Wer den Grand Prix von Kanada live vor dem Fernseher verfolgt hat, dem lief es beim Anblick des Unfalls von Robert Kubica kalt den Rücken herunter. Wie eine 300 km/h schnelle Flipperkugel schoss der Bolide des Polen in die Mauer am Streckenrand, prallte von dort zurück auf die Straße, überschlug sich noch einmal, bevor es nach einem weiteren heftigen Einschlag auf der anderen Seite der Strecke auf die Seite kippte und zur Ruhe kam - der heftigste Unfall seit Jahren in der Formel 1. Das kann er niemals heil überlebt haben, so der spontane Gedanke vieler Motorsportfans, als Kubica reglos in seinem Cockpit hing.

Für Experten wie Karl-Heinz Stegner vom DMSB nährte der Anblick des Wracks des Polen jedoch die Hoffnung, dass der BMW Sauber-Pilot glimpflich davongekommen sein könnte. "Das Monocoque in der Formel 1 ist ja unglaublich stabil. Und man konnte gut sehen, dass die Zelle samt Innenraum intakt war. Zudem verharrte Kubica in seiner Sitzposition und hatte eine stabile Kopfposition. Bei einer solchen Konstellation muss man nicht vom Schlimmsten ausgehen", erklärt Stegner, der als technischer Delegierter der DTM normalerweise für die Sicherheit der Tourenwagen sowie der Autos der Formel 3 Euroserie zuständig ist, im Gespräch mit motorsport-magazin.com.

Und in der Tat überstand Robert Kubica seinen Horrorcrash so gut wie unverletzt. Doch wie war das möglich? Verdankt der Pole sein Leben den unglaublich hohen Sicherheitsstandards oder hatte er einfach nur einen Schutzengel? Für Stegner hatten beide Faktoren Anteil am glimpflichen Ausgang des Unfalles. "Alle Sicherheitssysteme haben optimal gewirkt, aber das konnten sie nur, weil der ganze Ablauf des Crashs im Prinzip ideal war." Um das nachzuvollziehen, müsse man den Unfall in drei Phasen gliedern. "Zuerst ist das Auto nachdem es von der Strecke abgekommen ist, nicht in einem 90 Grad-Winkel eingeschlagen, sondern in einem viel spitzeren Winkel. So konnte die Nase durch ihre Zerstörung schon einen Großteil der Aufprallenergie aufnehmen und auch das HANS-System am Helm konnte so ideal funktionieren", erklärt der Experte.

Kubica hatte Glück, dass sein Bolide seitlich in die Leiplanke einschlug., Foto: Sutton
Kubica hatte Glück, dass sein Bolide seitlich in die Leiplanke einschlug., Foto: Sutton

In der zweiten Phase wurde das Auto zurück auf die Strecke geschleudert und fing an, sich zu überschlagen und zu drehen. "Auch das war wichtig, denn dadurch wurde weiter Energie abgebaut. Fast am meisten Glück habe Kubica für Stegner jedoch in der Endphase des Unfalls gehabt. "Er ist am Ende seitlich in die Leitplanke eingeschlagen und nicht frontal, wo er aufgrund der mittlerweile fehlenden Nase keinen Schutz mehr gehabt hätte. Der Körper saß fest in der Schale und war durch die Seitenwände geschützt. Der Kopf hat zwar einen Pendelschlag abbekommen, aber auch hier nimmt der Kopfschutz am Chassis sehr viel Energie", erläutert Stegner.

So wie der Unfall im Einzelnen verlief, war es also gut nachvollziehbar, dass Kubica so gut wie nichts passiert ist, wenn auch nicht selbstverständlich. "Letztendlich weiß man nie, ob nicht doch irgendetwas am Genick passiert ist", so Stegner. Schließlich sei der Pilot direkt nach dem Crash bewusstlos gewesen. Absolute Sicherheit wird es im Motorsport also nie geben. Denn egal wie gut die Sicherheitssysteme in der Formel 1 sind oder noch werden - dass irgendwann doch wieder etwas Schlimmeres passiert, kann man nie ganz ausschließen. Und auch der Unfall von Kubica hätte einen ganz anderen Ausgang nehmen können. "Dass der Unfall genauso verlaufen ist, war schon glücklich", weiß Stegner. "Bei einem anderen Aufprallwinkel am Anfang hätte der gleiche Unfall auch bei niedrigeren Geschwindigkeiten tödlich sein können."