startreihe ins 53-Runden-Rennen geht. Obwohl Hamilton noch immer die WM anführt, sieht Alonso ihn öffentlich nicht als größeren Gegner als Ferrari an. "Ein Doppelsieg wäre toll", so der Spanier. "Man muss natürlich vernünftig sein und so viele Punkte wie möglich nach Hause bringen."

2. - S wie Start

Ferrari steht derweil unter Zugzwang. Felipe Massa war nur Drittschnellster, Kimi Räikkönen wurde sogar von Nick Heidfeld überholt und muss aus Reihe 3 starten. "Es ist schön, dass Nick dazwischen gefahren ist", freute sich Norbert Haug, "hoffentlich hilft uns das beim Start."

Heidfeld hätte nichts dagegen. "Unsere Starts sind ja eigentlich immer gut, aber die von Ferrari werden in letzter Zeit auch immer besser", gibt er zu bedenken. Doch der Start ist erst der Anfang. "Der nächste neuralgische Punkt ist dann die erste Kurve. Da hat es hier schön öfter mal gekracht", weiß Heidfeld. Mario Theissen bezeichnet die erste Kurve als "hoch kritisch", hofft aber, dass die guten Startpositionen seiner Fahrer sie aus dem möglichen Schlamassel heraushalten. "Je weiter vorne man steht, desto geringer ist die Gefahr, darin verwickelt zu werden", hofft er. Außerdem stünden um Heidfeld herum die vier Titelanwärter, von denen dürfe sich keiner ein riskante Aktion leisten.

Geheimtipp oder chancenlos? Mehr als ein Podium scheint nicht drin zu sein., Foto: Sutton
Geheimtipp oder chancenlos? Mehr als ein Podium scheint nicht drin zu sein., Foto: Sutton

Dennoch warnt Heidfeld: "Der Weg zur ersten Kurve ist halt relativ weit. Wir sind also schnell, haben kalte Bremsen, und die Bremsstabilität mit den Autos hier ist aufgrund der flachen Flügel auch eher ungewohnt. Da muss man aufpassen." Ein kleiner Verbremser kann Positionen kosten oder gar eine Kollision auslösen. Auch die McLaren-Piloten sind davor nicht sicher. Insbesondere da Lewis Hamilton weiß, dass er im weiteren Verlauf des Rennens wohl kaum eine Chance haben wird, um Alonso zu überholen. "Warten wir ab, wie wir in die erste Kurve gehen", kündigte er angriffslustig an. Es wäre nicht das erste Mal in dieser Saison...

3. - S wie Schlüsselstellen

Schikanen und Geraden beherrschen den Traditionskurs von Monza. Dabei ist das Rennen gleichermaßen für die Motoren als auch für die Bremsen eine harte Angelegenheit. Vier Mal wird auf 350 km/h beschleunigt und wieder heruntergebremst, fast 70 % der Strecke werden mit Vollgas gefahren. Obwohl das Layout relativ einfach aussieht, ist es für die Fahrer anstrengend; nicht physisch, aber sehr wohl psychisch - die Konzentration muss immer hoch sein, einmal zu spät gebremst und man schießt über den Bremspunkt hinaus. Die Herausforderung, jede Runde die richtige Linie und Bremspunkte zu treffen, erfordert gerade wegen des sehr geringen Abtriebs viel Erfahrung, Gefühl und Finesse.

Als wären die reinen Power-Passagen von Monza noch nicht Belastung genug für die V8-Triebwerke, halten auch noch die langsamen Schikanen eine ganz besondere Herausforderung in puncto Haltbarkeit bereit: Die Fahrer müssen die Randsteine sehr aggressiv in die Linie mit einbeziehen. Beim unvermeidlichen Abheben der Antriebsräder kommt es zu einem ungewöhnlich häufigen Eingreifen des Drehzahlbegrenzers. Zudem besteht das Risiko, dass Antriebswellen und Getriebe beim anschließenden Aufsetzen überansprucht werden. Und nicht zuletzt müssen die Techniker auch die Anbauaggregate genau im Auge behalten, die in Monza ebenfalls Schwerstarbeit leisten müssen.

4. - S wie Setup

Monza ist mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 250 km/h die schnellste Strecke der Saison. Zwar benutzen die Teams auch in Montreal und Indianapolis eine Aerodynamik-Konfiguration mit wenig Luftwiderstand und Abtrieb, doch das Aero-Paket für Monza ist völlig einzigartig und erlaubt Topspeeds von über 340 km/h. Oft wird von einer Aerodynamik mit wenig Abtrieb gesprochen - der springende Punkt des Monza-Pakets ist aber der geringe Luftwiderstand. Bei der Arbeit im Windkanal konzentrieren sich die Teams auf ultraeffiziente Flügeldesigns, die sich oft stark voneinander unterscheiden. Naturgemäß produzieren diese windschnittigen Flügel weniger Downforce - bei 250 km/h liegen in Monza rund 20 Prozent weniger Abtrieb an als in Monaco.

Am Samstag musste sich Ferrari klar hinten anstellen., Foto: Sutton
Am Samstag musste sich Ferrari klar hinten anstellen., Foto: Sutton

Mechanischer Grip, Stabilität und Straßenlage heißen die wichtigsten Punkte bei der Abstimmungsarbeit in Monza. Das liegt erstens daran, dass der geringe Abtrieb die Bedeutung der mechanischen Abstimmung besonders hervorhebt. Zweitens stehen die Fahrer fast 15 Prozent der Runde auf der Bremse, was ein besonders stabiles Verhalten in den Bremszonen erfordert. Und drittens führt der Weg zu einer schnellen Runde in Monza nur über ein aggressives Überfahren der Kerbs in den Schikanen. Der Abstimmungskompromiss sollte den Piloten in den langsamen und mittelschnellen Schikanen präzise Richtungswechsel erlauben und zugleich für gute Traktion beim Beschleunigen sorgen. Überdies ist in den besagten heftigen Bremszonen viel Vertrauen ins Auto gefragt. Um die aerodynamische Performance zu optimieren, wird die Bodenfreiheit der Boliden so gering wie möglich eingestellt. Damit sie bei hohen Geschwindigkeiten - wenn der Unterboden fast schon über den Asphalt raspelt - nicht aufsetzen, werden die Federwege durch Gummipuffer künstlich begrenzt.

Da die Autos fast 15 Prozent einer Runde verzögert werden, lässt sich in diesem Bereich relativ viel Zeit finden. Das mechanische Setup wird auf größtmögliche Bremsstabilität getrimmt, um dem Piloten Vertrauen zu vermitteln. Das Bremssystem selber erhält einige spezielle Verfeinerungen. Die gesamte Bremsenergie liegt etwa auf dem Niveau von Montreal, wobei beim Anbremsen von Turn 1, der Schikane "Prima Variante", sogar Verzögerungen von 4,5 G erreicht werden. Insgesamt müssen die Autos Runde für Runde vier harte Bremsmanöver aus über 320 km/h überstehen. Deshalb wird den Bremsbelüftungen großes Augenmerk gewidmet: Sie müssen Scheiben und Beläge perfekt kühlen, dürfen aber den Luftwiderstand möglichst nicht erhöhen.

Monza gilt seit jeher als der ultimative Härtetest für Formel 1-Motoren. Die Triebwerke laufen für 77 Prozent der Runde mit voll geöffneten Drosselklappen - klar mehr als der Saisondurchschnitt von 61 Prozent. Überdies müssen die Achtzylinder über einen Geschwindigkeitsbereich von 275 km/h wirkungsvoll arbeiten - von den 65 km/h in der ersten Schikane bis zu den 340 km/h Topspeed auf der vorhergehenden Start-Zielgeraden. Die längste Vollgaspassage dauert 15,5 Sekunden und erstreckt sich vom Ausgang der "Parabolica" bis zur Bremszone vor der ersten Schikane. Das Motorenmapping muss dem Piloten sowohl eine gute Leistungsentfaltung aus langsamen Geschwindigkeiten erlauben als auch ein problemloses, sanftes Ansprechverhalten bei der Ausfahrt aus schnellen Kurvenpassagen wie der "Parabolica".

5. - S wie Strategie

Bei der Strategie scheiden sich die Geister und Supercomputer. Für Tonio Liuzzi ist sein Heimrennen ein offenes Buch: "Normalerweise ist Monza ein Einstopprennen, weil man viel Zeit in der Boxengasse verliert." Allerdings schiebt er hinterher, dass noch nichts entschieden sei. Das sieht auch Nico Rosberg so. "Es wird interessant zwischen Ein-Stopp und Zwei-Stopp. Da wird irgendwo sicher auch gepokert werden", glaubt er.

Kann Alonso den Rückstand auf Hamilton verkürzen?, Foto: Sutton
Kann Alonso den Rückstand auf Hamilton verkürzen?, Foto: Sutton

"Speziell Kimi könnte nach dem Crash am Morgen auf einer Einstoppstrategie sein", spekuliert Norbert Haug. Der Zeitunterschied zwischen Massa und Räikkönen würde dafür sprechen. "Es wird wohl sehr unterschiedliche Strategien geben", glaubt Pascal Vasselon. "Das liegt an der Streckencharakteristik und der Reifenabnutzung." Auf den Long Runs schienen die harten Reifen klar die bessere Wahl zu sein. "Die weichen grainen", stimmt Rosberg zu. "Da wird es interessant: Wer macht damit nur einen Stopp? Mit welchem Reifen fährt er dann zuerst?" Mario Theissen macht sich keine Sorgen wegen der Reifen. "Ich habe den Eindruck, dass es mit mehr Gummi auf der Strecke besser wird. Der harte Reifen ist aber sicher die bevorzugte Option fürs Rennen."

6. - S wie Speed

Monza lässt sich einfach auf einen Nenner bringen: "Ein hoher Topspeed ist gut fürs Rennen." Danke Nico Rosberg. Die Bestätigung liefert Nick Heidfeld: "Ein guter Topspeed ist schön und gut, speziell hier ist das nicht unwichtig." BMW Sauber scheint diese Aufgabe noch etwas besser gelöst zu haben als Williams. Aber Marc Surer hatte sich dennoch mehr erwartet. "Sie haben das schnellste Auto auf der Geraden - deutlich. Heidfeld fährt 3 km/h schneller als Alonso auf der Pole." Aber in den Kurven verliere man zu viel Zeit. Sollte es tatsächlich zu einem Überholmanöver kommen, könnte es trotzdem von Vorteil sein.

PositionNameTopspeed
1 Nick Heidfeld 349.6
2 Robert Kubica 348.8
3 Jarno Trulli 347.7
4 Giancarlo Fisichella 347.3
5 Heikki Kovalainen 347.1
6 Fernando Alonso 346.7
7 Felipe Massa 346.2
8 Kimi Räikkönen 346.0
9 Lewis Hamilton 345.0
10 Sebastian Vettel 344.7
11 Tonio Liuzzi 342.2
12 Anthony Davidson 341.4
13 Takuma Sato 341.3
14 Ralf Schumacher 340.8
15 Mark Webber 340.5
16 Nico Rosberg 340.1
17 David Coulthard 340.0
18 Sakon Yamamoto 340.0
19 Rubens Barrichello 338.6
20 Alex Wurz 338.5
21 Adrian Sutil 338.3
22 Jenson Button 338.0

7. - S wie Spannung

Wenn wir ehrlich sind: eigentlich sieht alles nach einem McLaren-Doppelsieg aus. Aber Ferrari gibt die Hoffnung nicht auf. "Auf einer einzigen Runde sind unsere Gegner sehr stark", gibt Jean Todt zu, "aber uns ist klar, dass wir eine sehr gute Rennpace haben." Die soll es mal wieder richten. Zusammen mit einer anderen Strategie könnte also doch noch Spannung im Kampf um den Sieg aufkommen. Zudem hat BMW Sauber den Podestplatz noch lange nicht abgeschrieben. "Das ist unser Ziel", gibt Mario Theissen selbstbewusst die Richtung vor. McLaren scheint jedoch für die Weiß-Blauen außer Reichweite zu sein. "Der Abstand ist unerwartet groß - größer als beim Test. Sie fuhren heute in einer eigenen Liga. Ich bin gespannt, wie es im Rennen aussehen wird."